< PreviousBJVreport 3/2019 10 Titel schaft oder Aufsichtsbehörden wenden dürfen – und im nächsten Schritt gegebenenfalls an die Öffentlichkeit. Die Politologin und Vorsitzende des „Whistleblowing Netzwerk e.V.“ Annegret Falter sieht in dieser Neuerung einen im- mensen Gewinn: „Es ist ein großer Fortschritt für die De- mokratie, dass dieser exklusive Erstzugriff auf Information den Arbeitgebern entzogen wird. Genau dagegen sind sie immer Sturm gelaufen.“ Nationale Sicherheit bleibt ausgeklammert Allerdings hat die EU-Richtlinie durchaus Haken – etwa, dass sie in dieser Form nur Schutz bei der Meldung von Verstößen innerhalb der EU bietet. Und: Der Bereich der nationalen Sicherheit ist komplett ausgeklammert. Ei- nem Whistleblower wie dem ehemaligen US-Geheim- dienstmitarbeiter Edward Snowden hätte sie – selbst auf europäischem Boden – keinen Schutz geboten. Zudem dürften auch nach Umsetzung der EU-Richtli- nie in nationales Recht Grauzonen bestehen bleiben – und das beginnt bei der Frage: Was genau ist ein Whist- leblower? „Ein Whistleblower deckt einen erheblichen Missstand, eine Straftat oder eine Gefahr in seinem Ar- beitsumfeld auf“, lautet Annegret Falters Definition. Heißt auch: Journalisten sind keine Whistleblower. Wird Wiki- leaks-Gründer Julian Assange als Whistleblower bezeich- net und nicht als Journalist, kann dahinter durchaus poli- tisches Kalkül stehen, denn Journalisten sind gesetzlich wesentlich besser geschützt als Whistleblower. Neu ist laut Falter bei der Definition des Whistleblowings, dass die Meldung im öffentlichen Interesse liegen muss. „Auf die Begriffsauslegung sollten wir sehr genau schauen“, sagt sie und schließt nicht aus, dass sich juristische Schlupflöcher für Unternehmen und Behörden auftun könnten. Heikel kann Whistleblowing nicht nur für die Infor- manten, sondern auch für Redaktionen sein. Nicolas Rich- ter, Ressortleiter für Investigative Recherche bei der Süd- deutschen Zeitung, verweist auf Paragraf 202a im Strafgesetzbuch. Demnach wird das Ausspähen von Daten mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Und strafbar macht sich in dem Zusammenhang auch, wer einen anderen zur Straftat anstiftet. Konkret heißt das: Eine Redaktion darf Daten entgegennehmen, aber nicht auffordern, diese zu beschaffen. Oder mit Rich- ters Worten: „Wir können als Journalisten die Hand aufhal- ten. Wir dürfen aber nicht selber mit der Hand nach Daten greifen oder jemanden in deren Richtung schubsen.“ Dass sich Redaktionen hieran strikt halten, hält er auch ethisch für wichtig: „Wir wollen nicht und müssen verhindern, dass Journalismus in ein kriminelles Milieu abdriftet.“ Um Whistleblowern eine sichere Kontaktaufnahme mit der Redaktion zu ermöglichen, hat die SZ vor kurzem mit „Securedrop“ einen speziellen digitalen Briefkasten einge- führt und ihre „Tipps zur Kontaktaufnahme“ auf der Web- site übersichtlicher gestaltet ( bjvlink.de/implantfiles ). Neu sind hier auch die Fotos der zuständigen Journalisten. „Das schafft Vertrauen und baut die Angst vor dem großen ano- nymen Medienhaus ab“, sagt Richter. Gleichzeitig hält er Offenheit für sehr wichtig: „Wir sind verpflichtet, ehrlich über mögliche Konsequenzen aufzuklären.