Titelseite des Trostberger Tagblatts vom 18.07.2012
Foto: Thomas Mrazek

Verleger

BJV: Vollredaktion in Trostberg trotz Verkauf erhalten!

Redakteure und Freie dürfen nicht Opfer der künftigen Sparpolitik werden.

München, Passau, 18.07.2012

Der oberbayerische Erdl-Verlag mit den Titeln Trostberger Tagblatt, Traunreuther Anzeiger und Altbayerische Heimat hat einen neuen Besitzer, die Neue Presseverlags-GmbH, Passau (NPV). Wenn nicht das Bundeskartellamt in den nächsten Wochen noch ein Veto einlegt, bestimmt die Verlegerfamilie Diekmann damit künftig auch im Chiemgau und dem Rupertiwinkel das mediale Geschehen.

Die Passauer Verlagsgruppe gibt bisher unter anderem die Passauer Neue Presse (PNP) mit ihren zahlreichen Regionalausgaben heraus und dehnt mit dem Kauf des seit 1854 unabhängigen Erdl-Verlags ihren Einflußbereich nach Süden aus.

„Mit dem Besitzerwechsel steht ein weiterer traditionsreicher Zeitungsstandort auf der Kippe, das Trostberger Tagblatt droht seine bisherige redaktionelle Eigenständigkeit zu verlieren“, warnt der BJV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Stöckel. Das 1868 gegründete Blatt zählt bisher zu den wenigen kleineren Zeitungen in Bayern, die den redaktionellen Teil mit Politik und Nachrichten noch selbst produzieren und nicht als fertigen „Mantel“ geliefert bekommen. „Dies muss auch nach dem Verkauf gewährleistet bleiben“, fordert Stöckel.

Der Bayerische Journalisten-Verband beobachte den Zukauf durch die Passauer Verlagsgruppe mit Sorge, da dieser Besitzwechsel die Zeitungsvielfalt in Bayern weiter schmälere. „Wenn immer mehr Blätter in Bayern durch große Zeitungshäuser herausgegeben und damit die Mantelteile zunehmend identisch werden, geht das eindeutig zu Lasten des Lesers und der Pressevielfalt“, betont der BJV-Vorsitzende.

Die Passauer Verlagsgruppe übernimmt mit dem Kauf auch den 50-prozentigen Anteil der Alois Erdl KG an der Südostbayerischen Rundschau – und gewinnt damit eine Tageszeitungsauflage von rund 18.000 Exemplaren im Chiemgau und Rupertiwinkel dazu. Bis zuletzt waren die Erdl-Gesellschafter zur Hälfte auch Teilhaber des Tittmoninger Verlagshauses, in dem die Südostbayerische Rundschau erscheint, die bis auf einen Teil des Lokalen ebenfalls in Trostberg produziert wird.

Die andere Hälfte hatte die Familie Pustet bereits vor Jahren an die PNP in Passau verkauft, die nun allein das Sagen hat. Unklar ist noch, was mit den bisherigen Beteiligungen des Erdl-Verlags an den Radiosendern Antenne Bayern, dem Lokalradio Berchtesgadener Land und Radio Inn Salzach Welle geschieht. Sie dürften freilich die Rosinenstücke im übernommenen „Medienkuchen“ sein.

Der Kauf des Erdl-Verlags durch die Neue Presse Verlagsgesellschaft Passau (NPV) war kein Überraschungscoup. Bereits seit drei Jahren werden die Titel Trostberger Tagblatt, Traunreuther Anzeiger und Südostbayerische Rundschau in Passau gedruckt, nachdem das Druckhaus Erdl im Jahr 2007 Insolvenz anmelden musste.

Derzeit sind beim Verlag in Trostberg 45 Mitarbeiter beschäftigt, weitere 150 Mitarbeiter sind in der Chiemgau-Werbung und Vertriebs GmbH organisiert. In einer Betriebsversammlung wurden die Mitarbeiter laut einem Bericht auf der Website des Trostberger Tagblatts über den Besitzwechsel informiert.

Der Geschäftsführer des Erdl-Verlags, Heinz Alt, äußert dort, dass „vor dem Hintergrund der verändernden Märkte diese Konstellation unter dem Dach eines großen Zeitungshauses die Chance bietet, die Herausforderungen der Zukunft besser zu bestehen.“

Personell soll sich nichts ändern

Zur Frage der Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter verlasse er sich auf die Aussage der Verlegerin Diekmann in Passau, dass sich nichts ändern werde. Im Traunsteiner Tagblatt freilich wird der Chefredakteur der Passauer Neuen Presse, Ernst Fuchs, bereits damit zitiert, das Erscheinungsbild des Trostberger Anzeigers werde man nicht von heute auf morgen ändern. Mittel- oder langfristig aber seien Einsparungen erwünscht – wie immer diese auch aussehen mögen.

Auch BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller befürchtet, dass die Übernahme des Trostberger Tagblatts wie in anderen Fällen zu Lasten der Redaktionen und der Freien Mitarbeiter ausgehen und sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern könnten. Redakteure und freie Mitarbeiter dürften nicht Opfer der zu erwartenden Sparmaßnahmen werden, mit denen die Passauer Verlegerfamilie den wirtschaftlich angeschlagenen Erdl-Verlag wieder rentabel machen wolle.

Für den Fall, dass einzelne Redakteure gekündigt werden, bietet BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller Hilfe an: „Wir werden die Betroffenen rechtlich beraten und sie im Kampf um ihren Arbeitsplatz und um eine unabhängige Berichterstattung jederzeit unterstützen“.

Maria Goblirsch

Weitere Informationen

Bürgerblick – Passauer Freie Presse, 12.07.2012: PNP expandiert in Oberbayern

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