Michael Busch bei der Eröffnung der Ausstellung Pressefoto Bayern 2014 am Münchner Flughafen
Foto: Jim Albright

Pressefoto Bayern 2015

„Ein sehr gutes Pressefoto braucht keinen Text mehr“

Michael Busch spricht darüber, was den BJV-Wettbewerb von anderen unterscheidet

München, 30.09.2015

Pressefoto Bayern – braucht es diesen Wettbewerb überhaupt? Was bringt er freien und festen Fotografen? Was macht ein gutes Pressefoto wirklich aus? Oder: Hätten Sie das Bild des Flüchtlingsjungen Aylan veröffentlicht? Fragen, die wir einigen Mitgliedern der Jury stellten, die am 12. Oktober 2015 darüber entscheiden wird, welche Pressebilder die besten des Jahres in Bayern sind. Die Sieger werden mit Preisen im Wert von insgesamt 11.500 Euro ausgezeichnet.

Einsendeschluss ist am 6. Oktober 2015, alle Informationen zum Pressefoto Bayern 2015 und die Siegerbilder der Vorjahre finden Sie hier.

Was macht ein gutes Pressefoto aus?

Ein gutes Pressefoto macht Lust auf die Geschichte, die das Bild rahmt. Ich will lesen, was passiert ist, weil ich mit dem Bild in die Nachricht, in die Geschichte gezogen werde. Es gibt aber noch das sehr gute Pressefoto. Das erzählt bereits die Nachricht, die Geschichte und braucht im Grunde keinen Text mehr.

Es gibt viele Wettbewerbe, warum dieser in Bayern?

Viele Wettbewerbe honorieren Fotos von allen Einsendern. Ob hauptberuflicher Bildjournalist oder Hobby-Knipser, es gibt keine Unterschiede. Und dann gibt es noch die Wettbewerbsausrichter, die lediglich über die Ausschreibung billig an Fotos kommen wollen, um diese dann kommerziell weiterzuverwenden, ohne den Fotograf daran teilhaben zu lassen.

Diese Gründe gibt es für Pressefoto Bayern nicht. Der BJV möchte mit diesem – mittlerweile in verschiedenen Kategorien – hochdotierten Wettbewerb auf die Arbeit der Bildjournalisten aufmerksam machen. Viele Verlage verzichten leider auf diese professionellen Mitarbeiter und bevorzugen Leserfotografen, Vereinsknipser oder den schreibenden Redakteur, der ohne Mehrzuwendung so nebenbei die Fotos machen soll.

Wir wollen mit dem Wettbewerb und letztlich der Ausstellung demonstrieren, dass es massive Unterschiede gibt. Hauptberufliche Fotografen haben ab und zu mal ein schlechteres Bild bei ihren Aufnahmen, die Hobbyfotografen haben mal den Glücksknipser. Uns geht es auch darum die Beständigkeit der Könner zu dokumentieren.

Dass wir den Wettbewerb mit Bayern verknüpfen, liegt natürlich auf der Hand. Wir sind als BJV ebenso wie unsere Kolleginnen und Kollegen hier verortet. Das ist aber nur ein Grund, es gibt noch eine weitere Betrachtungsweise. Wenn wir allein hier in Bayern so hervorragende Fotografen haben, wieviele gibt es dann im Rest der Republik? Wir müssen auf diese Berufsgruppe viel öfter schauen, sie sind überall für den Journalismus ein Qualitätssiegel und nicht wegzudenken.

Hätten Sie das Bild des Flüchtlingsjungen Aylan veröffentlicht?

Gegenfrage: Was macht denn ein Nachrichtenfoto aus? Richtig: Es sollte die Wirklichkeit abbilden. Klar gibt es ethische Regeln, die im Pressekodex niedergeschrieben sind. Daran müssen sich auch Bilder messen lassen. Die Abbildung des toten Flüchtlingskindes ist sicher nah an ethischen Grenzen und das muss auch diskutiert werden.

Ich selber bin der Überzeugung, dass in der medienüberfluteten Welt, diesem bunten Wirrwarr dieses Foto zu veröffentlichen war. Es war die ungeschminkte Wahrheit. Dem unausgesprochenen Vorwurf, den dieses Bild beinhaltet, kann keiner entfliehen. Es ist für mich einzureihen in andere Bilder, die die Welt bewegten. Das Foto von dem nackten Mädchen, das aus einer Napalm-Wolke flieht, ist so ein Bild. Der vietnamesisch-amerikanische Fotograf Nick Út machte die berühmte Aufnahme.

Richard Drew schoss ebenso ein solches Foto: Der aus dem Gebäude stürzende Mensch nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Solche Bilder bewegen die Welt. Und dazu gehört auch das Bild von Aylan.

Wie empfanden Sie die Debatte? Haben wir etwas gelernt?

Ich war da sehr gespalten. In einer spontanen Reaktion habe ich kurz nach dem Beginn der ethischen Diskussionen über das Bild gesagt, dass diejenigen, die darüber diskutieren „nichts, aber gar nichts begriffen haben“. Mir ist es unbegreiflich, dass ein Teil der Medienwelt darüber diskutiert hat, ob das Bild veröffentlich werden dürfe, statt über die Tragik hinter dem Bild zu reden, zu schreiben, zu informieren. Mir kam es wie ein Rückzug auf ein Feld vor, auf dem wir Medienmenschen sicher sind. Nicht das Problem angehen, sondern ein eigenes Problem schaffen.

Aus meiner Sicht liegt das auch an dem unglücklichen und immer wieder gern zitierten Satz von Hanns Joachim Friedrichs: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Dieser Satz steht wie ein Gebot über dem Handeln eines „anständigen“ Journalisten. Eine Nebenbemerkung: Friedrichs‘ Zitat ist aus dem Kontext gesprochen, er sprach nämlich über die Rolle des Moderators, nicht die des Journalisten – das aber nur nebenbei.

Das fatale ist, dass dieser scheinbar dogmatische Satz genommen wird, um das eigene journalistische Handeln zu begründen. Wir müssen als Journalisten viel öfter mit einer Sache gemein machen. Nämlich dann, wenn es gegen die Menschlichkeit geht, wenn grundsätzliche Dinge in der Welt schief laufen.

Wenn Kinder an Stränden „verrecken“, müssen wir gemeinsam die Werte einer freien Welt vertreten. Das können wir aber nicht, wenn wir über die Ethik des Bildes an sich sprechen und uns nicht trauen die Vorgänge hinter dem Bild zu hinterfragen, aufzuzeigen, zu kritisieren.

Maria Goblirsch

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