“ Auch beim Bayerischen Rundfunk arbeitet man aktuell an einem noch besseren Whistleblowerschutz ( siehe Interview mit Verena Nierle auf Seite 12). Von ungefähr kommt dies nicht. „Journalisten wird es immer schwerer gemacht, Whist- leblowern eine geschützte Kontaktaufnahme zu ermögli- chen“, sagt Politologin Falter – und verweist auf das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, die Abschaffung der anony- men SIM-Card wie auch auf den Datenhehlerei-Paragraf 202d im Strafgesetzbuch. Zu den Hintergründen: Das Gesetz für die Vorratsdatenspeicherung besagt, dass Anbieter von Kommunikationsdiensten Daten, die durch Internet und Te- lekommunikation entstehen, sowie Standortdaten über einen bestimmten Zeitraum speichern müssen. Allerdings hatten Gerichte entschieden, dass die Vorratsdatenspeicherung ge- gen Europarecht verstößt. In Deutschland wird die Methode derzeit nicht angewendet. In Sachen Prepaid-SIM hatte der Gesetzgeber deren Abgabe-Richtlinien Mitte 2017 verschärft. Wer seither eine SIM-Karte auf Guthabenbasis kauft, muss sich beim Kauf per Personalausweis, Video-Ident oder Post- Ident ausweisen. Der neue Straftatbestand der „Datenhehlerei“ ist seit Dezember 2015 in Kraft. Wörtlich heißt es hier: „Wer Da- ten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Die „Gesellschaft für Freiheitsrech- te e.V.“ (GFF) bezeichnet den Paragrafen gern auch als „Anti-Whistleblowing-Gesetz“. Beschwerde bei Bundesverfassungsgericht Ende 2016 hat die GFF dagegen Beschwerde beim Bun- desverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht – auch mit folgender Begründung: „Indem sie den Umgang mit Mate- rialien von Whistleblowern im Grundsatz unter Strafe stellt, greift die neue Strafvorschrift unverhältnismäßig in die von Artikel 5 Grundgesetz geschützte Freiheit der jour- nalistischen Recherche ein. Investigative Journalisten und Blogger werden durch dieses Gesetz kriminalisiert, nur weil sie ihren Job machen, mit Leaks arbeiten und dadurch Machtmissbrauch oder Angriffe auf die Bürgerrechte zuta- ge bringen.“ Ein Urteil zur Verfassungsbeschwerde steht laut GFF noch aus. „Missstände müssen an die Öffentlichkeit kommen. Aber bevor jemand aktiv wird, sollte er sich immer erst sachkundig beraten lassen“, empfiehlt Jurist Hopmann. Um das Thema „Whistleblowing“ ging es auch bei der BJV-Podi- umsdiskussion „Wer andere verpfeift, ist dran“: bjvlink.de/risikoBJVreport 3/2019 11 Titel Nicolas Richter (links) beim Bayerischen Journalistentag im Gespräch mit dem DJV-Vorsitzenden Frank Überall. Foto: Stefan Gregor Ein Scoop des investigativen Journalismus SZ -Ressortleiter Nicolas Richter ist „ein bisschen stolz“ darauf, das Strache-Video publiziert zu haben Von Alois Knoller Z weifelsohne: Der Süd- deutschen Zeitung ist mit der Veröffentlichung des Strache-Videos ein Scoop gelungen. Es zeigt den FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und seinen Fraktionschef Jo- hann Gudenus bei einem Treffen mit der angeblichen Nichte eines russi- schen Oligarchen. Sie stellt in Aussicht, die einflussreiche österreichische Kro- nen Zeitung aufzukaufen und auf FPÖ-Linie zu bringen, erwartet aller- dings Gegenleistungen der Politiker. Was der Vizekanzler nun von sich gibt, hat in Österreich ein politisches Erdbe- ben ausgelöst, das direkt in eine Regie- rungskrise führte. Es ist Nicolas Richter, dem SZ -Ressortleiter für Investiga- tive Recherche, auf dem Bayerischen Journalistentag anzu- merken, dass er „ein bisschen stolz“ auf diese Enthüllung ist. „Was hier durch Gestus und Haltung vom Vizekanzler eines EU-Mitglieds ausgedrückt wird, ist von höchstem Interesse für Österreich und Europa“, sagt Richter im Podiumsge- spräch mit DJV-Vorsitzenden Frank Überall. Kriminelles Verhal- ten stehe hier im Raum und „ein Angriff auf die Demokratie“. Und ja: Man sei überrascht gewesen, wie schnell in Wien reagiert wurde. „Daran merkten wir, dass etwas ex- trem Wichtiges geschehen ist.