Berieten über Arbeitszeiterfassung (von links): Josef Schäfer, Wolfgang Grebenhof, Carsten Spöring und per Skype Christoph Holbein
Foto: Michael Anger

Fachgruppe Tageszeitungen

Zeiterfassung hat sich bewährt

Vor und nach der Einführung hat der Betriebsrat aber viel zu tun

Kainsbach, 25.10.2015

„Bei uns klappt die Arbeitszeiterfassung prima. Es gibt keinen Nachbesserungsbedarf.“ Beeindruckt spitzt die Runde der Betriebsräte die Ohren, als sie dieses Statement aus dem Munde des Kollegen Josef Schäfer von der Würzburger Main-Post hört. „Meine Freundin, die Stechuhr“ lautet der Titel des traditionellen Herbstseminars der BJV-Fachgruppe Tageszeitungen in Kainsbach bei Hersbruck.

Gerade mal bei ein Dutzend Redaktionen in Deutschland wird die Arbeitszeit erfasst. Die Berichte aus den Häusern sollten in Kainsbach den Befürwortern Argumentationshilfe geben. In allen Häusern hatte die Belegschaft sich per Abstimmung für eine Regelung ausgesprochen.

Diesen Rückhalt sollte sich der Betriebsrat unbedingt holen, bestätigten auch Carsten Spöring vom Weser-Kurier in Bremen und der per Skype zugeschaltete Christoph Holbein vom Schwarzwälder Boten in Oberndorf am Neckar. Bei der Main-Post hatten sich 62 Prozent an einer entsprechenden Umfrage beteiligt, mehr als 90 Prozent bestätigten, dass sie Überstunden leisteten und 77 Prozent befürworteten eine Erfassung der Arbeitszeit (siehe auch BJVreport 1/2015, blätterbare Version und PDF, 10 MB).

Obergrenzen festlegen
Kürzlich hatten rund 80 Prozent der Mitarbeiter bei den Unterfranken bestätigt, dass sie mit der Regelung zufrieden seien. Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sieht vor, dass ab 20 Überstunden diese umgehend abgebaut werden müssen, bei mehr als 15 hat man das Recht auf ganze freie Tage, also nicht nur stundenweisen Abbau.

Auf einer solchen Obergrenze sollte man unbedingt bestehen. Der Verlag hatte, zur Freude des Betriebsrats, auf elektronischer Erfassung der Arbeitszeit bestanden. Die Registrierung erfolgt mit dem Login am PC oder, etwa für die Reporter, über eine App auf dem Smartphone.

Leitfaden definiert Arbeitszeit
Was denn als Arbeitszeit gilt, das hält ein von Chefredaktion und Betriebsrat entwickelter Leitfaden fest, der sich zum Beispiel mit dienstlichen Anrufen in der Freizeit und mit Glosseneinfällen beim privaten Spaziergang befasst. Josef Schäfer betonte aber: „Da soll man großzügig sein. Zunächst definiert der Redakteur seine Arbeitszeit selbst.“

„Zettelwirtschaft“
Nur über die Einigungsstelle kam in Bremen eine Vereinbarung zustande. Allerdings bestand der Arbeitgeber darauf, nur die Überstunden zu erfassen, wie gesetzlich vorgeschrieben, und das per Zettel – von jedem Arbeitnehmer, jeden Tag. Als der Betriebsrat Monate später nachfragte, stellte sich heraus, dass niemand Zeit gehabt hatte, die rund 20.000 angesammelten Zettel auszuwerten. Neuer Geschäftsführer, neue Vereinbarung, Exceltabelle statt Zettel.

Problem: Überstunden anmelden
Ambivalent ist das Verhältnis der Kolleginnen und Kollegen vom Schwarzwälder Boten zu ihrer Vereinbarung. Auch hier musste die Justiz eingreifen. Die Einigungsstelle, moniert Christoph Holbein, ließ es zu, dass der Arbeitgeber für jede Redaktion eine exakte Arbeitszeit festlegte.

Die Überstunden müssen jetzt unbedingt vorher angemeldet und genehmigt werden. Dadurch, berichtete Holbein, fühlten sich die Kollegen natürlich gegängelt. Allerdings habe es bisher nie Ärger gegeben, wenn Überstunden, etwa wegen unvorhersehbaren nächtlichen Einsatzes bei einem Unfall, nachträglich angemeldet wurden.

In den meisten Häusern mit Arbeitszeiterfassung wird schon von Arbeitgeberseite darauf geachtet, dass nicht zu viele Überstunden anfallen. Mehr Personal gibt es aber nur vereinzelt, auch gibt es nur gelegentlich mehr Aufträge für freie Journalisten. Es kommt aber vor, dass Termine nicht besetzt werden, eben um Überstunden zu vermeiden.

Mehrarbeit für Betriebsräte
Die Arbeit für den Betriebsrat wird umfangreicher, waren sich alle einig. Auch nach Abschluss einer Vereinbarung, denn die muss kontrolliert werden. Außerdem wird es Grenzfälle geben und mancher Kollege braucht gutes Zureden, um bei der „Aufzeichnungs-Stange“ zu bleiben.

Die grundsätzliche Berechtigung einer Vereinbarung versuchte Wolfgang Grebenhof, Betriebsrat bei der Fränkischen Landeszeitung in Ansbach, Vorsitzender der Fachgruppe Tageszeitungen und Mitglied des DJV-Bundesvorstands, anschaulich zu rechtfertigen: „Wenn ich beim Metzger 100 Gramm Wurst bestelle und beim Abwiegen 120 Gramm zustimme, dann schenkt er mir die 20 Gramm nicht, die muss ich auch bezahlen.“

BJV-Vorsitzender Michael Busch, Betriebsrat beim Bamberger Fränkischen Tag, hat eine ganz einfache und eingängige logische Begründung: „Das Arbeitszeitgesetz sagt in Paragraf 3, die werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten. Paragraf 16 bestimmt, dass jede Überschreitung vom Arbeitgeber schriftlich erfasst und der Beleg zwei Jahre lang aufgehoben werden muss.“

„Eierlegende Wollmilchsau“
Mit der steigenden Arbeitsbelastung in den Redaktionen aufgrund der Digitalisierung befasste sich das zweitägige Seminar der Fachgruppe Betriebsräte „Was tun für die eierlegende Wollmilchsau von morgen?“

Die Kolleginnen und Kollegen diskutierten mit der stellvertretenden BJV-Geschäftsführerin Bettina Kühnast die Aufgaben und Möglichkeiten des Betriebsrats bei Einführung der „Redaktion 4.0“.

Man betrachte die Entwicklung in diesem Bereich mit Sorge, so Fachgruppen-Vize Wolfgang Grebenhof. Da die Redaktion in der Regel neue Aufgaben übernehmen solle, bestehe Regelungsbedarf, etwa bei der Arbeitszeit, der Frage der Nutzung privater Geräte im Dienst, der Haftung für Inhalte, wenn Artikel nicht mehr gegen gelesen würden.

Neue Chancen durch neue Techniken
Grebenhof betonte: „Es geht nicht darum, die Nutzung von Kanälen zu verhindern. Es entstehen durch neue Techniken ja auch neue Chancen. Aber die Mehrarbeit darf den Mitarbeitern nicht einfach draufgepackt werden, sonst muss anderes eben wegfallen.“

Die geplanten Neuwahlen der Fachgruppe Betriebsräte wurden auf das Frühjahr verschoben.

Michael Anger

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