"Lokales Fernsehen ist noch stark defizitär", bemängelte Harald Stocker, links von ihm Medienministerin Ilse Aigner
Foto: Maria Goblirsch

Fachgruppe Rundfunk

Erst das Geld, dann der Journalismus

Regierung und BLM wollen mehr Kooperationen im lokalen Rundfunk

München, 17.02.2016

Einig war man sich in wichtigen Punkten bei der Diskussionsrunde der BJV-Fachgruppe Rundfunk zum 30-jährigen Bestehen des lokalen Rundfunks in Bayern. Alle auf dem Podium im Literaturhaus München freuten sich, dass es lokalen Hörfunk und Fernsehen überhaupt gibt und alle hoben die Bedeutung der lokalen Berichterstattung hervor.

Dennoch sprach man in gehobenem Ton aneinander vorbei. Betonten BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller und MdL Ulrike Gote (Grüne), dass Rundfunk etwas mit journalistischer Qualität und diese etwas mit vernünftigen Arbeitsverhältnissen und angemessener Bezahlung zu tun habe, so gaben Medienministerin Ilse Aigner und Vertreter von Anbietern zu verstehen, dass für die Zukunft der Sender die richtigen technischen Entscheidungen und mehr Einnahmen das wichtigste seien. Andere Probleme würden sich damit lösen lassen oder bestünden gar nicht.

Probleme benannte eingangs Moderator und Fachgruppenvorsitzender Harald Stocker: Es gebe zwar 80 Hörfunksender und 16 TV-Stationen mit insgesamt 2300 Mitarbeitern. Aber das lokale Fernsehen sei noch stark defizitär und beim lokalen Rundfunk insgesamt bestehe die Gefahr weiterer Konzentration, was die journalistische Qualität sinken lassen werde.

Wirtschaftlich weiterentwickeln
Neun Millionen Euro Förderung pro Jahr für diese Fernsehsender sei in Ordnung, erklärte die gelernte Radiotechnikerin Aigner. Der Lokalfunk sei eine Erfolgsgeschichte und nicht mehr wegzudenken.

Natürlich müsse die lokale Berichterstattung im Mittelpunkt stehen. Auch die Staatsregierung wolle die regionale Vielfalt stärken. Dies sei aber nur möglich, wenn die Sender sich wirtschaftlich weiterentwickeln könnten. Dafür müsse die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Deshalb habe die Regierung rund ein Viertel aller Paragraphen und Vorschriften aus den letzten 30 Jahren in diesem Bereich wieder abgeschafft.

Förderpraxis widerspricht dem Prinzip der Staatsferne
Der Lokalfunk werde vom Publikum geschätzt, hob Ulrike Gote hervor. Es sei gut, dass Bayern es sich leisten könne, ihn zu fördern. Allerdings sei die Förderpraxis der Bayerischen Landesanstalt für Medien (BLM) so angelegt, dass gerade die Großen der Branche bevorzugt würden. Es könne auch nicht angehen, dass die Fernsehsender auf Dauer subventioniert würden.

Dass diese Finanzierung direkt durch den Staat erfolge, widerspreche der geforderten Staatsferne. Zwar seien beim Lokalfunk viele Arbeitsplätze geschaffen worden, aber diese seien meist schlecht bezahlt und würden zum Teil schon wieder abgebaut, um Kosten zu sparen.

Erich Jooß, Vorsitzender des Medienrats der BLM, dem auch die anderen Diskutanten angehören, machte sich für Kooperationen der Anbieter stark, vermisste aber deren Flexibilität in diesem Punkt. Da müsse man nichts Neues erfinden, sondern solle sich an den bestehenden Strukturen orientieren. So könne man zu einer Art Austauschbörse für Sendungen kommen.

Zentrale Produktion kontra lokale Vielfalt
Das gebe es über das Portal TV Bayern schon, sagte Gote. Auch gemeinsame Radiowerbung funktioniere bei den kleinen Sendern ganz gut. Eine glatte Fehlentwicklung bei der Kooperation sei es aber, dass zu viele journalistische Beiträge zentral produziert würden, etwa Beiträge für das Bayreuther Lokalradio in Bamberg.

Es schade der Vielfalt, wenn immer größere Verbünde entstünden. Andererseits könnten diese nie so groß werden wie Google oder Facebook, die den Werbemarkt abgriffen. Hier müsse der Staat regulierend eingreifen, wie das im konventionellen Bereich ja auch geschehe. BLM und Medienrat sollten für die Lokalsender Geschäftsmodelle entwickeln.

