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Bitteres Ende für die Mitarbeiter der Nürnberger Abendzeitung
Das älteste Boulevardblatt Deutschlands erscheint am Samstag zum letzten Mal
Die Mitarbeiter der Abendzeitung Nürnberg wussten seit Monaten, dass es schlecht um ihr Blatt steht. Dennoch war die Nachricht, dass das Boulevardblatt zum 30. September eingestellt wird, ein Schock. Die Hoffnung, einen neuen Investor zu finden, hatte sich zerschlagen. Nun werden die 35 Mitarbeiter in der Redaktion der Abendzeitung Nürnberg freigestellt.
Das traditionsreiche Nürnberger Blatt erschien 1919 zum ersten Mal und gilt als älteste Boulevardzeitung Deutschlands. Seit 30 Monaten ist der Nürnberger Medienunternehmer Gunther Oschmann Alleingesellschafter. Er übernahm den Ableger des Münchner Boulevardtitels von der Verlegerfamilie Friedmann, um dem Titel eine bessere wirtschaftliche Perspektive zu geben. Die Nürnberger Abendzeitung sollte stärker als regionaler Titel positioniert werden.
Zunächst wurde der Mantel noch aus München geliefert, später eine Vollredaktion aufgebaut und dafür 14 Mitarbeiter neu eingestellt. Doch dieses Geschäftsmodell einer stark regional ausgerichteten Boulevardzeitung ging nicht auf, Millionenverluste wurden eingefahren. Pro Ausgabe der Abendzeitung Nürnberg soll Telefonbuchunternehmer Oschmann, der auch an zahlreichen Hörfunk- und TV-Sendern beteiligt ist, zwischen 7000 und 10.000 Euro aus seinem Privatvermögen zugeschossen haben, was ihm zunehmend die Lust an seinem Neuerwerb verdarb.
Krititk an Oschmann
Die Gründe für das Scheitern sind vielfältig. Zum einen ist Oschmann vertraglich langfristig daran gebunden, sein Blatt in der Münchner Sozietätsdruckerei herstellen zu lassen – was für die Abendzeitung einen frühen Redaktionsschluss und damit mit Ausnahme großer Sportereignisse mangelnde Aktualität mit sich brachte.
Außerdem lag die verkaufte Auflage mit rund 14.000 Exemplaren am Kiosk (laut Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. IVW) weit unter den Planzahlen: Rund 30.000 Stück hätten täglich verkauft werden müssen, damit schwarze Zahlen geschrieben werden. Schließlich mehrten sich die Stimmen, die dem Medien-Großinvestor Oschmann und seinem Management vorwarfen, dass sie ihr Handwerk nicht verstanden, weil sie zu wenig Erfahrung im Tageszeitungsgeschäft hatten.
“Oschmann muss sich unternehmerische Fehler ankreiden lassen. Die deutlich konservativere Ausrichtung des Blattes hat offenbar vielen Lesern nicht gefallen“, stellt BJV-Vorsitzender Dr. Wolfgang Stöckel fest. Trotz des alarmierenden Auflagenschwundes habe man nicht rechtzeitig gegengesteuert und neue Konzepte entwickelt, um das Scheitern des Traditionsblattes noch zu verhindern.
Nun ist das bittere Ende da. Das Unternehmen hat keine Insolvenz angemeldet, was faktisch bedeutet, dass die Mitarbeiter juristisch zunächst angestellt bleiben und ihr sie ihr Gehalt weiter beziehen. Auch die Kündigungsfristen müssen eingehalten werden. Oschmann sucht nun gemeinsam mit der Geschäftsleitung nach Lösungen, wie das Ende der Arbeitsverhältnisse möglichst sozialverträglich gestaltet werden kann.
Verhandlungen über Sozialplan beginnen am Montag
Die Geschäftsleitung hat bereits die Bildung einer Transfergesellschaft ins Gespräch gebracht, mit dem Betriebsrat soll zeitnah über einen Sozialplan verhandelt werden. Am kommenden Montag, den 1. Oktober 2012, findet bei der Abendzeitung Nürnberg eine Betriebsversammlung statt, auf der die Mitarbeiter über konkrete Vorschläge informiert und Lösungsmodelle diskutiert werden. Für den BJV nehmen daran Geschäftsführerin Jutta Müller und Justitiar Stefan Marx teil.
„Wir werden mit Herrn Oschmann hart verhandeln, um für die Mitarbeiter das Optimale herauszuholen“, sagt der BJV-Vorsitzende Stöckel. Er fordert die Geschäftsleitung der Abendzeitung Nürnberg auf, dafür Sorge zu tragen, dass die in der Redaktion tätigen Volontäre ihre Ausbildung fortsetzen und beenden können. Das wäre über Vereinbarungen mit anderen Zeitungsverlagen denkbar, wenn die AZ Nürnberg dafür im Rahmen des Sozialplans die Kosten übernimmt.
Der BJV bietet den betroffenen Kolleginnen und Kollegen sofortige Hilfe an (Kontaktdaten der Geschäftsstelle). Sie werden rechtlich beraten und im Kampf um eine faire und sozialverträgliche Lösung nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes unterstützt.
