Starkes Wahlergebnis, große Aufgaben: Der BJV-Vorsitzende Michael Busch
Foto: Silvio Wyszengrad

BJV-Geschäftsstelle

Mitgliederversammlung 2015: Die vernehmbare Stimme der Journalisten

Der Bayerische Journalistentag in Augsburg stärkt dem Vorsitzenden Michael Busch den Rücken

München , 11.05.2015

Schwere Zeiten dulden keine bequemen Sessel. Insofern waren die hölzernen Klappsitze mit eingeschränkter Beinfreiheit im Juristen-Hörsaal der Universität Augsburg recht passende Sitzmöbel für den Bayerischen Journalistentag 2015.

Die Auflagen sinken, Tarifverträge sind immer schwerer zu verhandeln, etliche Kollegen wechseln den Beruf, weil sie keine Perspektive im Journalismus mehr sehen. „Wir müssen als Verband hart daran arbeiten, dass wir diesen Entwicklungen standhalten. Da ist so ein nüchternes Forschungsumfeld gerade recht“, begrüßte der schwäbische Bezirksvorsitzende Richard Mayr die knapp hundert Kolleginnen und Kollegen. Sie hielten es tapfer aus, diskutierten lebhaft und bestätigten mit einem überzeugenden Votum den Landesvorstand in seinen Ämtern.

Es selbst in die Hand nehmen
Der BJV-Vorsitzende Michael Busch kann mit starkem Rückenwind der Basis den Verband in den kommenden zwei Jahren weiter führen. Rund 85 Prozent sprachen dem 44-jährigen Tageszeitungsredakteur aus Erlangen ihr Vertrauen aus. Und bekräftigten damit seinen Appell an jeden einzelnen Kollegen: „Wir können nur etwas verändern, wenn wir es selbst in die Hand nehmen!“

Das ist sein Programm. Dass der Verband Gleichgesinnte verbündet. Und zur gemeinsamen Tat befähigt. Sei es in Tarifverhandlungen, in der öffentlichen Interessensvertretung oder in der Überzeugungsarbeit gegenüber jungen Kolleginnen und Kollegen im Redaktionsvolontariat, in den Journalistenschulen oder im Studium.

Kritik an der Gewerkschaftsarbeit
Die Zuschauer, die von der Tribüne herab über die Akteure unten auf dem Spielfeld nörgeln, nahm sich Michael Busch in seinem Bericht kritisch zur Brust. Anlass lieferte ihm ein frisches Kündigungsschreiben eines jüngeren Kollegen. Unzufrieden ist dieser und lamentiert: „Seit Jahren verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen, meine Gewerkschaft ist aber nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun oder zumindest die Bürger nachhaltig darauf aufmerksam zu machen.“

Ja, es sei schwer, sich den Entwicklungen in der Branche entgegen zu stemmen, meinte der BJV-Vorsitzende. Sicherlich wäre auch jeder Funktionär froh, wenn sich mit einem Fingerschnippen das Schlaraffenland öffnen ließe. „Aber das ist leider nicht der Fall“, bedauerte Busch. Also beschreitet der BJV-Vorstand die mühsameren Wege, führt Hintergrundgespräche mit Politikern, geht mit Presseerklärungen an die Öffentlichkeit, sucht den Dialog mit denen auf der anderen Seite des Schreibtisches.

So tauschten sich Polizisten aufgeschlossen mit den Journalisten darüber aus, wie die Zusammenarbeit verbessert werden könnte. Minister Söders Regierungswerbung in der TV-Sendung „Dahoam is dahoam“ führte zur peinlichen Nachfrage, wie staatsfern der Bayerische Rundfunk bitteschön sei. Die Wanderausstellungen zu Pressefoto Bayern werden nie eröffnet, ohne auf die Verdrängung des professionellen Bildjournalisten hinzuweisen. „Meine Erfahrung ist, dass tatsächlich viele die Augen verdrehen und überrascht sind, wie es bei uns abgeht“, kommentierte Busch die Wirksamkeit solcher Auftritte der journalistischen Berufsvertreter. (Das Redemanuskript von Michael Busch finden Sie hier als PDF, zwölf Seiten, 164 kb).

Tarife ohne Gewerkschaft?
Ergebnisse von Tarifverhandlungen wolle er gar nicht schönreden. „Aber wie hätte das Ergebnis ausgesehen, wenn es keinen Verband gibt?“ Ohne Flächentarif würden sich die Gehälter der Journalisten dem Mindestlohn nähern, warnte der BJV-Chef. Selbst ein Haustarif ist nur dort abzuschließen, wo die Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert sind. Michael Busch verhehlte nicht seinen Unmut, dass diverse bayerische Verlagshäuser ihre Gewinne um weitere zehn bis zwanzig Prozent steigern wollen – leider oft auf dem Rücken der Kollegen.

