Wie geht's mit der VG Wort und den von ihr zu verteilenden Geldern weiter?
Foto: Eberhard Wolf

BJVreport

VG Wort: Die 100-Millionen-Euro Frage

Nach dem BGH-Urteil sollen Verlage kein Geld mehr von der VG Wort erhalten – was Experten meinen ...

München, 05.08.2016

Es geht um sehr viel Geld. Hundert Millionen Euro – das ist eine Eins mit acht Nullen dahinter – fordert die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort von den Verlagen zurück, die diese seit 2012 aus den Ausschüttungen erhalten haben. Künftig sollen die Erlöse aus der Kopierabgabe zu 100 Prozent an die Autoren fließen. Vor allem kleinere Buchverlage sehen sich dadurch in ihrer Existenz bedroht. Das sorgt auch unter BJV-Mitgliedern für manche Diskussion.

Die einen jubeln, die anderen warnen. Grund für die Konfrontation nach fast 60 Jahren friedlicher Koexistenz von Autoren und Verlegern in der VG Wort ist ein Urteil aus Karlsruhe: Der Bundesgerichtshof hat am 21. April entschieden, dass die pauschale Beteiligung von Verlagen an den Einnahmen der VGWort nicht zulässig ist (Az.: I ZR 198/13) und den bisherigen Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaft gekippt. Die Satzung und der Verteilungsplan sind nach dem Karlsruher Urteil in diesem Punkt unwirksam und müssen neu formuliert werden.

Soweit die Ansprüche nicht verjährt sind (das geschieht normalerweise nach drei Jahren), werden die Autoren sicher eine Nachzahlung erhalten. Ausschüttungen an Verlage und an die Verbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger werden bis auf weiteres nicht mehr stattfinden, teilte die VG Wort mit (siehe auch VG Wort-Pressemitteilung vom 6. Juni 2016, PDF, vier Seiten, 379 kb).

BJV-Informationsveranstaltungen mit der VG Wort
Der BJV lädt außerdem dazu ein, mit Verantwortlichen der VG Wort zu diskutieren. Am Dienstag, dem 9. August 2016, um 19.00 Uhr, stehen Dr. Robert Staats und Rainer Just, Geschäftsführende Vorstände der VG Wort, im Presse Club München (Tal 12, II. Stock, 80331 München) Rede und Antwort. Eine Woche später, am Mittwoch, dem 17. August 2016 um 19.00 Uhr, informiert Rainer Just, Geschäftsführender Vorstand der VG Wort, im Nürnberger Presse-Club (Gewerbemuseumsplatz 2, 90403 Nürnberg) über die neueste Entwicklung und die Position der VG Wort. Bitte melden Sie sich bei Waltraud Paul an: paul@bjv.de.

Aktuelle Statements der Verleger und anderer Verbände
Wie viel fließt von den 100 Millionen tatsächlich an die Autoren? Und wann wird die Auszahlung kommen? Wird es künftig nur noch eine reine Autoren-VG Wort geben? Oder welche Vor- oder Nachteile hätte eine solche Regelung? Und was plant der Gesetzgeber?

Antworten auf diese und andere Fragen lesen Sie im Artikel „Die 100-Millionen-Euro Frage“ des aktuellen BJVReport, der Mitte August auf der BJV-Website zum Download bereitsteht.

Stellungnahmen zum BGH-Urteil

Schon jetzt erfahren Sie hier, wie verschiedene Akteure die Situation nach dem BGH-Urteil sehen:

Maria Goblirsch


BDZV: Nach dem BGH-Urteil wird die Akademie für berufliche Bildung geschlossen
Der BDZV plädiert für eine – gesetzlich abgesicherte – Fortführung der bisherigen Regelung mit der VG Wort. Das System hat gut funktioniert. Das Leistungsschutzrecht der Presseverlage wird an anderer Stelle geregelt und hat in diesem Zusammenhang nichts zu suchen.

