Warnte vor Filterblasen: Anke Schäferkordt
Foto: Sebastian Widmann, Medientage München

BJV-Geschäftsstelle

„Wir brauchen Ernsthaftigkeit“

Vielfältige Debatten auf den Münchner Medientagen – ein kleiner Überblick

München, 27.10.2017

Die Medienlandschaft wird immer unübersichtlicher, die klassischen Medien verlieren an Einfluss. Bestimmte Gruppierungen hetzen bewusst gegen die „Lügenpresse“, mit gezielt gestreuten Falschmeldungen wird Wahlkampf beeinflusst. Und nicht immer stehen dahinter noch Menschen – Stimmungsmache übernehmen Maschinen.

Wer sich nur noch über soziale Netzwerke informiert, bekommt unter Umständen eine Scheinwirklichkeit vorgegaukelt. „Media – Trust – Machines. Vertrauen in der neuen Mediengesellschaft“ lautete das Motto der 31. Medientage in München. Mehr als 400 Referenten referierten und debattierten, 7000 Teilnehmer besuchten die Veranstaltung.

Auch der BJV präsentierte sich wieder an einem eigenen Stand, die Fachgruppe Chancengleichheit beteiligte sich an Media Women Connect, einer gemeinsamen Veranstaltung verschiedener Medienfrauen-Netzwerke. Mehrere weibliche Mentee berichteten auf der Aktionsbühne über das Mentoring-Programm des BJV.

Breite Meinungsbildung ermöglichen
Für viele junge Menschen seien Plattformen im Internet die Hauptinformationsquelle. Zum Problem werde dies, wenn sich dort gefiltert nur die eigenen Meinungen fänden, sagte Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland, in ihrer Keynote beim Mediengipfel zur Eröffnung der Medientage. Sie forderte auch, ständig zu hinterfragen, ob von TV wie Print unterschiedliche Meinungen ständig beleuchtet würden und eine breite Meinungsbildung ermöglicht werde.

Journalistisch auseinandersetzen statt bekämpfen
Journalist und Blogger Sascha Lobo war eine Zeit lang in etlichen Talkshows präsent, äußerte eine sehr deutliche Position gegenüber der AfD. Als er merkte, wie das Publikum seine Auftritte rezipierte, stellte er sich die Frage, ob er mit seiner klaren Haltung vielleicht selbst zum Problem wurde – und trat in Folge kaum mehr auf. Warum?

Auf der rechten Seite sei es extrem wichtig, ein Feindbild zu haben, analysierte er beim Panel „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit – wie sie Medien und Politik verstehen und verständlich machen“.  

Und tatsächlich sorgte auf dem Podium die Frage, wie stark Journalisten selbst Position beziehen sollten, für Diskussion. Sie schätze Kollegen, die eine Haltung haben und diese begründen, sagte Netzaktivistin und Bloggerin Katharina Nocun. Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbunds von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, hob den Unterschied zwischen Bekämpfung und journalistischer Auseinandersetzung hervor. Wenn die, die von Beginn an gegen die AfD sind, am Ende noch überzeugter seien, die Partei nicht zu wählen, bringe dies wenig. Die anderen aber seien mit einer besonders harten Haltung nicht zu erreichen, so Mascolo.

Die ersten sein – mit ernsthaften Informationen
Thomas Hinrichs, Informationsdirektor beim Bayerischen Rundfunk, mahnte gute journalistische Tugenden an, nämlich die Menschen mit Informationen zu versorgen, damit sie sich eine eigene Meinung bilden können. „Wir brauchen Ernsthaftigkeit“, sagte er, und forderte, die ersten zu sein – mit ernsthaften Informationen. 

Ein Beispiel: In der Nacht des Amoklaufs in München tauchten fast 3000 Tweets mit dem Begriff „Amok“ auf. In mehr als 58000 Tweets sprachen Menschen von Terror. In Situationen wie dieser brauche es jemanden, der einordne, sagte Hinrichs. Entscheidungen müssten im digitalen Zeitalter unter größerem Zeitdruck getroffen werden, dafür brauche es (noch) besser ausgebildete Journalisten, forderte Barbara Hans, Chefredakteurin bei Spiegel Online.

Bei eigenen Fehlern Transparenz
Selbstkritisch äußerte sich Georg Mascolo in Sachen Umgang mit Fehlern. In manchen Medien gebe es gar keinen Ort, wo man sie korrigiere. Gesagt werde: „Gucken wir mal, ob’s keiner merkt.“ Das seien Dinge, für die er sich bis heute schäme. Hinrichs pflichtete bei: „Wer überhaupt keinen Fehler macht, ist auch nicht glaubwürdig.“ Sein Wunsch: ein transparenter Umgang mit Fehlern.

Das Dilemma im Umgang mit Fake News
Und wie steht es um den Umgang mit Fake News? Auch hier haben die Redaktionen wohl noch nicht den goldenen Weg gefunden. In der Chefredakteursrunde beim Mediengipfel sprach Barbara Hans vom Dilemma, dass die Richtigstellung einer Falschmeldung vielleicht gerade erst bewirke, dass sie hochkoche.

Wichtig ist es allerdings vor allem erst einmal, diese als solche überhaupt zu erkennen. Praktisches Handwerkszeug gab etwa Wafana-Gründerin Johanna Wild, übrigens Mentee beim BJV, auf der Start-up-Bühne an die Hand. Sie bietet zum einen Fortbildungen für Journalisten an, wie man Social-Media-Inhalte auf ihre Echtheit prüft. Zum anderen hat sie mit ihren zwei Start-up-Kollegen ein Tool entwickelt, um zu analysieren, worüber die Nutzer der eigenen Facebookseite gerade besonders intensiv sprechen.

Zündstoff für die Strukturdebatte
Auf mehreren Panels wurde zudem die Zukunft des dualen Rundfunksystems diskutiert. Zündstoff für die Strukturdebatte lieferte die stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin Ilse Aigner (CSU) beim Mediengipfel mit ihrer Aussage: Im Internet dürften öffentlich-rechtliche Angebote nicht noch den Printmedien „das Wasser abgraben“. Aktivitäten auf „allen erdenklichen Kanälen und Plattformen“ sollten dabei „vielleicht nicht mehr eingeschlossen“ werden.

Auf anderen Panels diskutierte man indes die Idee, einen Teil der Erlöse aus den Rundfunkbeiträgen privaten Anbietern zu überlassen. Mehr dazu, zu interessanten Start-ups, zum BJV auf den Medientagen oder auch zu Media Women Connect im BJVreport 06/2017. Auf der Website der Medientage München finden Sie in den Pressenews Berichte zu allen angebotenen Veranstaltungen.

Michaela Schneider

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