Künftig ein "Boulevard-Heimatblatt" 
Foto: Eberhard Wolf

Pressemitteilung

AZ-Verkauf: Konservativer Einheitsbrei statt frechem Boulevard?

Gläubigerinteressen werden befriedigt, Mitarbeiter stehen im Regen

München, 18.06.2014

Hat ein „Boulevard-Heimatblatt“ mit konservativer Ausrichtung in München eine Zukunft? Der Straubinger Verleger Martin Balle und der Münchner Anwalt Dietrich von Boetticher übernehmen vom 1. Juli 2014 an die Münchner Abendzeitung und wollen sie sowohl als Print- und Online-Ausgabe fortführen. Am Dienstag stimmte der Gläubigerausschuss des insolventen Blattes für den Verkauf.

Nur jeder vierte der rund 100 Mitarbeiter soll laut einer Pressemitteilung des Medienunternehmens ein Angebot für eine weitere Mitarbeit erhalten. Das schließe nicht aus, dass später, wenn es gut laufe, mehr Mitarbeitern ein solches Angebot bekämen, heißt es dort. Die meisten der bisherigen Mitarbeiter wechseln zum 30. Juni in eine Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft. Die Verträge mussten die Mitarbeiter bis zum 30. Mai unterzeichnen.

Die neue Abendzeitung soll künftig Teile des Mantels, also die Berichterstattung aus Politik, Wirtschaft und Bayern von Balles Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung aus Straubing zugeliefert bekommen, wo auch gedruckt werden wird. In München soll es nur noch eine Lokalredaktion, ein Feuilleton und möglicherweise eine Sportredaktion geben. Auch in der Verwaltung kann Verleger Balle eigene Ressourcen nutzen.‘

BJV: Gläubigerinteressen werden befriedigt, die Mitarbeiter stehen im Regen.
Mit der „Rettung“ der Münchner Abendzeitung würden „eigene wirtschaftliche Interessen Balles und die der Gläubiger befriedigt. Diese Rettung wird ausschließlich auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen. Die über 100 Beschäftigten lässt man im Regen stehen“, kritisiert BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller den Verkauf und das Vorgehen des Insolvenzverwalters.

„Der Insolvenzverwalter hat die Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft gedrängt. Nun können wenige Mitarbeiter zu günstigen Bedingungen und ohne Rücksicht auf Kündigungsschutz oder soziale Belange eingestellt werden. Die übrigen stehen vor dem Nichts“, sagt die Rechtsanwältin.

Tariflöhne spielten in den niederbayerischen Zeitungen des Verlegers Martin Balle keine Rolle, die dortigen Arbeitsbedingungen in den Redaktionen seien vom BJV mehrfach kritisiert worden.

Die BJV-Geschäftsführerin fordert die neuen Eigentümer der Münchner Abendzeitung auf, ihrer Ankündigung, bei guter wirtschaftlicher Entwicklung weiteren Mitarbeitern ein Beschäftigungs-Angebot zu machen, bald auch Taten folgen zu lassen. „Die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in die Transfergesellschaft gewechselt sind, können nicht Monate im Ungewissen bleiben und auf diese neue Chance warten. Das ist nicht fair.“

Konservativer Einheitsbrei statt frechem Boulevard?
Wenn der Mantel aus dem konservativen Straubinger Tagblatt übernommen und wie angekündigt ein neues „Boulevard-Heimatblatt“ mit Familien als Zielgruppe geschaffen werde, gehe damit ein weiteres Stück traditioneller Münchner Zeitungsvielfalt verloren, kritisiert der BJV-Vorsitzende Michael Busch.

Die Abendzeitung bleibe zwar dem Titel nach erhalten, werde sich aber vom Inhalt her komplett verändern. „Nun droht dem Leser als Kost konservativer Einheitsbrei anstelle von frechem und links-liberalen Boulevard-Journalismus“, fürchtet Busch. Das Konzept der neuen Münchner Abendzeitung aus Straubing sei bisher alles andere als schlüssig. Der BJV werde die „Rettung“ der Abendzeitung und vor allem die Arbeitsbedingungen der verbleibenden Mitarbeiter in den kommenden Wochen kritisch beobachten.

Ständig aktualisierter Pressespiegel zur Abendzeitung

Ist die AZ gerettet worden oder findet ein Begräbnis statt? – Alle relevanten Artikel zur AZ-Insolvenz finden Sie auf der BJV-Homepage.

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