Bildübertragung via Android-Handy in wenigen Sekunden
Foto: Angelika Knop

Fachgruppe Online

Keine Angst vor dem Scheitern

Das Start-up storytile bietet eine neue Lösung für Live-Nachrichten

München, 24.07.2015

„Kennen Sie eines der größten Probleme der Nachrichtenbranche im Netz?“, fragt einer der beiden storytile-Gründer in die Runde. Keiner der sechs anwesenden JournalistInnen mag antworten. In allen Köpfen kursieren vermutlich gerade Eurozeichen – fehlende Monetarisierung des Journalismus.

KollegInnen der Fachgruppe Online sind zu Gast beim Start-up storytile, welches seit knapp zwei Jahren in Büroräumen der Münchner Hochschule arbeitet. Hier haben Paul Knecht und Oliver Seidl Fotodesign studiert und als Bachelorarbeit 2012 gemeinsam eine beeindruckende Fotoreportage über den Südsudan in Buchform veröffentlicht („Back to South Sudan“) – nach zweimonatiger Recherche in dem 2011 gegründeten afrikanischen Staat. Gerne hätten sie weiter als Fotojournalisten gearbeitet – doch der Markt gab das einfach nicht her.

Was tun? 2013 gründeten Knecht und Seidl mit Mitteln der Gründungsförderung der Hochschule München eine Agentur. „storytile spezialisiert sich als erste deutsche Agentur auf die Bereitstellung von multimedialen Live-Nachrichten“, beschrieben die Gründer damals ihr Unternehmen.

Willkommen im WWW der 1990-er
Gut, dass mit dem größten Problem der Nachrichtenbranche sei natürlich nur ein Spaß, lösen sie ihre Eingangsfrage auf, aber „als großes Problem betrachten wir es, dass Nachrichten im Netz nicht so aussehen, wie sie aussehen sollen“, erklärt Paul Knecht. Als Negativbeispiel zeigt er den Live-Ticker zum ESC 2015 eines sehr erfolgreichen deutschen Nachrichtenangebots. Man braucht kein Ästhet zu sein, um zu sagen dass die Seite nicht unbedingt zum Verweilen einlädt: Viel Text, kaum Bilder – Erinnerungen an die Anfangsjahre des WWW in den 1990-ern werden wach.

Schneller, schöner und bequemer
storytile hat eine Liveblog-Lösung in Form einer App entwickelt: „Wir wollen schneller, authentischer und moderner im Design sein“, sagt Oliver Seidl. Wie das aussehen kann präsentieren sie an Beispielen wie einem Berlinale-Live-Blog und einem Live-Blog zum 1. Mai in Berlin. Schneller können vor allem auch fotografierende Journalisten sein: Mit einer speziellen App und einem Android-Handy können Bilder in wenigen Sekunden auf storytile publiziert werden.

Auch nutzergenerierte Inhalte wie etwa Tweets oder Youtube-Videos können in die Geschichte leicht eingebaut werden. Ein besonderer Vorteil ihres Systems sei es, dass man beim Kuratieren als Journalist die Inhalte besser gewichten könne, erläutert Knecht. Bei den Rezipienten kommt diese Form der Live-Aufbereitung offenbar gut an: Knecht berichtet von einer „sensationellen Aufenthaltsdauer“ bei der Dokumentation einer Wissenschaftskonferenz.

Noch sei man in der Betaphase, doch jeder Journalist, jedes Unternehmen könne das Angebot jetzt schon testen. Wie nutzerfreundlich das System zu bedienen ist, konnten die TeilnehmerInnen während des dreistündigen Werkstattbesuchs selbst ausprobieren.

Geld ist nicht das Problem
Die beiden Gründer, die mit drei weiteren Mitarbeitern arbeiten, sind bereits mit mehreren Medienhäusern im Gespräch. Bei einigen Portalen wurde Storytile bereits erfolgreich eingesetzt. „Geld ist nicht unbedingt das Problem“, resümiert Knecht. Bei potenziellen Nutzern aus dem Medienbereich fehle indes häufig die Innovationsbereitschaft und die Offenheit für das Produkt eines Start-ups. „Man hat oft das Gefühl, dass man nur stört, wenn man dort anruft. Freilich sind auch viele Mitarbeitern in Verlagen völlig überlastet und haben Angst vor dem Scheitern.“

Angst vor dem Scheitern haben Knecht und Seidl nicht. Sie hoffen, in zwei bis drei Jahren von ihrem Projekt leben zu können. Im Herbst müssen sie neue Büroräume finden, außerdem suchen sie für Vertrieb und Grafikdesign neue MitarbeiterInnen. Für BildjournalistInnen arbeiten die beiden leidenschaftlichen Fotografen zudem an einer Lösung zur besseren und schnelleren Vermarktung von Eventbildern via storytile.

Weitere Informationen zu storytile und zu Start-ups lesen Sie im BJVreport 4/2015, der Mitte August erscheint.

Thomas Mrazek

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