Ausgabe 4 / 2016
Streiken nur um mehr Geld?
Wie weit ein Warnstreik gehen darf, warum es sich lohnt, auf die Straße zu gehen, und was für andere Kollegen gegen den Ausstand spricht
Es soll Verlage in Bayern geben wo die Belegschaften noch ziemlich geschlossen zum Streik antreten. Zum Beispiel in Aschaffenburg beim Main Echo und bei der Augsburger Allgemeinen. Wie machen die das aus gewerkschaftlicher Perspektive? Und wie kommt das auf der anderen Seite an, zumal ja die „Guten", die tariftreuen Verlage bestreikt werden?
Martin Schwarzkopf, Chefredakteur des Main Echos, gibt eine eindeutige Antwort. „Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass die Verlage, die versuchen, sich tarifpolitisch anständig zu verhalten, über die Maßen abgestraft werden", sagt er im Rückblick auf den jüngsten Zeitungsstreik. Das sei für ihn einfach nicht nachvollziehbar. So verstimmt war Schwarzkopf über die Strategie der Journalisten-Gewerkschaften, dass er nach fast zwanzig Jahren Mitgliedschaft aus dem DJV ausgetreten ist. „Weil ich nicht einverstanden bin mit der Entscheidung, ausgerechnet unser Haus als allererstes in Bayern zu bestreiken."
„Ich bin keinem Kollegen böse, dass er streikt"
Das individuelle Streikrecht will der enttäuschte Chefredakteur gar nicht in Zweifel ziehen. „Ich bin keinem Kollegen böse, dass er streikt." Das sei sein gutes Recht in Tarifauseinandersetzungen. Redakteure sollten allerdings auch die Auswirkungen eines Streiks bedenken. „In den lokalen Räumen ist die Konkurrenzsituation eine ganz andere geworden." Hier buhlten auch zeitungsferne Anbieter um die Gunst des Lesers, neben den Anzeigenblättern etwa Städte und Gemeinden mit eigenen Postillen oder örtliche Vereine mit ausführlichen Internetauftritten. Ein einseitig auf die Zeitungsverlage ausgerichteter Tarifkonflikt sei schlicht „aus der Zeit gefallen", findet Martin Schwarzkopf.
Sibylle Haas, die Vorsitzende des Betriebsrats bei der Süddeutschen Zeitung, hält dagegen. Streiken sei sehr wohl noch angebracht. „Welches Mittel haben die Gewerkschaften sonst, ihre Forderungen durchzusetzen, wenn eine Einigung auf dem Verhandlungsweg andernfalls nicht herbeizuführen ist?", fragt sie. Klar weiß Sibylle Haas, dass ein Streik wirtschaftlich wehtun kann. „Jeder Streik hat Auswirkungen auf das Unternehmen und sollte sie auch haben. Ein Streik, der nicht spürbar ist, hat keinen Zweck."
Bei der SZ habe man es vor allem den deutlich dünneren Regionalteilen angesehen, dass die Redakteure in den Ausstand getreten waren.
Bereitschaft zum Streiken war bei der führenden Münchner Tageszeitung durchaus vorhanden, wenn man auch dem Aufruf in einzelnen Ressorts unterschiedlich nachkam. „Man musste den Kollegen schon erklären, warum sie streiken sollten, weil es doch ,nur ums Geld ging", berichtet Sibylle Haas. Es fiel ihr nicht schwer, überzeugende Argumente zu finden. Es ging schließlich auch um die Einstiegsgehälter der jungen Kollegen, die in der Vergangenheit im Tarifgefüge immer wieder Einbußen hinnehmen mussten. Und auf weitere Sicht darum, dass der Beruf attraktiv bleibt „und wir auch in Zukunft gute Leute für den Journalismus finden".
weiterlesen im BJV Report 4 / 2016 Seite 14 [1]
von Alois Knoller
Download:
BJV Report 4 / 2016 [2] (pdf, 18MB)