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Lernten mit rund 20 weiteren KollegInnen von der Nachbarin Judith Reitstätter: DJV-Hauptgeschäftsführer Kajo Döhring (links) und BJV-Vorsitzender Michael Busch
Foto: 
Udo Dreier

Fachgruppe Europa

Lernen vom Nachbarn: Österreich

Gewerkschaft erkämpft tarifliche Anerkennung von Onlinern als Journalisten

Nürnberg, 02.10.2013

Davon können die deutschen Onliner bisher nur träumen: In Österreich gilt der Kollektivvertrag für Tageszeitungs-Journalisten seit dem 1. Juli 2013 auch für die Kollegen, die in den Online-Redaktionen arbeiten – und das mit unbegrenzter Laufzeit. Doch wie gelang es, die Verleger zu einem Schritt zu bewegen, den hierzulande kein Verlag gehen will? Von Strategien und Taktiken in der österreichischen Tarifauseinandersetzung berichtete Judith Reitstätter, Referentin der ÖGB-Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), bei einer Veranstaltung am 25. September 2013 in Nürnberg.

Onliner und Pauschalisten erstmals im Tarif
Die Fachgruppe Europa, der Bezirksverband Franken-Nordbayern und weitere BJV-Gremien hatten dazu eingeladen, von den Erfahrungen der Nachbarn im Tarifkampf zu lernen – der erste Blick über den Zaun richtete sich nach Österreich. In ihrem sehr informativen und launigen Referat berichtete Judith Reitstätter von der österreichischen Gewerkschaftsarbeit und überraschte die Zuhörer mit Zahlen und Fakten: Rund 7000 Journalisten arbeiten in Österreich, von denen 1300 nun unter den neuen Kollektivvertrag fallen. Darunter sind auch 200 Onliner und 100 Freie als Pauschalisten, die damit erstmals unter tariflichen Bedingungen angestellt wurden – was der Gewerkschaft viele neue Mitglieder aus diesen Bereichen bescherte.

Das durchschnittliche Gehalt eines Redakteurs liegt bei 3000 bis 4000 Euro brutto im Monat, Freie verdienen im Schnitt zwischen 2000 und 2500 Euro. Tageszeitungen und Blätter wie die Kronenzeitung kommen in den Genuss von Subventionen nach dem Österreichischen Presseförderungsgesetz und legen dazu ihre Geschäftszahlen offen – was in Deutschland wegen des Tendenzschutzes undenkbar wäre.

Online-Journalisten im Tarif für IT, PR und Werbung!
Der für die Onliner erfreulichen Einbindung in den Kollektivvertrag gingen Monate harter Auseinandersetzungen voraus. Die Verleger hatten den alten Tarifvertrag 2012 aufgekündigt, die Gewerkschaften waren mit dem Ziel in die Verhandlungen gegangen, den Geltungsbereich eines neuen Kollektivvertrags auf möglichst viele Journalisten auszudehnen – auch auf solche, die wie Layouter oder Onliner bisher dem deutlich schlechter bezahlten Tarif für IT-Angestellte, PR-Agenturen oder Werbeagenturen unterlagen.

Bis zu 1000 Journalisten gingen im vergangenen Jahr auf die Straße, um gegen die „Spielchen der Verleger zu protestieren“, berichtete Judith Reitstätter. Dabei bedienen sich die österreichischen Kolleginnen und Kollegen eines rechtlichen Tricks: Sie rufen nicht zum Warnstreik auf, sondern laden in den einzelnen Häusern zu einer „Betriebsversammlung im öffentlichen Raum“ ein, die einzelnen Delegationen treffen sich dann an einem vereinbarten „Reiseziel“.

Die Referentin machte auch deutlich, dass der gelungene Abschluss nicht ohne finanzielle Opfer möglich gewesen wäre. So bleiben die Gehälter der Redakteure wegen des Bestandsschutzes auf gleichem Niveau. „Bei den Neuverträgen sind wir beim Einstiegsgehalt von 3000 auf 2.035 Euro runter gegangen, um den Kollektivvertrag zu bekommen“, betonte Judith Reitstätter. Außerdem sei man von 15 auf 14 Gehälter im Jahr zurückgegangen, um die Einbeziehung der Online-Kollegen zu schaffen. Bei Altverträgen wird allerdings das bisherige 15. Monatsgehalt vorerst auf 14 Gehälter umgerechnet.

Dabei bediente sich die Gewerkschaft auch so mancher Tricks, wie Judith Reitstätter verriet. Man habe die Verleger, die einmal nachts oder ein anderes Mal über mehrere Tage verhandeln wollten, durch die eigene physische Überlegenheit in die Knie gezwungen. „Die konnten dann irgendwann nicht mehr, während wir noch ganz fit waren“.

An das Referat schloss sich eine lebhafte Diskussion an. Die Veranstaltungsreihe der Fachgruppe Europa „Von Nachbarn lernen“ wird in einigen Wochen fortgesetzt. Die Tarifverhandlungen bei den Tageszeitungen, bei denen es auch um die Forderung eines Einstiegs der Onliner in den Tarif geht, gehen am 9. Oktober in die dritte Runde.

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