Der neue DJV-Bundesvorstand (von links nach rechts): Christoph Holbein, Kathrin Konyen, Katrin Kroemer, Wolfgang Grebenhof, Frank Überall, Sabine Prokscha und Peter Jebsen
Foto: Silvio Wyszengrad

BJV-Landesvorstand

Aus Bayern kommen die Stimmenkönige

Impressionen vom DJV-Verbandstag in Fulda

Fulda, München, Augsburg, 06.11.2015

„Sollten Sie sich verdrückt haben, können Sie sich korrigieren.“ Der Administrator des „reply IQ“ war sich nicht im Klaren, wie fatal sein Ratschlag zur Bedienung des Abstimmungsgeräts sich unter 267 Delegierten auswirken sollte. Eine geschlagene Stunde tobte der Kampf auf dem DJV-Verbandstag in Fulda darüber, ob das digitale Voting zuverlässig funktioniert oder rechtsunsichere Macken zeigt.

Denn immer wieder hatten einzelne Delegierte moniert, ihre Stimme sei nicht bestätigt worden. Und der baden-württembergische Kollege Peter Welchering fühlte sich in seinem Verdacht mehr als bestätigt, dass „reply IQ“ viel zu unsicher sei. Bis nach juristischen Krisengesprächen der neue DJV-Bundesvorstand doch wieder mit dem guten alten Stimmzettel gewählt wurde.

Neuer Bundesvorsitzender Frank Überall
Wären nur die beiden bayerischen Kandidaten Wolfgang Grebenhof (229 Ja-Stimmen als stellvertretender Bundesvorsitzender) und Sabine Prokscha (229 Ja-Stimmen als Beisitzerin) zu wählen gewesen, hätte sich die mühsame Prozedur erübrigt.

Doch der neue Bundesvorsitzende Frank Überall ging keineswegs als Stimmenkönig ins Amt. Mit 130:118 entschied der Kölner Mediendozent und WDR-Freie das Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Berliner Deutsche Welle-Freien Alexander Fritsch ziemlich knapp für sich. Sobald diese Konkurrenz entschieden war, ging es merklich entspannter im Tagungsverlauf weiter.

Mochte auch Dauer-Quertreiber Hans Werner Conen als eine unsichtbare Macht weiterhin das Tagungspräsidium auf der Hut sein lassen, Formfehler tunlichst zu vermeiden. Weil angeblich seine persönliche Sicherheit in Fulda nicht gewährleistet sei, blieb Conen lieber zuhause in Brandenburg, bewarb sich jedoch auf alle Vorstandsämter.

Alte Zöpfe abschneiden …
Wolfgang Grebenhof indes zeigte wenig Lust, den Gegner in den eigenen Reihen aufzuspüren. „Wir haben sie draußen im Lager der Arbeit- und Auftraggeber von uns Journalisten!“, rief der engagierte Gewerkschafter, Redakteur und Betriebsrat der Fränkischen Landeszeitung aus Ansbach in seiner Bewerbungsrede ins Bewusstsein. „Wir müssen uns anstrengen, dass sie nicht all das, was wir erkämpft und in Tarifverträgen vereinbart haben, in Frage stellen.“ Indem diese Verleger die gemeinsamen Vergütungsregeln ignorieren und die betriebliche Mitbestimmung unterhöhlen. Es gelte, die Kräfte im DJV zu bündeln und „mit der ganz großen Schere“ alte Zöpfe im Verband abzuschneiden.


„Dass wir alle an einem Strang ziehen und, bitte, auf einer Seite“, das wünschte sich auch Frank Überall vom DJV. Der 44-jährige Professor an einer privaten Medienhochschule und Radio-Mann unterstrich den Wert des Journalismus: „Wir sind nicht die Content-Schubser, wir verdienen es, für unsere Arbeit anständig bezahlt zu werden.“ Als bisheriger Schatzmeister hat er die knapperen Mittel des DJV, der – leider – an Mitgliedern verliert, klug zusammengehalten und die Bundesgeschäftsstelle zum Sparen angehalten.

Beruf, DJV & Familie – das geht!
Auch Kathrin Konyen, die neue stellvertretende Vorsitzende, saß schon im Bundesvorstand. Die 36-jährige freie Medienjournalistin und zertifizierte Fachtrainerin an der Journalistenakademie Stuttgart, ansässig übrigens im bayerischen Neu-Ulm, bekommt im Januar ihr zweites Kind und will den Beweis antreten, dass Beruf und Familie zu vereinbaren sind und sie auch im DJV als Mutter eine verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben kann.

Sabine Prokscha hat sich im DJV ebenfalls schon bewährt als Vorsitzende des Fachausschusses Junge Journalisten. Der Liebe wegen arbeitet die 37-Jährige als Lokalfunkredakteurin inzwischen in Nordbayern und engagiert sich außerdem im BJV-Fachausschuss Rundfunk als stellvertretende Vorsitzende.

„Die schönsten zwölf Jahre meines Lebens“
Wehmut kam auf beim Abschied von Michael Anger aus dem Bundesvorstand auf. „Ich hätte lieber eine Bewerbungsrede auf ihn gehalten“, bedauerte der BJV-Vorsitzende Michael Busch.