Drohendes Tarifeinheitsgesetz
Aber auch aus der Bundespolitik droht Schlimmstes: Das geplante Tarifeinheitsgesetz entmachtet die Spartengewerkschaften. Daran ließen weder der BJV-Vorsitzende Michael Busch noch der DJV-Vorsitzende Michael Konken in Augsburg irgendeinen Zweifel. Natürlich werde man gleich nach der Verabschiedung den Weg zum Verfassungsgericht gehen in der festen Überzeugung, dass das Gesetz der Großen Koalition gegen Grundrechte verstößt. „Aber die Klage wird drei Jahre dauern und in der Zwischenzeit wird manche Spartengewerkschaft verschwunden sein“, prognostizierte Konken.

Über eine Stunde debattierten die BJV-Mitglieder über eine von Prof. Tilman Steiner, Fachjournalist für Rechtsfragen, vorgeschlagene Resolution zu diesem Thema. Die Resolution dient dem Landesvorstand als Arbeitsmaterial, überwiesen von der Mitgliederversammlung – die übrigens die bayerischen Abgeordneten aufrief, sich im Bundestag entschieden gegen das Gesetz auszusprechen.

Intensive Diskussion um Zeiterfassung
Noch eine leidenschaftliche Redeschlacht entbrannte im Augsburger Jura-Hörsaal zum Thema Arbeitszeiterfassung. Der geschäftsführende Vorstand selbst bat darum, die Medienunternehmer und Verlegerverbände in Bayern aufzufordern, auf die Einhaltung der Vorgaben zur gesetzlichen zulässigen und tariflich vereinbarten Arbeitszeit zu achten.

Die Befürworter hatten starke Argumente: In Wolfgang Zauners Medienhaus wurden 800 Verstöße in drei Monaten unter 150 Mitarbeitern registriert. Die durchschnittliche Arbeitszeit in bayerischen Redaktionen betrage täglich um die zehn Stunden, berichtete Michael Busch. „Wir sollten klarstellen, dass es hier Gesetze gibt, die auch für Journalisten gelten“, betonte der BJV-Chef.

Doch der Fachjournalist Prof. Tilman Steiner befürchtete, mit einer Kontrolle der redaktionellen Arbeitszeit ziehe „der Geist des Sachbearbeiters“ herauf. Verlage behaupten gar, Zeiterfassung gefährde die Pressefreiheit. Letztlich zog jedoch die Überlegung, dass ein Selbstschutz eingezogen werde, „um Kollegen vor Überlastung zu bewahren“ (Gisela Goblirsch-Bürkert), und dass die Einhaltung der Arbeitsverträge doch „eigentlich eine Selbstverständlichkeit“ (Richard Mayr) sei. Der Appell wurde fast einstimmig verabschiedet.

Rundfunk: Forderungen an Horst Seehofer
An den bayerischen Ministerpräsidenten wandte sich der Bayerische Journalistentag mit zwei Forderungen betreffs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Staatskanzlei möge darauf hinwirken, dass auch der Bayerische Rundfunk die Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag für sein Informations- und Bildungsprogramm einsetzen darf. 247 Millionen Euro unterlägen momentan dem Sperrvermerk des Ministerpräsidenten, begründete Wolfgang Stöckel, für den BJV im Rundfunkrat, seinen Vorstoß.

„Das Geld fehlt dem Rundfunk, die freien Kollegen trifft es am meisten“, sagte er. Harald Stocker, der neue Vorsitzende der Fachgruppe Rundfunk unterstützte den Antrag voll und ganz, „wenn versprochen wird, dass das Geld wirklich für die festen Freien eingesetzt wird“. Außerdem forderte der Journalistentag, dass sich die Staatsregierung für die Beibehaltung von Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark macht. Andernfalls drohten 75 Millionen Euro jährlich wegzubrechen.

Nein zu regionaler Werbung von bundesweiten TV-Sendern
Anders denkt der BJV über regionale Werbung bundesweiter TV-Sender. Im Rundfunkstaatsvertrag solle sie verboten werden. „Die Folgen für die Tageszeitungen wären verheerend und wir bekämen sie bei künftigen Tarifverhandlungen zu spüren“, warnte BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller. Zumal die Sendergruppe ProSiebenSat1 einen Rekordgewinn vermelde. Müller: „Sie sind nicht auf die Erlöse aus regionaler Werbung angewiesen.“ Rundfunkrat Wolfgang Stöckel vermutete, sie schielten mit ihrem bayerischen Sonderweg nach Österreich, wo diese Werbung bereits zulässig ist.

Glatt durch ging eine „Augsburger Erklärung zum Schutz der Kreativen“ (Details in der Antragsdokumentation auf Seite 2; PDF, 13 Seiten, 131 kb), aufgesetzt vom Vorstand und der Fachgruppe Europa und Medienrecht. Es gelte, die soziale Situation der Kreativen nachhaltig zu verbessern. „Soziale Gerechtigkeit darf sich nicht auf Mindestlohnstandards für abhängig Beschäftigte beschränken.