Qualität mit billigeren Mitarbeitern?
Durch Kooperationen drohe der lokale Bezug teilweise verloren zu gehen, gab Jutta Müller zu bedenken. Alle Studien zeigten aber, dass die qualitätsvolle Aufbereitung lokaler Nachrichten die Quoten brächten. Ohne Qualität würden sich die Privatsender aber nicht halten können, bei aller Förderung. In diesem Zusammenhang müsse man aber auch darüber reden, dass bei diesen Sendern die Gehälter im Durchschnitt nicht einmal halb so hoch seien wie die beim Bayerischen Rundfunk.

Es sei eine Tatsache, dass die meisten journalistisch Beschäftigten im Privatfunk zwischen 18 und 25 Jahren alt seien. Junge seien eben billig. Praktikanten und Volontäre müssten Redakteursarbeit erledigen. Müller betonte: „Ein Ausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis.“ Umso wichtiger sei es, dass alle Sender die jungen Leute in die Ausbildungskurse der BLM schickten.

Mängel bei der Ausbildung
Die BLM wisse schon, in welchen Häusern es in Sachen Ausbildung hake, versicherte Jooß. Eine Verpflichtung zur Entsendung des journalistischen Nachwuchses lehnte er ab. Man versuche allerdings, auf die entsprechenden Sender einzuwirken. Ebenso beobachte der Programmausschuss seiner Anstalt auch das Angebot des Lokalfunks. Auch hier werde, wenn nötig, Klartext gesprochen und „mancher Anbieter geht danach mit gesenktem Kopf nach Hause“.

Auch Kritik an der Anbieterstruktur wollte Jooß nicht gelten lassen. Es gebe die drei Großen Oschmann, Gong und die Zeitungsverleger, aber man müsse dankbar für jeden Anbieter sein. Leider würden nicht alle begreifen, dass sie in einer Wettbewerbssituation seien. „Die inhaltliche Debatte kommt zu kurz“, stellte Jooß fest. Man müsse überlegen, wie man journalistische Formate gemeinsam nutzen könne, denn nur bei guter journalistischen Angeboten würden sich die Sender auf Dauer halten können.

BR lässt sich Geld zuweisen“
In der Publikumsdiskussion meinte als Vertreter der Vereinigung bayerischer Rundfunkanbieter, Felix Kovac, es gebe einen Verdrängungswettbewerb durch den Bayerischen Rundfunk, deshalb müsse dessen Werbezeit beschränkt werden. Ausdrücklich kritisierte er, dass man die jungen Leute im Lokalrundfunk für journalistisch schlecht halte, was aber zuvor niemand behauptet hatte.

Seitens des Ingolstädter Senders intv wurde betont, die jungen Leute ließen sich nicht missbrauchen. Seitens des Burda-Verlags wurde indirekt das öffentlich-rechtliche System kritisiert. Wörtlich: „Der Bayerische Rundfunk lässt sich Geld zuwiesen. Wir brauchen eine Förderung.“

Eine kurze Debatte entspann sich um die geplante Änderung des Mediengesetzes. Ulrike Gote monierte, dass am vorbereitenden Runden Tisch weder die Opposition, noch die Arbeitnehmer und erst spät der BJV vertreten gewesen seien. Ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums meinte, man sei gezielt auf die Medienwirtschaft zugegangen, weil aus deren Reihen Kritik am Gesetz in bisheriger Form gekommen sei. Da der Gesetzentwurf sowieso ins Parlament komme, habe nicht jeder von vornherein dabei sein müssen.

Kontrolle kaum noch möglich
Der Entwurf berücksichtige vor allem die Interessen der Großen im Lokalrundfunk, behauptete Ulrike Gote und Jutta Müller kritisierte, dass die BLM weniger Genehmigungen erteilen müsse und Anrecht auf weniger Informationen seitens der Sender habe.

Auch Erich Jooß machte klar, dass er Bedenken zu dem Gesetzentwurf der Regierung habe. Er respektiere, dass der Medienrat künftig mehr Verantwortung haben wird. Aber er befürchte mehr Rechtsstreitigkeiten und „wie sollen wir künftig kontrollieren, ob die Voraussetzungen, unter den die Förderung beschlossen wurde, von den Sendern auch eingehalten werden?“  

Michael Anger

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