Kämpferische Rede von Philippe Leruth
Foto: Stefan Gregor

BJV-Mitgliederversammlung 2018

„Keine Information ist das Leben eines Journalisten wert!“

IJF-Präsident Philippe Leruth kritisiert bei der BJV-Mitgliederversammlung die fehlende Aufklärung

München, Würzburg, 27.03.2018

„Selbstverständlich nimmt die Selbstzensur nach so dramatischen Ereignissen wie den Morden an Ján Kuciak in der Slowakei oder Daphne Caruana Galizia auf Malta zu. Nicht zufällig werden Topjournalistinnen und -Journalisten getötet. Die Mörder und ihre Drahtzieher wissen, dass der investigative Journalismus dadurch abnehmen wird. Denn keine Information ist das Leben eines Journalisten wert“, sagte Philippe Leruth, Präsident des Weltjournalistenverbandes IJF, beim Bayerischen Journalistentag 2018 in Würzburg.

Aus Anlass der BJV-Mitgliederversammlung war der belgische Journalist am Samstag in das Würzburger Congress Centrum gekommen, um über Attacken auf Journalisten und die Einschränkungen der Pressefreiheit in Europa zu berichten.

Feindselige Haltung der Politik gegenüber Journalisten
Man sollte nicht so weit gehen, den Politikern in der Slowakei und in Malta vorzuwerfen sie seien verantwortlich für die Morde an Ján Kuciak und Daphne Caruana Galizia. Aber ihre Haltung gegen diese investigativen Journalisten sei so feindlich gewesen, dass dies negative Folgen habe musste, kritisierte der IJF-Präsident. Die Regierungen hätten vermittelt, dass die Rolle einer freien Presse für die Demokratie für die Gesellschaft nicht mehr so wesentlich sei.

An Beispielen aus Montenegro, Kroatien und Serbien schilderte Leruth, wie Journalisten bedroht würden und sich in den europäischen Ländern immer mehr Feindlichkeit und ein Klima des Hasses gegenüber der Presse entwickelten.

EU-Beitrittskandidaten müssen für Pressefreiheit eintreten
„Vor einigen Jahre hätten wir solche Drohungen vielleicht nicht so ernst genommen. Nach den Morden an Ján Kuciak und Daphne Caruana Galizia wissen wir, dass wir sie ernst nehmen müssen“, stellte er klar. In den Mitgliedsstaaten der EU und bei den Beitrittskandidaten müsse ganz klar sein, dass sie die Pressefreiheit nicht nur respektieren, sondern auch aktiv schützen müssten.

Viele Kolleginnen und Kollegen in diesen Ländern resignierten angesichts solcher Zustände. Anders die slowakischen Journalisten, die nach den Morden an Ján Kuciak und seiner Freundin unter dem Motto „Sie bringen uns nicht zum Schweigen!“ demonstriert hätten. „Sie verdienen unsere Unterstützung und die des Weltjournalisten-Verbandes“, betonte Leruth.

Aktuell sind 151 Journalisten in der Türkei in Haft
Der IJF-Präsident kritisierte bei der BJV-Mitgliederversammlung die Kriminalisierung von Journalisten in der Türkei scharf. Schon 2010, als die EJF ihren Kongress in Istanbul abhielt, seien Journalistinnen und Journalisten verhaftet und wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Bewegung angeklagt worden. Daran habe sich seither nichts geändert, die Zustände seien weit schlimmer geworden, aktuell seien 151 Journalisten inhaftiert.

Die IJF sende Prozessbeobachter in die Türkei, informiere laufend die Monitoring-Plattform des Europäischen Rates.

Resolution an die Vereinten Nationen
Inzwischen sei zudem eine Resolution verabschiedet worden, die nun vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen gebracht werden solle. Darin werde gefordert, dass alle UN-Mitgliedsstaaten einmal jährlich in einen Bericht belegen müssen, wie sie die fehlende Aufklärung und Bestrafung von Journalistenmorden bekämpfen.

Außerdem werde eine Spezialisierung von Staatsanwälten und Richtern auf Radikalismus verlangt, Journalistenmorde sollten nicht länger als Privatangelegenheit, sondern als Anschlag auf die Pressefreiheit behandelt werden.

„Es ist nicht einfach. Wenn wir unser Zeil erreichen wollen, brauchen wir die Unterstützung aller Kolleginnen und Kollegen in den IJF-Mitgliedsstatten“, betonte Philippe Leruth. Diese Arbeit sei sehr zeitaufwändig, ein Erfolg nicht garantiert. Sie koste viel Energie und Geld.

Doch: Wenn die Journalisten in den einzelnen Ländern nicht selbst für ihre Rechte einstünden, dann könne auch die IJF oder die EJF nichts bewirken. „In Bayern brauche ich mich darum nicht zu sorgen. Hier ist der BJV sehr aktiv, der Kampf für gute Arbeitsbedingungen und die Pressefreiheit hat eine lange Tradition. Dazu gratuliere ich Ihnen allen“, sagte Leruth.

Der BJV hat bei seiner Mitgliederversammlung einen Antrag beschlossen, in dem er die Beitrittskandidaten zur Einhaltung der Grundrechte und Werte wie der Pressefreiheit auffordert: „Wer Teil der europäischen Familie sein will, muss die Rolle einer freien Presse für die Demokratie akzeptieren und fördern. In Solidarität mit den dortigen Kolleginnen und Kollegen muss sichergestellt werden, dass nur Staaten neue EU-Mitgliedsländer werden können, die diese Voraussetzungen erfüllen. Die EU-Kommission muss deshalb stärker als bisher diesen Aspekt beim Beitrittsprozess berücksichtigen.“ (Volltext siehe Anträge zum Bayerischen Journalistentag, S. 8).

Maria Goblirsch

Schlagworte:

#BJV18 | Pressefreiheit

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