Debattierten über das PAG (v.l.n.r.): Markus Löffelmann, Manfred Ländner, Wilhelm Schmidbauer, Ulrike Gote, Franz Schindler, Dennis Amour und Michael Busch
Foto: Maria Goblirsch

Bezirksverband München-Oberbayern

„Ich sehe nichts, was unanständig oder polizeifeindlich wäre“

Podiumsdiskussion zum neuen Polizeiaufgabengesetz (PAG)

München, 09.05.2018

Droht der Freistaat durch neue Befugnisse der Polizei zum Überwachungsstaat zu werden? Oder stärkt das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG), das am 15. Mai im Landtag verabschiedet werden soll, sogar den Datenschutz und die Bürgerrechte, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betont?

Und mit welchen Eingriffen müssen Journalisten künftig bei ihrer Recherche rechnen? Darüber diskutierten auf Einladung des BJV Experten der Polizei, der Justiz und Vertreter von im Landtag vertretenen Parteien am Montag im Münchner PresseClub.

Zu einer inhaltlichen Annäherung der Positionen kam es in dem knapp zweistündigen Streitgespräch unter Moderation des BJV-Vorsitzenden Michael Busch nicht. Das begann damit, dass Manfred Ländner, polizeipolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, nicht von einer Verschärfung des PAG, sondern nur von einer Änderung sprechen wollte.

Gegner des PAG „emotionalisieren“
„Ich sehe nichts im neuen PAG, das unanständig, ketzerisch, menschenfeindlich oder polizeistaatlich wäre“, sagte er. Von der Gegenseite werde emotionalisiert und vieles in das neue PAG hineininterpretiert. Im Kern gehe es bei der jetzigen Neuregelung darum, die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen.

„Und wir wollen natürlich auf aktuelle Herausforderungen reagieren, die uns das Darknet, die digitale Welt sowie neue technische Möglichkeiten bieten und außerdem das polizeiliche Präventivhandeln an die aktuellen Gegebenheiten anpassen“, stellte Ländner klar. Der Rechtsbegriff der „drohenden Gefahr“, über den es jetzt eine unglaubliche Aufregung gebe, stehe bereits seit Juli 2017 im PAG.

Schmidbauer: „Es gab noch nie so viele Bürgerechte in einem PAG“
Der bayerische Landespolizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer betonte im Münchner Presseclub, man habe sich bei jeder Norm genau überlegt, „ob wir das als Polizei wirklich benötigen“. Man tue dem jetzigen Gesetzentwurf Unrecht, da der überwiegende Teil der Stärkung des Datenschutzes und der Bürgerrechte diene. „Es gab noch nie in einem Polizeirecht so viel Datenschutz und Bürgerrechte wie in diesem Gesetzentwurf“.

Wenn gesagt werde, die Polizei dürfe künftig ohne jeden Verdacht auf eine mögliche Straftat handeln, dann seien das Fake News, „dann ist das gelogen“. Er bat die Öffentlichkeit darum, darauf zu vertrauen, dass die Polizei mit den neuen Befugnissen auch verantwortungsbewusst umgehen werde. „Sicher ist immer ein Machtmissbrauch möglich. Aber es gab noch nie so viel Absicherung dagegen wie es in diesem PAG der Fall ist“.

Gote: „Wir werden gegen das neue PAG klagen“
Diese Argumentation konnte Ulrike Gote, rechtpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag, in keiner Weise überzeugen. Sie sei ausgesprochen froh über das breite Bündnis gegen das PAG (dem auch der BJV angehört, die Red.) und den großen Protest, der sich artikuliere.

„Das neue PAG ist nur ein weiterer Baustein in einer Kette von immer weiter gehenden Verschärfungen mit dem Argument, man verbessere damit die innere Sicherheit. Das sensible Verhältnis von Freiheit und Sicherheit wird scheibchenweise immer mehr in Richtung Sicherheit und zu Lasten der Freiheit aller Bürgerinnen und Bürger verschoben“, kritisierte sie.

Viele Eingriffsmöglichkeiten würden nun ins Vorfeld angeblicher potenzieller Straftaten gerückt. „Das verschafft der Polizei Eingriffsmöglichkeiten, die sie in diesem Umfang noch nie hatte“, klagt die Abgeordnete. Einen Grund dafür gebe es schlicht nicht, denn Bayern sei das sicherste Bundesland mit einer hohen Aufklärungsquote.