Aufgrund des BGH-Urteils müssen wir den Betrieb der ABZV, die durch die VG-Wort-Gelder maßgeblich finanziert wurde, mit großem Bedauern schließen. Das ist natürlich nicht das Ende der journalistischen Aus- und Weiterbildung durch die Zeitungsverlage und ihre Verbände. Es gibt rund 30 entsprechende Institutionen, darunter zum Beispiel auch die verlegerisch getragene Einrichtung in Baden-Württemberg sowie die in jüngerer Zeit auch von regionalen Häusern vermehrt organisierten unternehmenseigenen Akademien von Verlagen. Der Einsatz von Metis liegt im Ermessen der einzelnen Verlage.

Anja Pasquay, Pressereferentin Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger

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Bitkom: „Kein gesondertes Recht der Verleger“
Zwischen der Bitkom und den Verwertungsgesellschaften VG Wort und VG Bild-Kunst besteht seit dem Jahr 2008 eine Einigung über urheberrechtliche Abgaben. Bitkom-Mitglieder überweisen den Verwertungsgesellschaften seither jährlich zirka 90 Millionen Euro für Abgaben auf Kopierer, Scanner, Drucker und Faxgeräte, mit denen Nutzer Privatkopien anfertigen können.

Die Einigung mit den Verwertungsgesellschaften fußt auf dem gemeinsamen Verständnis, dass diese Verwertungsgesellschaften die Rechte aller Berechtigten vertreten und alle geltend gemachten Ansprüche mit der Zahlung abgegolten sind. Dies schließt einen Verlegeranteil ein.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil klargestellt, dass die pauschale Beteiligung der Verlage an diesen Abgaben unwirksam ist. Verlage könnten allenfalls dann Berechtigte sein, wenn sie Inhaber von abgeleiteten Rechten sind. Es ist Sache der Verwertungsgesellschaften nun zu prüfen und zu entscheiden, inwieweit Verlage an den Abgaben in Zukunft noch beteiligt werden können.

Der Gesetzgeber will in diesem Kontext die Voraussetzungen schaffen, um Verleger weiterhin zu beteiligen. Der Vorschlag des Justizministeriums für eine Gesetzesänderung gewährleistet die gemeinsame Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlegern in Verwertungsgesellschaften, ohne den Urhebern ihre Ansprüche gegen ihren Willen zu entziehen.

Bitkom würde einen Vorschlag klar ablehnen, der Verlegern ein gesondertes – wie auch immer geartetes – Recht zubilligen würde. Ein solches wäre europarechtswidrig und würde sich zu Lasten der berechtigten Urheber auswirken. Die seit acht Jahren bestehende Einigung mit den Verwertungsgesellschaften würde hierdurch in Frage gestellt werden.

Markus Scheufele, Bereichsleiter Urheberrecht Bitkom e.V.

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DJV: „Anteile der Verlage auf ein Minimum begrenzen“
Das System der gemeinsamen Durchsetzung der Rechte hat sich in der Vergangenheit bewährt. Es ist daher sinnvoll, das bisherige System grundsätzlich weiter zu führen. Das schließt Änderungen, die nach dem Urteil des BGH notwendig sind, nicht aus. Man muss sich vor der Entscheidung, Änderungen vorzunehmen, aber auch die Frage stellen, welche Alternativen zur Verfügung stehen und ob das Ziel, angemessene Vergütungen für die Urheber zu erlösen, mit den Änderungen erreicht wird.

Verlassen die Verleger die VG Wort, würden sie die Ansprüche, die sie nach dem Urteil des BGH erwerben können, in eine eigene Verwertungsgesellschaft einbringen. Die Folge wäre dann vermutlich, dass sich die unterschiedlichen Verwertungsgesellschaften erst einmal über die Zuordnung der Ansprüche und Erlöse auseinandersetzen müssten. Bei dieser Auseinandersetzung besteht die Gefahr, dass für längere Zeit auch bei den Urhebern ein zu kleiner oder gar kein Erlösanteil ankommt. Vor allem aber steht nicht zu erwarten, dass die Geräteindustrie bereit ist, von den Verlagen zusätzlich geltend gemachte Vergütungsansprüche zu befriedigen.

