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Screenshot quer.de

Presse- und Meinungsfreiheit

Neonazis behindern Journalisten

BJV kritisiert Verhalten der Justizbeamten

München, 16.01.2013

„Bei einem Prozess gegen Rechtsextreme in München ist es zu bedrohlichen Szenen gekommen: Gesinnungsgenossen der Angeklagten gaben sich als Journalisten aus und beschädigten Kameraobjektive. Die Grünen wollen nun prüfen lassen, warum die Justizwachtmeister nicht eingriffen“, berichtete die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 4. Januar 2013. „Da haben Neonazis getestet, was geht – so wie sie das im Osten Deutschlands schon lange tun“, kommentierte Annette Ramelsberger im Artikel „Neonazis im Gericht – Attacke auf die Presse“ in der SZ vom 14. Januar 2013.

„Es kann nicht sein, dass der Staat Journalisten als vierte Gewalt sieht, aber gleichzeitig zusieht, wenn sie bei ihrer Arbeit behindert werden", zitierte SZ-Redakteurin Katja Riedel in ihrem Artikel den stellvertretenden BJV-Vorsitzende Michael Busch. Die Justiz hätte einschreiten müssen und habe „kein rühmliches Gesicht“ gezeigt, monierte Busch. Auch in der Sendung Markt und Medien des Deutschlandfunks äußerte er sich zu diesem Vorfall.

Dokumentation der Angriffe bei quer
Unter dem Titel „Braune Aussichten: Nazis rüsten sich für NSU-Prozess“, berichtete in der letzten Woche das Magazin quer des Bayerischen Rundfunks über die Vorgänge im Gerichtssaal. „Rechtsextreme haben beim Prozess gegen den Neonazi Norman Bordin am Münchner Amtsgericht letzte Woche mit Angriffen gegen ein Fernsehteam von quer einen Vorgeschmack darauf gegeben, was die Öffentlichkeit beim NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe erwartet.“ Der Präsident des Amtsgerichts München, Gerhard Zierl, erwägt zum Vermeiden solcher Störungen künftig sogar ein „Film- und Fotografierverbot“ im Gerichtssaal.

Film- und Fotografierverbot erwogen
Das Medienmagazin Zapp berichtete ebenfalls über die Vorfälle, außerdem gibt es dort ein rund 24-minütiges Interview mit Gerhard Zierl. Zierl äußerte sich zu den Vorfällen unter anderem so: „Wenn dort keine Kameras gewesen wären, [...] hätten wir diese Konfrontationen nicht, und deswegen ist zu überlegen, ob ich bei zukünftigen Prozessen ein partielles Film- und Fotografieverbot verhänge."

BJV fordert konsequenteren Schutz
Dies wäre ein fatales Signal, warnt der BJV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Stöckel jetzt in einem Schreiben an den Gerichtspräsidenten. Ein solcher Ausschluss sei mit der Freiheit der Berichterstattung nach Artikel 5 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Stöckel verwies auf das Recht der Journalisten, im Gerichtssaal vor der Verhandlung zu fotografieren und zu filmen. Daran sei nicht zu rütteln, solange das Recht am eigenen Bild gewahrt werde. Gerade bei Prozessen mit rechtsradikalem Hintergrund sei es wichtig, dass sich die Öffentlichkeit auch vom Umfeld der Angeklagten ein Bild machen könne.

Der BJV-Vorsitzende betonte, dass bei den im Amtsgericht München vorgefallenen Attacken gegen die Presse ein entschiedeneres und konsequenteres Eintreten gegen die Provokateure wünschenswert gewesen wäre. Er regte an, dass es hilfreich sein könne, bei Verhandlungen Pressevertreter räumlich getrennt von den Zuschauern im Gerichtssaal unterzubringen.

NSU-Prozess: Recht auf Berichterstattung muss gewahrt bleiben
Stöckel ließ auch das Argument nicht gelten, dass Kontrollen durch das Wachpersonal nur unzureichend möglich seien, weil es inzwischen eine Unzahl von Presseausweisen gebe. „Es existiert nur einen Presseausweis, auf dem die BJV/DJV, ver.di, BDZV, VDZ, Freelance und VDS als Aussteller angegeben sind“, stellt der BJV-Vorsitzende klar. Wenn man die Justiz-Wachtmeister darüber ausreichend informiere, könne künftig vermieden werden, dass sich Zuschauer als Journalisten ausgeben, um dann anschließend die Presse bei ihrer Arbeit zu behindern.

In einem Gespräch mit dem Präsidenten des Amtsgerichts München wird sich der BJV in der kommenden Woche dafür einsetzen, dass das Recht der Berichterstattung künftig am Amtsgericht München und auch bei dem vor dem Oberlandesgericht München anstehenden NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe gewahrt bleibt.

Maria Goblirsch, Thomas Mrazek

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