Ulrike Gote kritisierte außerdem eine „Vernachrichtendienstlichung der Polizei“, die Befugnisse von Polizei und Nachrichtendiensten würden immer mehr vermischt. „Was wir stattdessen dringend bräuchten, wäre mehr und besser ausgebildetes Personal bei der Polizei“, forderte sie und kündigte an, ihre Fraktion werde gegen die Neuregelung des Polizeiaufgabengesetzes klagen.

„Hier wird die Verhältnismäßigkeit klar missachtet!“
Die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag wehrt sich ebenfalls vehement gegen die geplante Verschärfung des Polizeirechts. Franz Schindler, Vorsitzender des Rechtsausschusses, kritisiert die Vorverlagerung der Eingriffsschwelle für polizeiliches Handeln. Das sei nicht nur eine neue Begrifflichkeit, sondern etwas komplett Neues, das so in anderen Bundesländern oder beim Bundeskriminalamt nicht existiere.

„Es stellt sich die Grundsatzfrage, ob das erforderlich ist. Wenn man schon dort anfängt, wo eine Gefahr nur droht, ist man im Bereich der Spekulation und der Prognosen. Und Prognosen können auch falsch sein.“, betonte der Abgeordnete. Er mahnte, die Staatsregierung müsse ein verhältnismäßiges Gesetz vorlegen und dürfe die Grenzen nicht immer weiter ausdehnen. „Hier wird die Verhältnismäßigkeit klar missachtet“.

Dem Gesetzentwurf fehlt die Substanz
Kritisch hat sich bei der Anhörung zum neuen PAG im Bayerischen Landtag Dr. Markus Löffelmann, Richter am Landgericht München, geäußert, der von der SPD-Fraktion als Gutachter geladen war. Bei der Podiumsdiskussion im Münchner Presseclub wiederholte er nun diese Kritik.

Die Polizei in Bayern verfüge über ein sehr breites Aufgabenspektrum und viele Befugnisse. „Die haben viel Macht“. Deshalb sage das Bundesverfassungsgericht, solche Befugnisse, die in Grundrechte eingreifen könnten, dürften erst ab der Schwelle der konkreten Gefahr möglich sein.

Eine Ausnahme ließen die Richter für den Schutz hochrangiger Rechtsgüter im terroristischen Umfeld zu. „Nun aber hat der Bayerische Gesetzgeber dies modifiziert und auf das gesamte Aufgabenspektrum der Polizei übertragen, die nun bereits im Vorfeld von Gefahren tätig werden soll. Das halte ich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit für höchst problematisch“, sagte der Richter.

Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wäre sinnvoll
Der Bürger wisse nicht, unter welchen Voraussetzungen die Polizei nun künftig tätig werden dürfe. Auch für die Polizeibeamten vor Ort, die zu entscheiden haben, halte er das neue Gesetz für eine große Herausforderung. Dem Gesetzentwurf fehle „einfach die Substanz, dass gesagt wird, was wollen wir mit dieser einzelnen Erweiterung eigentlich erreichen.“ Deshalb halte auch er eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht für sinnvoll.

BJV-Geschäftsführer Dennis Amour erklärte im Münchner Presseclub, der BJV fühle sich in dem breit aufgestellten Bündnis „Nein zum Polizeiaufgabengesetz“ gut aufgehoben. Er kritisierte, dass nach dem neuen Gesetz für Journalisten und andere Berufsgeheimnisträger zwar ein besonderer Schutz vor Überwachungsmaßnahmen vorgesehen, dieser aber lückenhaft sei. So sei etwa der Einsatz von Vertrauenspersonen gar nicht und die Auswertung von Telekommunikationsdaten nicht vollständig ausgenommen. „Hier ist noch Luft nach oben“.

Bei einer „Probe-Abstimmung“ im Münchner Presseclub sprachen sich nur wenige Zuschauer für das neue PAG aus, die meisten stimmten dagegen. Wenn es am 15. Mai zur Abstimmung im Plenum des Bayerischen Landtags kommt, dürften die Mehrheitsverhältnisse anders aussehen.

Maria Goblirsch

Schlagworte:

Pressefreiheit

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