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Dort weitermachen, wo andere aufhören, lautet einer der Recherchetipps von Klaus Ott
Foto: 
Michael Anger

Fachgruppe Junge

Investigative Recherche? Einfach probieren!

Werkstattgespräch mit SZ-Journalist Klaus Ott in der Bamberger Uni

Bamberg, 22.05.2014

„Investigative Recherche hat meist nichts mit Tiefgaragen zu tun. Man trifft sich in Büros, wertet Unterlagen in Archiven aus. Es ist keine Hexerei, sondern gutes Handwerk.“ Gleich zu Beginn des Werkstattgesprächs an der Uni Bamberg räumt Klaus Ott, Mitglied des Ressorts Investigative Recherche der Süddeutschen Zeitung, mit Legenden auf. Rund 70 Studierende sind der Einladung der Fachgruppe Junge Journalisten des Bayerischen Journalisten-Verbandes zum Hochschulgespräch am Institut für Kommunikationswissenschaft gefolgt.

Der mehrfach ausgezeichnete Redakteur Ott, der unter anderem über die Milliardenverluste der Bayerischen Landesbank und die Ecclestone-Affäre berichtet hat, ermuntert die künftigen Kollegen und Kolleginnen: „Als Anfänger sollte man nicht in Ehrfurcht vor tollen Geschichten erstarren. Wer beruflich in die Richtung will – einfach probieren.“

Seine erste Geschichte hatte er der Nachlässigkeit von Kollegen zu verdanken. Keiner fragte nach, als der Landkreisverband bei einer Pressekonferenz im Unterfränkischen Nachteile für die Bevölkerung befürchtete, weil die Bahn in Schwaben mit der Einstellung ihrer eigenen Buslinien experimentierte. Klaus Ott fragte nach, hakte nach. Die Sache entpuppte sich als bundesweites Pilotprojekt, damit die Bahn Milliarden einsparen konnte. „Das lohnte sich  damals bei der Main-Post für eine ganze Serie, mindestens zehn Teile“, berichtet Ott.

Intensiver recherchieren als der Staatsanwalt
Dort weitermachen, wo andere aufhören, war auch das Erfolgsrezept beim bayerischen Bankenskandal. Als vor einigen Jahren die Landesbank nach dem Aufkauf der Bank Hypo Alpe Adria große Verluste aufwies, wusste das Rechercheteam, dass die Staatsanwaltschaft nach dem Motto ermittelt: Vielleicht sind Schmiergelder geflossen; niemand ist so dumm, die schwer belastete Hypo zu kaufen.

In Österreich wehrte man sich erfolgreich gegen Untersuchungen, die bayerische Staatsanwaltschaft musste ihre Bemühungen einstellen. Das Rechercheteam aber fuhr regelmäßig ins Nachbarland und sammelte Informationen. Zum Beispiel die, dass das ehemalige Landesbank-Vorstandsmitglied Gerhard Gribkowsky 25 Millionen in eine Stiftung eingebracht hatte und nicht erklären konnte, woher er soviel Geld besaß.  

Dann entdecken die Journalisten eine ältere Verbindung zur Formel 1 und zu deren Macher Bernie Ecclestone. Gribkowsky, den die Rechercheure erneut um Erklärungen bitten, wird nervös, sagt der Staatsanwaltschaft, er habe bei früheren Vernehmungen ein gewisses Vermögen nicht angegeben, das aber eigentlich gar nicht ihm gehöre. Doch seine Gesprächspartner ermitteln weiter, letztendlich wird die Bestechung offenbar.

Investigativ im Team arbeiten
Hartnäckigkeit und Geduld gehören zu den wichtigsten Tugenden, die ein Journalist für investigatives Arbeiten braucht. Aber auch Selbstreflexion und Systematik, macht Ott deutlich: „Es hilft nichts, wild herumzutelefonieren oder drei Stunden ziellos im Internet zu surfen. Hinsetzen, Zettel nehmen, nachdenken und aufschreiben, wer wofür zuständig ist und wer was wissen könnte.“ Das SZ-Ressort arbeitet auch mit NDR und WDR zusammen. Ott spricht stets von „wir“. Die Absprache im Team helfe, Informationen genau einzuschätzen.

Die Teambildung sei auch die Chance für regionale Zeitungen, genügend Zeit für Investigatives zu erübrigen. Eine Geschichte müsse einen „Kern“ haben, betont er. Es könne aber vorkommen, dass eine Geschichte sich im Laufe der Recherchen dreht, ihr eine andere Richtung gegeben wird. Man dürfe sich auch nicht scheuen, von einer Veröffentlichung abzusehen, wenn man die Gefahr erkenne, instrumentalisiert zu werden. Fehler? Können jedem passieren. Klaus Otts Credo: Bloß nicht herumdiskutieren, sondern sich entschuldigen und berichtigen.

„Der Quellenschutz ist heilig“
Wer stets korrekt handle, bekomme einen Ruf und dadurch auch Informationen. Die seien sorgfältig zu behandeln. Im Team tausche man nur die Infos aus, nicht die Namen der Informanten.

„Der Quellenschutz ist heilig“, sagt Ott. Mit seiner Quelle müsse man sich auch stets rückkoppeln und möglichst nichts veröffentlichen, solange man nur eine hat. Das gilt aber auch für die Gegenseite: Keine Veröffentlichung, ohne den „Beschuldigten“ Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Im Team berate man, bei schweren Vorwürfen, lieber dreimal, ob die Geschichte wirklich „wasserdicht“ ist. Natürlich werde die Rechtsabteilung der SZ eingeschaltet, die „zum Glück nicht hasenfüßig ist“.

Einmal habe sich ein Informant so über den  Artikel gefreut, dass er Ott eine Geldsumme zahlen wollte, quasi als Prämie. Ott: Ich bin aufgestanden, habe jeden Kontakt als beendet erklärt und bin gegangen.“ Sein Motto: „Journalisten haben zwischen allen Stühlen zu sitzen und bei niemandem auf dem Schoß.“

Eingangs hatten Alexandra Haderlein, stellvertretende Vorsitzende der BJV-Fachgruppe und Vorstandsmitglied Wolfgang Grebenhof die Zuhörer begrüßt und den Bayerischen Journalisten-Verband mit seinen zahlreichen Angeboten und Dienstleistungen vorgestellt. Professor Markus Behmer, Studiendekan der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften, berichtete, dass 680 Studierende den Bachelor- und 100 den Masterstudiengang absolvieren.

Michael Anger

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