Experten versus Fake News (von links): Die BJV-Gastgeber Michael Busch und Daniela Albrecht, Daniel Fiedler, Karolin Schwarz, Falk Zimmermann, Chan-Jo Jun, Markus Knall und Stefan Primbs
Foto: Maria Goblirsch

BJV-Landesvorstand

Professionalisierte Falschnachrichten

BJV-Diskussion „Fakten versus Fake News“ zum „Tag der Pressefreiheit“

München, 04.05.2017

Quellen zu überprüfen und Falsches zu entlarven, zählt schon immer zum journalistischen Handwerk. Und doch ist der Begriff „Fake News“ aktuell in aller Munde – weil sie sich in sozialen Netzwerken rasend schnell verbreiten, sie zunehmend professionalisiert verbreitet werden und Hasser und Hetzer Kommentarfelder regelrecht fluten.

Unter der Fragestellung „Fakten versus Fake News – Ist der Kampf gegen Lügen und Hate Speech noch zu gewinnen?“ veranstaltete der BJV gemeinsam mit dem Presseclub München zum „Tag der Pressefreiheit“ eine Podiumsdiskussion.

Auf dem Podium: Daniel Fiedler, Leiter der Redaktion „Kultur Berlin“ beim ZDF; Karolin Schwarz, Factcheckerin im Team von Correctiv und Initiatorin von Hoaxmap.org, einem Portal, das Gerüchte über Asylsuchende sammelt, um deren Dekonstruktion zu erleichtern; Anwalt Chan-Jo Jun, Rechtsvertreter von Anas Modamani gegen Facebook (siehe auch BJVreport, Ausgabe 01/2017 Seite 16f.); Markus Knall, Chefredakteur von Merkur.de, tz.de und der Zentralredaktion der Ippen-Gruppe; und Stefan Primbs, Social-Media-Beauftragter und Leiter BR Verifikation beim Bayerischen Rundfunk (siehe auch BJVreport, Ausgabe 02/2017: Gemeinsam stark gegen Fake News).  Es moderierte Falk Zimmermann, Chief Marketing Officer WhatsBroadcast München und früherer stellvertretender Chefredakteur der Mediengruppe Oberfranken.

Unerreichbar in der Filterblase
Zunächst diskutierten die Teilnehmer über die „Filterblase“ in sozialen Netzwerken, in der sich mehr und mehr Menschen bewegten. Erfahrungswerte einbringen konnte Markus Knall bei bis zu 100.000 Kommentaren pro Monat auf den Portalen, für die er verantwortlich zeichnet: Manche Menschen könne man erreichen, indem man sie anschreibe, indem man ihnen Fakten liefere und diskutiere. Andere lebten tatsächlich in einer Blase und seien unerreichbar geworden.

„Wir brauchen Geschichten, die Standards einhalten“
Wie kann hier gegenhalten werden? Stefan Primbs appellierte, die Medienkompetenz der Menschen zu steigern und Propaganda als solche auch tatsächlich darzustellen. Wenn jemand ein Thema „google“ und nur noch Lügen statt Fakten finde, werde es problematisch. „Wir brauchen Geschichten, die Standards einhalten“, sagte der Leiter der BR Verifikation. Lobend hob Karolin Schwarz Initiativen wie #ichbinhier hervor, eine Facebook-Gruppe, die mit sachlichen, freundlichen Kommentaren aus dem Ruder laufende Diskussionen unter öffentlichen Facebook-Posts entschärfen möchte.

Keine „staatliche Wahrheitsbehörde“
Und wie steht es um die rechtliche Handhabe? Es gebe einen kleinen Anteil an Fake News, der strafrechtlich relevant sei, sagte Chan-Jo Jun. „Aber wir werden Fake News nicht mit Gesetzen bekämpfen können“, folgerte der Jurist – und appellierte an gute journalistische Arbeit als effektivstes Mittel. Auch sprach sich Chan-Jo Jun gegen eine „staatliche Wahrheitsbehörde“ aus. Die Verantwortung sieht er in erster Linie und zunächst bei den sozialen Netzwerken, bei Facebook.

„Man darf Unternehmen nicht aus der Verantwortung nehmen“, stimmte Markus Knall zu. Es sei aber auch nicht Aufgabe des Staates, Inhalte zu kontrollieren. Die große neue Herausforderung laut Jun liege in der Professionalisierung von Fake News. Deren Produzenten wüssten sehr genau, wie sie viele Likes bekommen, wie sie einfach formulieren, wie sie Falschmeldungen viral verbreiten.

Mit der Veröffentlichung fängt die Arbeit erst an
Deutlich wurde in der Diskussionsrunde auch, dass sich die Arbeit des Journalisten verändert hat: Bei mancher Sendung werde die Redaktion „Kultur Berlin“ mit einer Welle an Hasskommentaren inklusive strafrechtlich relevanten Aussagen überflutet, berichtete Daniel Fiedler. Teilweise sei dann die Nachbereitung intensiver als die Vorbereitung.

Oder mit Markus Knalls Worten: Eine Geschichte sei nicht fertig, wenn sie geschrieben ist, mit der Online-Veröffentlichung fange die Arbeit erst an. Und es tauge nicht, analoges Arbeiten in eine digitale Welt zu transportieren. Nach einer Falschmeldung bringe es nichts, eine neue Meldung mit Richtigstellung zu schreiben, während die alte Meldung mehr und mehr Likes erhalte. Man müsse an letzterer weiterschreiben.

Hilfreich für den Journalisten können dabei laut Stefan Primbs auch Tools sein, die eigentlich fürs Marketing gedacht sind, etwa um sich verbreitende Falschmeldungen rasch zu erkennen. Und oft ließen sich Fake News durch journalistisches Handwerk schnell entlarven, ergänzte Markus Knall – etwa, indem man einem Link immer bis zur Ursprungsquelle folge.

„Qualität ist das einzige, was sich durchsetzt“
Stefan Primbs sprach als eine Ursache dessen, was in Amerika passiert sei, „die Filterblase, in der wir selber stecken“ an. Journalisten würden auf die großen, etablierten Medien schauen und deren Themen aufgreifen – und nicht auf jene 25 Prozent achten, die sich über alternative Medien informieren.

Daniel Fiedler nimmt die Trump-Wahl als Weckruf für den Journalismus wahr. Jetzt werde bei großen amerikanischen Zeitungen in Qualität, in Journalisten investiert – „und, hoppla, die Auflagen steigen wieder“. Das sei ermutigend, sagte Fiedler, sein Fazit: „Qualität ist das einzige, was sich durchsetzt.“

Michaela Schneider

Vor der Podiumsdiskussion verlieh der BJV die Preise für seinen dritten Wettbewerb zum Tag der Pressefreiheit: „BJV zeichnet Münchner Journalistenkollektiv aus“.

Schlagworte:

Pressefreiheit

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