Weitere Informationen
BJV
- BJV-Pressemitteilung, 27.09.2012: Aus für die Nürnberger Abendzeitung
- BJV-Pressemitteilung, 20.09.2012: Die Nürnberger Abendzeitung darf nicht dicht machen – Der BJV appelliert an den Verleger Oschmann
- BJV.de, 20.09.2012: Droht der Nürnberger Abendzeitung das Aus?
Abendzeitung Nürnberg
- Artikel auf der Website (inzwischen eingstellt) und in der Print-Ausgabe vom 27./28.09.2012: Wir sagen leise Adé
- Mitteilung vom 27.09.2012: Die Abendzeitung Nürnberg stellt ihr Erscheinen ein (PDF auf der BJV-Seite)
Weitere Artikel im Netz
- Regionalzeit Gespräch/Bayern2, 01.10.2012: BJV-Vorsitzender Wolfgang Stöckel über die Zukunft der fränkischen Boulevardzeitungen (sic!)
- Frankenschau aktuell/Bayerisches Fernsehen, 01.10.2012: Das Erbe der Nürnberger Abendzeitung
- Newsroom.de, 01.10.2012: Ippen will nicht: Keine "tz" in Nürnberg
- Heinricht graut's, 01.10.2012: Medienvielfalt à la Nürnberg
- Newsroom.de, 01.10.2012: Nürnberger Medienlandschaft: Die Hoffnung stirbt zuletzt
- Jakblog, Christian Jakubetz, 01.10.2012: Lokalteile in Nürnberg: Aus drei mach einen
- Heinricht graut's, 30.09.2012: Danke, Abendzeitung Nürnberg! – (K)ein Nachruf [Interview mit Klaus Schrage, dju]
- Das Medienmagazin/Bayerischer Rundfunk, 30.09.2012: Nürnberger Abendzeitung erscheint zum letzten Mal
- Jakblog, Christian Jakubetz, 29.09.2012: Bald ist aller Tage Abend(-Zeitung)
- Anna Ermann, 29.09.2012: Die AZ Nürnberg sagt Ade ...und niemanden interessiert es
- Stadt Nürnberg, Presse- und Informationsamt, Pressemitteilung, 28.09.2012: OB zum „AZ“-Aus: „Verlust an Pressevielfalt“
- taz, 28.09.2012: Aus für „AZ Nürnberg“: Der Abend aller Tage
- Süddeutsche Zeitung, 28.09.2012: Am bitteren Ende
- Handelsblatt/DPA, 27.09.2012: Abendzeitung Nürnberg schließt
- Nordbayern.de/DAPD, 27.09.2012: Endgültiges Aus für die Nürnberger Abendzeitung
- Meedia, 27.09.2012: Abendzeitung Nürnberg wird eingestellt – keinen neuen Investor gefunden
- Bayerischer Rundfunk, 27.09.2012: Endgültiges Aus für die Abendzeitung Nürnberg
- Kress, 27.09.2012: Kein Käufer gefunden: Oschmann stellt Nürnberger "Abendzeitung" ein
- Anna Ermann, 22.09.2012: AZ Nürnberg – Ein Abgesang
- Süddeutsche Zeitung, 21.09.2012: Ein Euro – Die "AZ Nürnberg" ist in Not, ein Käufer wird dringend gesucht
- Hirndübel/Nürnberger Nachrichten, 21.09.2012: Keine Herzens-Demo zum Opernball
- Universalcode/ABZV, 21.09.2012: Aus für AZ in Nürnberg?
- Jakblog/Christian Jakubetz, 21.09.2012: Zeitungskrise 2012: Hilflos in Nürnberg
- Nürnberger Zeitung/DAPD, 21.09.2012: Abendzeitung verhandelt mit neuem Investor – Staatstheater untersagt Solidaritätsaktion
- Horizont.net, 21.09.2012: "Nürnberger Abendzeitung" soll verkauft werden
- W&V: Zu hohe Verluste, 21.09.2012: Oschmann will sich von "Abendzeitung" trennen
- Bayerischer Rundfunk/Studio Franken, 21.09.2012: Nürnberg: Abendzeitung droht das Aus
- Deutschlandradio Kultur, 21.09.2012: Gespräche über Verkauf der Nürnberger "Abendzeitung"
- Kress, 20.09.2012: Der Defizite überdrüssig: Oschmann will Nürnberger "AZ" verkaufen
- Meedia, 20.09.2012: Nürnberger Abendzeitung braucht Investor
- Turi2/Heute2, 20.09.2012: "AZ Nürnberg" steht vor dem Aus
- Nürnberger Zeitung, 20.09.2012: Nürnberger Boulevardblatt vor dem Aus?
- dju-Bayern, 20.09.2012: "Rettet die AZ Nürnberg" – dju-Appell an den Inhaber
- BJV.de, 25.07.2012: Kommt bald die „Nürnberger Nachrichten-Zeitung“? In der Redaktion der Nürnberger Zeitung sollen bis zu zwölf Stellen abgebaut werden
- BJV.de, 18.07.2012: Vollredaktion in Trostberg trotz Verkauf erhalten! Redakteure und Freie dürfen nicht Opfer der künftigen Sparpolitik werden
- Nürnberg-Wiki: Abendzeitung / 8 Uhr-Blatt (Nürnberg) – (Informationen zur Geschichte der Abendzeitung Nürnberg)