Ausgabe 4 / 2014
Nur noch Fassade?
Die bedrohte Zukunft der Lokalredaktion
Der Lokalteil ist das Herzstück der meisten Tageszeitungen. Doch nicht mehr jede Lokalredaktion schreibt und redigiert die Artikel selbst. Oberfranken ist zum Experimentierfeld in Bayern geworden, wie sich mit Kooperationsmodellen zwischen den Zeitungsverlagen Geld sparen lässt. Es gibt aber auch andere Modelle, qualitätsvollen Lokaljournalismus zu finanzieren.
Die meisten Zeitungsverlage in Bayern, und auch im übrigen Bundesgebiet, machen ordentlich Gewinn. Die Renditen liegen nach Schätzungen von Experten im Schnitt bei sechs bis acht Prozent. Belastbare Zahlen gibt es kaum, sie müssen nicht veröffentlicht werden und freiwillig tun dies die Verlage auch nicht. Aber sie klagen über weniger Auflage, weniger Anzeigen, weniger Gewinn. Alles drei richtig. Noch vor zehn Jahren lagen die Renditen oft im zweistelligen Bereich. Heute ist Journalismus angeblich kein Geschäftsmodell mehr. Aber Manager sind erfinderisch. Wo drastischer Personalabbau nicht die gewünschten Margen bringt, betreiben sie ihr neues selbstmörderisches Hobby: Kooperation.
Was so harmlos klingt, rief Kopfschütteln bei Journalistinnen und Journalisten hervor, als erstmals 2013 dunkle Kunde davon aus Nordrhein-Westfalen zu vernehmen war. Die Westfälische Rundschau (Dortmund) schloss die Haupt- und sämtliche Lokalredaktionen. Dennoch kann man ein Produkt namens Westfälische Rundschau weiterhin kaufen. Aber der Mantel kommt von der Konkurrenz Westdeutsche Allgemeine Zeitung, die Lokalteile von anderen Konkurrenten, etwa der Westfalenpost. Einen „Zombie" nennt der Deutsche Journalisten-Verband eine solche Zeitung. Das Selbstmörderische daran: Schon nach wenigen Monaten wurden zwei Ausgaben an einen der Kooperationspartner verkauft und zwei Ausgaben eingestellt. Ein anderer ExKonkurrent, die Ruhr-Nachrichten, zog sein Kaufangebot im Juli zurück, weil das Kartellamt angekündigt hatte, den Erwerb zu untersagen. Zwei Ausgaben der Rundschau wurden eingestellt. Andere Ex-Konkurrenten wollen dies auch tun, das Kartellamt muss darüber entscheiden, zwei Ausgaben der Rundschau wurden eingestellt.
Der Spuk könnte zur Methode werden. Experimentierfeld in Bayern ist vor allem Oberfranken. So beschloss kürzlich die Neue Presse Coburg, für ihre Ausgaben Ebern und Lichtenfels die Lokalteile von der Konkurrenz Fränkischer Tag in Bamberg einzukaufen. Das Material für den Mantel bezieht die Neue Presse seit mehreren Jahren von der Südwestdeutschen Medienholding in Stuttgart, der auch der Süddeutsche Verlag in München gehört und der wiederum die Gruppe Hof-Coburg-Suhl besitzt, zu der die Neue Presse Coburg gehört.
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Von Michael Anger
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