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Attraktives Design – aber bald weniger gute Inhalte?
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Screenshot des Zeitungstitels

Aktuell

Augsburger Allgemeine: Stellenabbau für gute Rendite

Zeitung soll "zukunftsfest" gemacht werden

Kassel/Augsburg, 06.11.2012

„Drei Generationen lang haben Verleger an der Spitze der Augsburger Allgemeine gestanden, die noch wussten, wie man Zeitung macht. Jetzt treffen dort Leute Entscheidungen, die mit dem journalistischen Alltag nicht mehr viel zu tun haben“, beklagte ein betroffener Redakteur. Nun stünden Renditevorgaben an erster Stelle, der traditionelle Ruf des Blattes als Qualitätszeitung stehe auf dem Spiel. „Dabei macht unsere Zeitung immer noch gutes Geld!“

Seinen Namen will er nicht veröffentlicht wissen. Wie die meisten der 180 Mitarbeiter des Verlags sorgt er sich um seinen Arbeitsplatz und um die eigene Existenz, seit bei der Augsburger Allgemeine drastische Sparaktionen angesagt sind. Die Stimmung unter den Kollegen ist gedrückt, so mancher ist ob der bevorstehenden Veränderungen fassungslos.

Wie jetzt aus dem Betriebsrat bekannt wurde, soll der Redaktions-Etat in den kommenden drei Jahren um rund 3,7 Millionen Euro gekürzt werden. Nach bisher unbestätigten Angaben sind 37 Stellen in der Redaktion der Augsburger Allgemeine von der geplanten Streichung bedroht. Bekannt wurde auch, dass Stellen nach Altersteilzeit nicht mehr besetzt und ältere Kollegen dazu aufgefordert werden sollen, früher in Rente zu gehen.

Vor allem junge Kollegen fühlen sich von der Verlagsseite vor den Kopf gestoßen: Sie hatten zunächst befristete Ein- oder Zweijahresverträge und danach mit einer unbefristeten Anstellung rechnen können. Nun stehen sie plötzlich vor dem Aus.

Zudem plant die Mediengruppe Pressedruck, die neben der Augsburger Allgemeine auch den Südkurier aus Konstanz und die Main-Post in Würzburg herausgibt, einen zentralen Newsdesk für alle drei Blätter, der weitere Arbeitsplätze in den Redaktionen gefährdet. Bei der gesamten Mediengruppe sind Einsparungen von rund zehn Millionen Euro geplant. Ob und wie sich die Kürzungen beim Südkurier und der Main-Post auswirken, wird bisher von der Verlagsleitung derzeit noch offen gelassen.

Zeitungen „zukunftsfest“ machen
Geschäftsführer Edgar Benkler und Herausgeberin Alexandra Holland hatten bei einer Betriebsversammlung im Oktober mitgeteilt, dass acht Zeitverträge nicht verlängert und fünf weitere Stellen gestrichen werden. Gleichzeitig machte die Verlagsleitung deutlich, dass man ein schwieriges Jahr 2013 erwarte und Sparmaßnahmen anstehen, um das Blatt„zukunftsfest“ zu machen. Dabei orientiere man sich an den Ausgaben von 2009. Der anstehende Arbeitsplatzabbau solle „sozialverträglich“ gestaltet werden. Derzeit arbeiten rund 180 redaktionelle Mitarbeiter für die Augsburger Allgemeine.

Chefredakteur Walter Roller muss nun konkrete Pläne für Einsparungen in den Jahren 2013 bis 2015 erarbeiten. So sei angedacht, den Seitenumfang zu reduzieren. Die Honorare der freien Mitarbeiter sollen um rund zehn Prozent gekürzt, Personal in den Redaktionen abgebaut werden. Zudem sollen „Synergieeffekte“ genutzt werden – das heißt dass redaktionelle Teile, die bisher individuell in den drei Blättern Augsburger Allgemeine, Main-Post und Südkurier hergestellt werden, könnten künftig zusammengelegt und aus einem zentralen Redaktion bedient werden – wie etwa die Wochenendbeilagen oder der Reiseteil.

Mittelfristig befürchten die Redakteure Umgruppierungen und die Auslagerung einzelner Aufgabenbereiche. In der Zukunft könnte sogar die Tarifbindung der Blätter zur Disposition stehen. Das ruft den BJV als größten Berufsverband der Journalisten in Bayern auf den Plan.

„Als Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Zeitungsverleger sollte Andreas Scherer mit gutem Beispiel vorangehen und nicht rücksichtsloses Gewinnstreben in den Vordergrund stellen“, betont der BJV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Stöckel. Gerade weil die Verleger vor wenigen Tagen erst die Tageszeitungen gelobt hätten und bei der Augsburger Allgemeinen von rund 20 Prozent Rendite die Rede sei, fehle ihm jedes Verständnis für die drastischen Sparmaßnahmen.

„Entweder man lügt sich in die Tasche oder man will einsparen, ohne zu wissen, ob sich die Situation tatsächlich verschlechtert,“ sagt Stöckel. Er kritisiert, dass gerade die Honorare der freien Mitarbeiter gekürzt werden sollen. „Diese Einschnitte treffen wieder einmal die schwächste Gruppe. Das ist für uns nicht akzeptabel.“

Der Vorsitzende des Bayerischen Journalisten-Verbandes erwartet, dass Scherer die angekündigten Sparpläne wieder zurücknimmt – wie er es bereits einmal vor zwei Jahren mit der geplanten Leiharbeit getan hat. „Journalistische Arbeit muss auch bei allem Streben nach Gewinnmaximierung ihren Wert behalten“, fordert Stöckel.

Der BJV hat auf dem Verbandstag des Deutschen Journalisten-Verbands in Kassel einen Resolution zur Lage der Mediengruppe Pressedruck eingebracht und an die Verantwortung der Verleger appelliert. Die rund 300 anwesenden Delegierten verabschiedeten die Resolution mit überwältigender Mehrheit.

Maria Goblirsch

Hinweis

Auf unserer Website erschien von Dienstag, 06.11.2012 bis Donnerstagabend, 09.11.2012 ein Interview mit unserer Kollegin Ursula Ernst, die als Redakteurin bei der Augsburger Allgemeinen arbeitet. Auf Wunsch von Ursula Ernst haben wir dieses Interview von unserer Seite entfernt.

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