Die vollen zwölf Jahre lang ist Anger, der Bayreuther, mit dem scheidenden Bundesvorsitzenden Michael Konken durch dick und dünn gegangen. „Du hast tarifpolitisch und gewerkschaftlich die Fahne hochgehalten und warst immer der ruhende Pol im Vorstand“, würdigte ihn Konken. „Du hast die Wogen geglättet, bist nach kontroversen Sitzungen in die Landesverbände nachgefahren und hast das Strittige nachbesprochen.“

Er werde seinen Rat vermissen – und seine Rollkragenpullover. Sehr persönlich fiel Angers Dankeswort „für die zwölf schönsten Jahre meines Lebens“ aus: „Ihr habt mich sechsmal in den Bundesvorstand gewählt, davon viermal mit der höchsten Stimmenzahl. Ich war immer für euch da“, sagte er den Delegierten. Bewegt reiste er im Gedanken nochmals durch die Landesverbände, zum Sommerfest nach Sachsen, als Streikführer nach Hessen, ins Saarland … Anger dankte auch allen, die ihm widersprachen – auch den unsachlichen Gegnern. Denn sie hätten ihm geholfen, stets positiv gesonnen zu bleiben.

Verbandstag wird kleiner
Auch der Verbandstag fand wieder in die Spur. Ein Schritt auf dem Weg zu einer schlankeren Verbandsstruktur sollte die Verkleinerung des Journalistentags von 260 auf 200 Delegierte sein. Wobei Michael Busch die bayerische Landesgruppe darüber aufklärte, dass gerade die kleineren Landesverbände diese Reduktion begrüßen, obwohl ihre Mindeststärke auf drei Delegierte sinkt.

Heftig debattiert wurde indes der Vorschlag, die Fachausschüsse zu bündeln. Vor einem Mangel an demokratischer Legitimation und der Schwächung des föderalen Aufbaus des DJV warnten die Kritiker, von „Horrorvorstellungen“ sprach Michael Anger, denn auf den Sitzungen einzelner Fachausschüsse fehle meist ein Drittel der Landesverbände. Wolfgang Grebenhof empfahl, zeitgemäße Kommunikationsformen zu nutzen, also Videokonferenzen oder die gemeinsame Arbeit an Papieren über die Cloud.

„Fuldaer Erklärung“
Mehrmals setzte der Fuldaer Verbandstag deutliche Signale in der deutschen Medienlandschaft. Die vom BJV formulierte „Fuldaer Erklärung“ fordert von der Politik gesetzlichen Schutz der Kreativen vor der wirtschaftlichen Übermacht ihrer Auftraggeber, vor allem die juristische Durchsetzbarkeit einer angemessenen Vergütung.

Kante gegen Anfeindungen zeigen!
Breite Unterstützung fand der DJV Sachsen für seine Resolution gegen die zunehmenden Angriffe auf Journalisten, die als „Lügenpresse“ verleumdet und auf Demos vom Mob als Freiwild drangsaliert werden. „Dieser Antrag geht uns alle an“, meinte BJV-Chef Busch.

Kurzfristig brachte Bayern erfolgreich den Antrag ein, vom neuen Gesetz zur Tarifeinheit ausdrücklich diejenigen Gewerkschaften auszunehmen, in denen ausschließlich Journalisten organisiert sind.

Kritischen Einwänden beugen musste sich der BJV indes mit seiner Idee, eine Europäische Bürgerinitiative zur Pressefreiheit aufzugleisen. Zu teuer, zu aufwendig und zu ineffizient sei dieses Instrument, befand Andreas Bittner aus Bremen, der auch Schatzmeister der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF) ist. Das Anliegen selbst sollte mit direkten Aktionen vertreten werden.

Intensive Stasi-Debatte
Ganz still wurde es auf dem Verbandstag, als am letzten Tag der Berliner Journalistenverbands-Vorsitzende Bernd Lammel als selbst Betroffener von Stasi-Verdächtigungen und Stasi-Verfolgung sprach. Über ihn waren vor kurzem Dokumente in Umlauf gebracht worden, die seine ehemalige Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR belegen sollen.

Lammel fühlt sich indes selbst als Opfer der Spitzel und beklagte die „feindselige Atmosphäre“ gegen ihn im DJV-Gesamtvorstand. Anstatt ihn Stellung nehmen zu lassen, habe sogar der DJV lieber Stasi-Offiziere als Kronzeugen herangezogen.

„Wir dachten, die Zeit der Verdächtigungen ist ausgestanden, und glaubten an ein Klima der Versöhnung“, meinte die sächsische Vorsitzende Ine Dippmann. Am Ende stand der einmütige Beschluss, die Verstrickungen von Journalisten in Machenschaften der Stasi in Zusammenarbeit mit der Gauck-Behörde unabhängig und wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Daniela Albrecht, die stellvertretende BJV-Vorsitzende, war beeindruckt: „Es hat sich gezeigt, dass der Verbandstag auch bereit ist, sich geduldig mit unangenehmen Themen auseinanderzusetzen.“

Entschuldigung für ungebührliches Verhalten
Neben der Panne mit der elektronische Abstimmung gab es bei diesem Verbandstag leider noch ein Problem: Die Kollegin Sabine Schaper vom Medienmagazin Zapp schilderte im Blog der NDR-Sendung, wie sie von einem Kollegen aus der BJV-Delegation blöd angesprochen wurde: „DJV-Treffen: ‚Aha, die Schülerzeitung ist auch da‘“. BJV-Vorsitzender Michael Busch entschuldigte sich via Facebook sofort für dieses Verhalten.

Weitere Bericht und Links finden Sie in unserem Beitrag "Frank Überall ist neuer DJV-Vorsitzender".

Alois Knoller

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