Zuversicht auszustrahlen bemühten sich alle Diskutanten. Von links: Stephan Sohr, Heiko Linder, Gerald Kappler, Moderator Michael Busch und Michael Husarek
Foto: Udo Dreier

Bezirksverband Franken-Nordbayern

Ran an die Nutzer

Nürnberger Medien: Alle wollen sich ändern

Nürnberg, 27.10.2014

Der Medienmarkt Nürnberg in zehn Jahren ? Es gibt noch gedruckte Zeitungen, auch lokalen Rundfunk und fränkisches Fernsehen. Aber alle haben sich inhaltlich weiter verändert und spielen digital auf allen Hochzeiten. Dies jedenfalls war der Tenor bei einer Diskussionsrunde des Bezirksverbandes Franken-Nordbayern mit verantwortlichen Redakteuren im Nürnberger PresseClub.

Die AZ der Noris gibt es nicht mehr und die Onliner der beiden Tageszeitungen sollen in eine gemeinsame Gesellschaft übernommen werden, außerhalb des Flächentarifs. Letzteres der „Sündenfall“ des bisher absolut tariftreuen Unternehmens. Kein Wunder, dass ungewöhnlich viele KollegInnen den Weg in den PresseClub gefunden hatten. Unter ihnen auch etliche „ganz normale Leser“, wie der Moderator, BJV-Vorsitzender Michael Busch, feststellte. Ob Journalisten heutzutage denn überhaupt klar sei, wo der Leser oder Zuhörer stehe und ob der Job angesichts der unterschiedlichen Meinungen darüber überhaupt noch Spaß machen könne, wollte er von den Protagonisten wissen.

Journalistische Qualität so hoch wie nie
Natürlich mache es das, man müsse sich halt auch mit anderen Plattformen zur Verbreitung seiner Inhalte befassen, betonte Michael Husarek, stellvertretender Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten. Er bemühte sich um einen sachlich-positiven Grundton, der sich in der Tat angenehm durch den ganzen Abend zog. Auch Print habe gute Chancen, es dürfe sich nur nicht so schlecht verkaufen. Überhaupt, auch als Reaktion auf die vielen digitalen Angebote, sei die Qualität im Journalismus womöglich noch nie so hoch gewesen wie jetzt.   

„Ja zu crossmedial“ sagte auch Stephan Sohr, bei der Schwester Nürnberger Zeitung in gleicher Funktion. Allerdings sollten sowohl Medium wie Mitarbeiter ihre besonderen Stärken bedenken und perfektionieren. Er gab sich aber auch kulturpessimistisch: „Ein Gutteil zumindest der städtischen Gesellschaft hat sich aus dem öffentlichen Leben verabschiedet.“ Das dürfe aber nicht zu Häppchen-Journalismus führen. Natürlich müssten Journalisten eine Auswahl treffen. Dies aber als Angebot, nicht oberlehrerhaft. Dennoch machte Sohr sein Grundverständnis ganz deutlich: „Die Mitgestaltung der Gesellschaft muss unser Anspruch bleiben.“

60 Prozent wollen Unterhaltung
Das sahen die Kollegen doch ziemlich anders. 60 Prozent der Hörer wollten Unterhaltung, zitierte Gerald Kappler, im Funkhaus Nürnberg Programmkoordinator bei Radio Charivari, Untersuchungen. Natürlich erwarteten sie dazwischen auch fundierte Nachrichten und die biete man, mit dem Schwerpunkt Lokales. Aber „das Problem ist doch nicht die journalistische Qualität, sondern die Tatsache, dass immer mehr Medien gleichzeitig genutzt werden und damit die Verweildauer sinkt“. Die Konsumenten konzentrierten sich nicht mehr so lange und deshalb sollten die Anbieter ihre Inhalte so attraktiv wie möglich gestalten.

„Wir müssen an die Nutzer ran, um relevant zu bleiben“, lautet die Erkenntnis daraus für Heiko Linder, Studioleiter vom Franken Fernsehen. Unterhaltung bedeute nicht Sinken der Qualität. Journalistische Kompetenz sei nach wie vor gefragt: „Sauber recherchiert muss die Information beim Publikum ankommen. Wir müssen eigene Geschichten erzählen und wir müssen sie anders erzählen.“ Auch andere Kanäle seien zu bedienen. Ein Fernsehsender mit klassischem Programm komme nicht umhin, im Internet Videos anzubieten. Eine Botschaft an die Kollegen hatte der TV-Mann auch: „Zeitung identifiziert sich nicht über Papier, sondern über Inhalte. Analog ist Geschichte, in 30 Jahren gibt es keine gedruckte Zeitung mehr.“

Zeitungen sind eine Macht
Dem widersprach Stephan Sohr und pochte auf Selbstbewusstsein der Zeitungsleute: „Die Nürnberger Tageszeitungen haben im Verbreitungsgebiet 300.000 Abonnenten, wir erreichen die Hälfte der Einwohnerschaft, wir gewinnen Tausende neuer Leser – gedruckte Medien verkaufen sich. NN und NZ sind hier eine Macht.“ Michael Husarek wies darauf hin, dass man auf Qualität auch im Netz setze und gerade ein lokales Produkte entwickle, das in Kürze auf den Markt kommen solle.

Die Zeitung werde bleiben, eventuell teurer und vielleicht dadurch ein bisschen elitärer. Um die Zukunft zu sichern, müsse man sich fragen: Wie kann ich Inhalte auch anders als auf Papier gegen Geld transportieren?Favorit ist natürlich die Paywall, die vielen Kollegen zu wenig genutzt wird. Gerald Kappler: „Und wieder verpennt es die ganze Republik, für Qualität und Inhalte Geld zu verlangen

Michael Husarek glaubt, „wenn die Inhalte unterhaltsam, relevant und journalistisch korrekt sind, bezahlen die Leute auch dafür“. Stephan Sohr gab zu bedenken, dass eine Paywall zwar Einnahmen bringe, aber die Reichweite gefährde, von der jedoch die Anzeigenerlöse abhingen. Einig war sich das Podium, dass die Verlage eigene entsprechende Portale erstellen sollten, statt Anzeigenkunden an das Internet zu verlieren.

Information bleibt Kerngeschäft
Zur journalistischen Zukunft wies aus dem Publikum Klaus Tscharnke von der Deutschen Presse-Agentur darauf hin, dass dpa schon viel schneller und „magaziniger“ geworden sei, um die Kunden im Wettbewerb zu unterstützen. Und das bei gleicher Personalstärke.

Der frühere BJV-Chef Wolfgang Stöckel gab zu bedenken, dass Wissensvermittlung nicht missionarisch erfolgen dürfe, man werde sie wohl mehr in Unterhaltung verpacken müssen. Gerald Kappler erzählte, man versuche in die Nachrichtensendungen Hörspielcharakter einfließen zu lassen. Ein „ganz normaler“ Zuhörer versuchte, die Diskussion zusammenzufassen, indem er den JournalistInnen ins Stammbuch schrieb: „Ihr Kerngeschäft ist die Information, egal in welchem Medium.“                    

Michael Anger

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