Eine gesetzliche Regelung zur Verlegerbeteiligung wird vom DJV nicht grundsätzlich abgelehnt. Sie sollte aber das Urteil des BGH beachten und insbesondere berücksichtigen, dass Urheber im Vertragsverhältnis regelmäßig die schwächere Partei sind. Zu überlegen wäre daher, die Anteile der Verlage an Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft der Höhe nach auf ein Maximum zu begrenzen. Vorstellbar wäre ein Verteilungsvolumen von 20 Prozent für die Verlage gegenüber 80 Prozent für die Urheber.

Benno H. Pöppelmann, Justiziar Deutscher Journalisten-Verband

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Freischreiber: „Tantieme aus der VG Wort stehen ausschließlich Urhebern zu“
Wie freuen uns über das Urteil, denn der BGH hat damit unsere Sicht bestätigt, dass die Tantiemen aus der VG Wort ausschließlich den Urhebern zustehen, denn nur sie haben ein Recht an den gesetzlichen Vergütungen für kopierten Texte und den Geräteabgaben. Man muss Martin Vogel danken, dass er dieses Urteil erstritten hat. Und das hat Freischreiber mit der Verleihung des Himmelpreises auch getan.

Laut dem Urteil des BGH und auch aus unserer Perspektive haben die Verleger kein eigenes Urheberrecht, dass sie über die VG Wort wahrnehmen können. Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, dass Die Urheber zusammen mit den Verwertern gemeinsam Rechte wahrnehmen. Welche auch? Verleger erwerben Nutzungs- und Verwertungsrechte, damit stehen ihnen ausreichend Erlösmöglichkeiten zur Verfügung; Presseverleger können ihr Leistungsschutzrecht ja über die VG Media geltend machen.

Wir wehren uns gegen die geplante gesetzliche Regelung und führen dazu auch politische Gespräche in Berlin. Sie wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch europarechtlich nicht haltbar, das macht sie zusätzlich zweifelhaft.

Das von den Verlegern zurückzufordernde Geld sollte zunächst wieder an die VG Wort zurückgehen. Diese muss gegebenenfalls Rückstellungen bilden, um künftig ohne Verleger im Rücken schlagkräftige Verhandlungen mit der Geräteindustrie führen zu können. Aber sicher sollte ein großer Teil dieser Summe an die Autorinnen und Autoren ausgeschüttet werden. Denn es ist das Geld der Urheber.

Benno Stieber, Vorsitzender und Sprecher Freischreiber e.V.

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Henry Steinhau: Beteiligung der Verleger an den gesetzlichen Vergütungen beenden

Das BGH-Urteil stellt unmissverständlich klar: Die gesetzlichen Vergütungen, die die VG Wort auf Grundlage der Privatkopie-Schrankenregelungen treuhänderisch einsammelt, stehen und standen ausschließlich den Urheberinnen und Urhebern zu. Der BGH hat mit seiner Entscheidung einen jahrzehntelang anhaltenden rechtswidrigen Zustand beendet, der zu Lasten der Urheberinnen und Urheber ging. Die Verteilungspraxis der VG Wort sollte umgehend revidiert werden, eine Beteiligung der Verleger an den gesetzlichen Vergütungen ist zu beenden.

Eine Verlegerbeteiligung ist für Urheberinnen und Urheber in deren heutiger wirtschaftlicher Lage nicht sinnvoll. Heutige Generationen von Autoren und Urhebern sehen auf die VG Wort und ihre Praxis mit anderen Augen als frühere. Heute liegt ihnen daran, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und überkommene, zudem als illegal festgestellt Regelungen zu ändern. Nun ein Reformfenster geöffnet, das auch dazu genutzt werden sollte, die Verwertungsgesellschaft im Innenverhältnis zu reformieren und zukunftsfest zu machen.