Vielmehr müssen endlich auch selbstständig Tätige vom gesetzlichen Schutz profitieren können, wenn sie der wirtschaftlichen Übermacht ihrer Auftraggeber schutzlos ausgesetzt sind“, heißt es darin. Rechtliche Hebel sieht die BJV-Erklärung im Urhebervertragsrecht und bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Europäische Bürgerinitiative für Pressefreiheit initiieren
Eine Europäische Bürgerinitiative möchte der BJV anstrengen, um die Pressefreiheit in Europa zu bewahren. Sie sei in der EU überhaupt nicht rechtlich verankert, bemängelte der Vorsitzende Michael Busch, sodass etwa der ungarische Präsident Viktor Orban in sie ohne Sanktionierung wiederholt eingreifen konnte. Doch die EU sei nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch als Wertegemeinschaft gegründet worden.

Um nennenswert Unterschriften zu gewinnen – gefordert sind mindestens eine Million in vier EU-Staaten – schlug Wolfgang Stöckel vor, einen Aufmarsch freiheitlich gesinnter Bürger aufs Hambacher Schloss nach dem Vorbild des deutschen Vormärz von 1830 zu organisieren

„Journalistinnen und Journalisten im Ruhestand“
Innerverbandlich machte sich der langjährige ehemalige Vorsitzende Stöckel für die Kollegen im Ruhestand stark. Sie seien durchaus aktiv und an verbandspolitischen Themen interessiert. Um ihnen eine Möglichkeit zur Mitwirkung zu geben – etwa auf den Themenfeldern Altersarmut, Versorgungswerk oder Pflegeversicherung –, möge eine eigene Fachgruppe gegründet werden.

„Ich befürchte, dass damit der Grabenkrieg zwischen Jung und Alt wieder aufflammt“, hielt Michael Anger dagegen. Wolfgang Soergel warnte vor einer „fatalen Außenwirkung“. Ehrenmitglied Günter Weislogel indes betonte, die Mitgliederbindung bestehe auch über das Berufsleben hinaus. BJV-Chef Busch fädelte diplomatisch den Kompromiss ein. Weil die erforderliche Satzungsänderung erst 2016 beschlossen werden könne, schlug er vor, testweise eine BJV-Arbeitsgruppe Senior-Journalist einzurichten.

Handout zu juristischen Fragen
Verständlich, aber kaum machbar stufte der Journalistentag den Vorschlag des Bezirks Mainfranken ein, ein BJV-Handout zu juristischen Fragen der Berichterstattung aufzulegen. „Das ist nicht so einfach“, meinte Geschäftsführerin Jutta Müller.

Im Einzelfall gebe es strittige Entscheidungen, denn „Jura ist nicht Mathematik“. Michael Busch sagte sogar: „Es steht uns nicht an, eine rechtliche Bewertung zur Berichterstattung abzugeben.“ Das sei Angelegenheit der Gerichte und des Deutschen Presserats, auf dessen stetig aktualisierten Pressekodex und dessen Entscheidungssammlung Günter Weislogel verwies.

Wahlergebnis spricht für den Vorstand
Straff führten Marlo Thompson, die Bezirksvorsitzende von München – Oberbayern, und Klaus Reindl durch die Tagung. So liefen auch die fälligen Neuwahlen wie am Schnürchen. Der vor zwei Jahren verjüngte Vorstand hat offensichtlich gute Arbeit gemacht. Auf keinen Posten warf ein Konkurrent den Hut in den Ring.

Geschäftsführender Vorstand
Und so bestätigte der Journalistentag die niederbayerische Tageszeitungsredakteurin Daniela Albrecht und die Auslandsredakteurin Dr. Hilde Stadler vom Bayerischen Rundfunk als stellvertretende Landesvorsitzende – wenn auch mit jeweils 13 Nein-Stimmen und ein paar Enthaltungen. Der Nürnberger Wirtschaftsredakteur Markus Hack, der als Schatzmeister eine gute Figur machte, erzielte dasselbe Spitzenergebnis (78 Ja-Stimmen) wie auch Michael Busch. Der Würzburger freie Journalist Ralph Bauer erhielt 60 Ja-Stimmen.

Beisitzer
Gerade die mindestens erforderliche Zahl von Beisitzern wurde nominiert: Gewählt sind Jürgen Dennerlohr (Neumarkt), Sascha Ihns (Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) und Julika Sandt (Bezirksvorstand München – Oberbayern).

Solide Finanzen
Die Finanzen des BJV hielt Markus Hack ordentlich zusammen (Details dazu finden Sie auch im Geschäftsbericht 2014/2015, S. 47-49; PDF 50 Seiten, 1 MB). Fürs Jahr 2014 kann er 142.000 Euro in die Rücklagen stellen – deutlich weniger Rechtshilfefälle und eine Darlehensrückzahlung aus Berlin-Brandenburg spielten ihm glücklich in die Hände. Und der Wettbewerb Pressefoto Bayern blieb dank neu akquirierter Sponsoren deutlich unter dem Voranschlag. Kostendisziplin lässt der Schatzmeister weiterhin walten. Für 2015 kalkuliert er nur geringe Steigerungen des Etatvolumens.

Alois Knoller

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