Michael Busch im Gespräch mit Ulrike Gote: Unterscheidung zwischen technischen, wirtschaftlichen und journalistischen Kooperationen ist notwendig
Foto: Ludwig Olah

Fachgruppe Rundfunk

Umfassende Ausbildung ist Zufall

Viele Lokalradios nutzen Kompaktkurse der Landesmedienanstalt nicht

Nürnberg, 02.07.2015

Nicht einmal die Hälfte der Auszubildenden und Volontäre beim Privaten Rundfunk im Freistaat absolviert einen der von der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) angebotenen Kurse als überbetriebliche Ausbildung. Das wird sich nicht ändern, weil die Sender fast völlig mit ihren Problemen mit Reichweiten und Ausspielkanälen beschäftigt sind.  

Diese Erkenntnis wurde bei zwei Panels der Lokalrundfunktage in Nürnberg vermittelt, die sich mit Journalismus befassten. Ob guter Journalismus überhaupt noch gefragt sei – darüber zu diskutieren hatte die Arbeitsgruppe Medienpolitik der SPD-Landtagsfraktion eingeladen. Kerstin Prange, bei der BLM zuständig für Ausbildung der Nachwuchskräfte der Privatradios, gab auf Nachfrage zu, dass nur rund 80 von 180 gemeldeten Auszubildenden und Volontären die Kurse der Landeszentrale besuchten.

Ausbildungskonzepte versendet
Es würden berufsbegleitende Kompaktkurse, aber auch spezielle Seminare „nach Bedarf“ angeboten, erläuterte Prange und meinte: „Wir wollen und können niemanden zwingen, diese Kurse zu besuchen.“

Der Verband Bayerischer Lokalrundfunk (VBL) habe Anfang des Jahres für Hörfunk und Lokal-TV jeweils ein Ausbildungskonzept erarbeitet und dieses den Mitgliedern zugeleitet. Ob diese Konzepte bei den Stationen zum Bestandteil des Ausbildungsvertrages mit den Volontären gemacht werden, entziehe sich bisher der Kenntnis der BLM.

Einen klaren Kurs hingegen forderte Harald Stocker, Vorsitzender der Fachgruppe Rundfunk des BJV: „Wer einen Ausbildungsvertrag unterschreibt, muss sich darauf verlassen können, dass er auch ausgebildet wird.“ Dazu gehöre neben der Praxis auch die Theorie. Alle Volontäre benötigten eine ähnlich gute Ausbildung, die ihnen auch Einblick in andere Medien verschaffe. Auch ihre Betreuer sollten sich weiter qualifizieren.

Vor einigen Monaten hatte ein Vertreter des Verbands Bayerischer Lokalradios bei einer Anhörung der Landtags-SPD zur möglichen finanziellen Förderung des Qualitätsjournalismus erklärt, dies sollte vor allem der Ausbildung der Privatradios zu Gute kommen, weil die Sender selbst das nicht leisten könnten. In Nürnberg schimpfte ein Diskutant über Volontäre: „Wir müssen denen doch erstmal Allgemeinbildung beibringen.“

Harter Konkurrenzkampf und der Zwang, rasch mehrere Verbreitungswege zu bedienen, verleite manchen Journalisten dazu, reißerisch und oberflächlich zu berichten, bedauerte MdL Martina Fehlner (SPD), Journalistin und Mitglied des Medienrats der BLM. Die Politik stehe in der Verantwortung, auf die richtigen Rahmenbedingungen zu achten, damit sich angesichts von Entlassungen und schlechten Honoraren die Ausbildung zum Journalisten noch lohne.

Junge Hörer wollen Lokales
Dass der Bedarf vorhanden sei legte in seinem ausgesprochen ausführlichen Eingangsstatement der frühere Vorsitzende des DJV Baden-Württemberg, Karl Geibel, anhand mehrerer Langzeit-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest dar. Diese JIM-Untersuchungen (Jugend, Information, Multimedia) belegten eindeutig, dass die jungen Menschen dieselben Ansprüche stellten wie die Generationen zuvor. Auch die 12- bis 19-Jährigen forderten, dass die Medien kompetent, ausgewogen und frei von Einflüssen Informationen transportierten. 80 Prozent der jungen Menschen legten besonderen Wert auf guten Lokaljournalismus. Geibel wies auch auf vielerlei Kritik an der Berichterstattung hin und schlussfolgerte: „Guter Journalismus wird mehr denn je vermisst. Also werden Medien durch guten Journalismus attraktiv.“

Die Vertiefung der SPD-Diskussion hätte das Panel der Landtags-Grünen sein können, in dem unter dem Titel „Lokalisierte Vielfalt“ das journalistische Risiko gegen die wirtschaftlichen Vorteile von Kooperation und gemeinsamen Strukturen der Privatradios abgewogen werden sollten. Die Diskussion drehte sich aber fast ausschließlich um Reichweiten und Ausspielkanäle.

Auch Private haben öffentlichen Auftrag
BJV-Vorsitzender Michael Busch hielt sich an die Vorgabe und schrieb den Senderbetreibern ins Stammbuch: Zwar sei Wirtschaftlichkeit wichtig für den Erhalt der journalistischen Arbeitsplätze, aber die Kooperationen bei den Tageszeitungen zeigten, dass der Leserschwund anhält, weil gerade durch die Kooperationen meistens der Anteil des Lokalen verringert werde. Ob die Privaten über UKW oder DAB senden, auch sie haben den journalistischen Auftrag aus Artikel 5 des Grundgesetzes zu erfüllen, welcher zu Qualitätsjournalismus verpflichte.

Den Zwang, in Betriebsgesellschaften zusammenzuarbeiten, bedauerte Gerhard Prokscha, Geschäftsführer von extra radio in Hof, einem der wenigen Sender, die von größeren Verbünden unabhängig sind. Jeder Sender müsse alle zur Verfügung stehenden Techniken nutzen, um keine Hörer zu verlieren. Es sei aber völlig ungewiss, ob die Kosten für die erforderlichen Investitionen wieder hereingespielt werden könnten.

Ungewiss sei die technische Entwicklung und das Hörerverhalten, klagte Philipp von Martius, Geschäftsführer der Gong-Gruppe. Er kritisierte den „Verdrängungswettbewerb“ der Öffentlich-Rechtlichen, die ihre lokale Berichterstattung ausbauten. Aufgrund der „Zwangsgebühren“ seien sie gegenüber den Privatradios im Vorteil. DAB sei schon deswegen Pflicht, weil man in absehbarer Zeit nicht mit einer Neuverteilung der UKW-Frequenzen rechnen könne. 

„Terrestrik weiterentwickeln“
Offensiv sollten sich die Sender für die Weiterentwicklung der Terrestrik einsetzen, weil dort fast alle Erlöse erzielt würden, erklärte Reiner Müller, Bereichsleiter Technik der BLM. Das Internet sei nur Komplementärtechnik, nicht Ersatz.  

Moderatorin MdL Ulrike Gote versuchte abschließend zum Thema zurück zu kehren und hob hervor, dass man deutlich unterscheiden müsse, zwischen technischen, wirtschaftlichen Kooperationen und journalistischen. Auf jeden Fall gelte es, Strukturen zu schaffen, die die Existenz selbstständiger Sender wie in Hof, aber auch von Bürgerradios, ermöglichten.  

Michael Anger

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