Die VG Wort hat die widerrechtlich an Verlage ausgeschütteten Beträge zurück zu fordern und rückwirkend an die Urheberinnen und Urheber zu verteilen. Zu prüfen wäre auch, ob diese Zahlungen nicht rückwirkend verzinst werden müssen. Eine Verzögerung dieser gebotenen Nachforderungen und Nachausschüttungen ist aus der Sicht der Urheberrinnen und Urheber nicht zu akzeptieren. Gegebenenfalls sollte die VG Wort davon auch Gelder partiell zurückstellen, um sich für kommende Verhandlungen mit den Geräteherstellern zu wappnen.

Nach der geplanten Gesetzesregelung sollen Urheberinnen und Urheber künftig ihre Vergütungsansprüche an Verleger abtreten können. Es ist zu befürchten, dass Verwerter sie dazu drängen werden und die Abtretungen als Verhandlungsmasse betrachten und instrumentalisieren.

Henry Steinhau, freier Journalist und Redakteur bei iRights.info.

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VG Wort: „Sortenreine VG Wort hätte für Autoren erhebliche Nachteile“
Die Entscheidung des BGH stellt den Fortbestand der VG Wort als eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlagen konkret in Frage. Vor diesem Hintergrund bedarf es dringend einer gesetzlichen Regelung auf nationaler und europäischer Ebene, die gemeinsame Verwertungsgesellschaften weiterhin ermöglicht.

Eine „sortenreine“ Verwertungsgesellschaft hätte jedenfalls gerade für Autoren erhebliche Nachteile. So wird es bei der Lizenzierung von digitalen Nutzungen in Zukunft vielfach darauf ankommen, ob Verwertungsgesellschaften über die erforderlichen Nutzungsrechte verfügen. Diese liegen regelmäßig bei den Verlagen und würden – wenn es an einer gemeinsamen Verwertungsgesellschaft fehlt – ohne Autorenbeteiligung vermarktet werden.

Ferner lassen sich gesetzliche Vergütungsansprüche, wie die „Geräte- und Speichermedienvergütung“ (Kopiervergütung), in einer gemeinsamen Verwertungsgesellschaft sehr viel besser durchsetzen. Besonders problematisch wäre es, wenn Verlage auf der Grundlage eines zukünftigen eigenen Vergütungsanspruchs – und über eine eigene Verwertungsgesellschaft – zusätzliche Vergütungen geltend machen würden. In diesem Fall sind langjährige Auseinandersetzungen mit den Vergütungsschuldnern, insbesondere mit den Herstellern von Geräte- und Speichermedien zu erwarten. Das hätte auch unmittelbar Auswirkungen auf die Autoren, weil es insgesamt zu Einnahmeausfällen und einer Schwächung des Vergütungssystems kommen würde.

Eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft ist aber auch mit Blick auf Projekte wie METIS (Vergütungen für Texte im Internet), die ohne Verlage nicht sinnvoll fortgeführt werden könnten, von großem Vorteil. Nicht vergessen werden sollte auch, dass die Pressespiegelvergütung von jeher zu 100 Prozent an Autoren ausgezahlt wird und die Verlagsausschüttungen für Pressereprographie bisher fast vollständig für Aus- und Fortbildungszwecke von Journalisten genutzt wurden. Auch die Sozialeinrichtungen der VG WORT werden aus den Gesamteinnahmen der VG WORT gespeist, kommen aber vor allem den Autoren zu Gute. Alles dies ginge bei einer reinen Autoren-VG WORT verloren.

Dr. Robert Staats, geschäftsführender Vorstand VG Wort; siehe auch Bericht zur Informationsveranstaltung der VG Wort am 09.08.2016 in München: „VG Wort-Chefs warnen vor Spaltung“

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