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Beschluss zur Durchsuchung der Geschäftsräume mit Nebenräumen, Auszug von der Website der Augsburger Allgemeinen
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Screenshot www.augsburger-allgemeine.de

Presse- und Meinungsfreiheit

Polizeiaktion bei Augsburger Allgemeine: „Überzogen und unverhältnismäßig“

Die Polizei fordert von der Redaktion Herausgabe von Nutzerdaten aus dem Online-Forum

München, Augsburg, 29.01.2013

Am Montagnachmittag, 28. Januar 2013, präsentierte ein Polizeibeamter der Online-Redaktion der Augsburger Allgemeinen einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Augsburg. Die Ermittler wollten den Klarnamen eines Nutzers des Online-Forums der Zeitung. Auslöser für diese Aktion war eine Strafanzeige des Augsburger Ordnungsreferenten Volker Ullrich (CSU).

Sorgfältiger Umgang mit Nutzerbeiträgen
In einem Leserkommentar hatte ein Nutzer Ullrich „Rechtsbeugung“ vorgeworfen. „Der CSU-Politiker hatte sich von einem Kommentar des Forennutzers im Herbst 2012 beleidigt gefühlt und von der Redaktion die Herausgabe der Klardaten des Lesers gefordert – er wolle gegen diesen zivilrechtlich vorgehen“, schreibt die Zeitung auf ihrer Website. Die Redaktion von augsburger-allgemeine.de lehnte diese Forderung „aus grundsätzlichen Erwägungen“ heraus ab. Zwar löschte die Redaktion die entsprechenden Passagen über den Lokalpolitiker im Forum; die Daten des betroffenen Nutzers gab sie jedoch nicht heraus.

„Um gegen den Autoren dieser Äußerungen Unterlassungsansprüche geltend machen zu können, solle die Redaktion mitteilen, wer genau hinter dem Pseudonym steckt“, schreibt die Augsburger Allgemeine. „Aufgrund des Beschlusses haben wir die Daten aber herausgegeben, ohne dass noch von Polizisten in unseren Räumen herumgesucht werden musste“, erklärt Online-Leiter Sascha Borowski auf seinem privaten Facebook-Account. Auf ihrer Website erklärt die Redaktion ausführlich, wie sorgfältig sie mit Leserkommentaren umgeht. Die Augsburger Allgemeine prüft, ob sie gegen die Aktion Beschwerde einlegen wird.

Strafantrag zurückgezogen
Am Montagabend gegen 23 Uhr meldete sich dann Volker Ullrich selbst zu Wort (siehe auch Erklärung auf seiner privaten Facebook-Seite), berichtet das Online-Portal: „Der CSU-Politiker kündigte an, den Strafantrag gegen den Foren-Nutzer zurückzuziehen, ‚wenn der User sich bei mir entschuldigt‘. Er legte zugleich Wert auf die Feststellung, ‚dass nicht der Ordnungsreferent, sondern ein unabhängiges Gericht die Beschlagnahme von Userdaten angeordnet hat. Dem lag eine Beleidigung meiner Person durch einen Nutzer im AZ-Forum zugrunde, welcher mich der Rechtsbeugung bezichtigte. Das ist und bleibt ehrverletzend'“.

BJV sieht Pressefreiheit und Informantenschutz gefährdet
Der BJV hält die Polizei-Aktion in der Online-Redaktion der Augsburger Allgemeinen für völlig überzogen und unverhältnismäßig. „Redaktionsdurchsuchungen und Beschlagnahme-Aktionen sind ein untaugliches Mittel, um in gerichtlichen Auseinandersetzungen Meinungsäußerungen von Lesern oder Internet-Nutzern strafrechtlich verwerten zu können. Sie dienen nur dazu, die Pressefreiheit und den Informantenschutz zu unterhöhlen“, sagt der BJV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Stöckel.

„Da die Redaktion die presserechtliche Verantwortung für die User-Kommentare wahrgenommen hat, ist die Durchsuchungsanordnung durch die Staatsanwaltschaft in der Verfolgung einer Beleidigungsklage nicht nachzuvollziehen. Es ist nicht mehr als recht und billig, dass der Augsburger Ordnungsreferent mittlerweile den Rückzug antritt und nur noch auf einer Entschuldigung besteht“, erklärt Stöckel.

In einer ersten Einschätzung der Rechtslage äußerte BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller auf Süddeutsche.de Zweifel daran, ob die Äußerung des Nutzers im Forum überhaupt eine Ehrverletzung darstelle oder nur eine reine Meinungsäußerung. Das Gericht habe die Angelegenheit offensichtlich für strafrechtlich relevant gehalten, nur so sei der Durchsuchungsbeschluss zu erklären. Die BJV-Geschäftsführerin betont, dass eine Durchsuchung von Redaktionsräumen einen ganz erheblichen Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit darstelle. Deshalb sei es auch so wichtig, immer auch zu fragen, ob noch die Verhältnismäßigkeit gegeben sei.

Thomas Mrazek

Aktualisierung 01.02.2013, 17.30 Uhr
Die Augsburger Allgemeine teilt mit: "Der Verlag der Augsburger Allgemeinen kündigte am Freitag an, tatsächlich Beschwerde gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Augsburg einzulegen. Damit muss nun das Landgericht den Fall überprüfen."

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