“ Natürlich weiß der Chef der In- vestigativ-Abteilung um die Risiken einer solchen Veröffentlichung. Es ist ein illegaler Mitschnitt und Strache wurde eine Falle ge- stellt. Darum sei das Material in der Woche vor der Veröf- fentlichung erst sorgfältig auf Echtheit geprüft worden. Ist womöglich Straches Kopf nur einmontiert worden? „Von Experten für Österreich haben wir alles bewerten lassen“, er- klärt Richter. Die Redaktion habe sodann Strache selbst mit dem Video konfrontiert und ihm in aller Fairness die Mög- lichkeit gegeben, sich dazu zu äußern. Seine Antwort: Man sei halt ein bisschen betrunken gewesen bei dem Gespräch. Das Video selbst habe Strache „im Wesentlichen bestätigt“. Nun stand noch im Raum, ob das Material journalistisch relevant für die Öffentlichkeit sei? Immerhin: „Es gibt Leute, die sich an jemandem rächen wollen. Oder die aus Neid han- deln. Damit müssen wir leben“, weiß Richter. Selbst dass das fatale Strache-Video aus einem dubiosen Umfeld kam – die SZ empfing es in bester Agentenmanier konspirativ in einem verlassenen Gebäude –, konnte die Redaktion schließlich nicht davon abhalten („das kann nicht erstes Kriterium sein“), es öffentlich zu machen. „Denn käme eines Tages heraus, wir hätten das Material einer mündigen Öffentlichkeit vorenthal- ten, würde man uns dies zu Recht vorwerfen“, meint Richter. Insofern würde der Ressortleiter diesen Scoop nicht nur als PR für Redaktion und Verlag einstufen. Auch wenn gerade dieser Vorfall gezeigt habe, wie wichtig investigativer Journalismus ist. „Die Enthüllung wäre nicht möglich gewesen, wenn uns der Verlag nicht das Personal zu Verfügung stellte.“ Bei der SZ fiel schon vor zehn Jahren die Entscheidung, die Investi- gative Recherche aufzubauen. Freilich: Derlei brisante Ent- hüllungen beeindrucken die Betroffenen nicht unbedingt. Die rechtspopulistische FPÖ sei offenbar der Meinung, sie könnte eine solche Aufregung aussitzen. Richter: „Es gibt in diesen Kreisen eine Art Nibelungentreue.“ „Die Enthüllung wäre nicht möglich gewesen, wenn uns der Verlag nicht das Personal zur Verfügung stellte.“ Nicolas Richter, SZ -Ressortleiter für Investigative RechercheBJVreport 3/2019 12 Titel „Es schreibt nicht jeden Tag John Doe“ BR -Redaktionsleiterin Verena Nierle über den komplizierten Umgang mit anonymen Hinweisgebern Von Senta Krasser F rau Nierle, wie viele Ge- schichten Ihrer Redaktion wären nie ans Tageslicht gekommen ohne den Hin- weis eines Whistleblowers? Verena Nierle: Es kommt vor, dass ein Whistleblower, der Informa- tionen oder Daten leakt, am Anfang einer Recherche steht. Häufiger sind Informanten, die Hinweise geben, hier oder dort genauer hinzuschau- en. Darüber hinaus haben wir noch andere Methoden, um gründlich und systematisch zu recherchieren. Im Fall unserer Recherche zum „Steuer- paradies Madeira“ zum Beispiel ha- ben wir öffentlich zugängliche Daten ausgewertet oder zuletzt bei „Black- box Schufa“ mit von Verbrauchern eingereichten Schufa-Auskünften ge- arbeitet – ganz ohne Zutun eines ge- heimen Hinweisgebers. Zum ande- ren muss man ehrlicherweise auch sagen: Es schreibt nicht jeden Tag John Doe. Nicht alle Hinweise sind belastbar? Die Süddeutsche Zeitung hat mit ihrem Whistleblower John Doe einen Volltreffer gelandet. Wenn eine Mail kommt „Interested in data?“ ist es erstens nicht selbstverständlich, dass der Reporter antwortet, und zweitens, dass so eine Rie- sennummer wie die Panama Papers dabei herauskommt. Uns schreiben auch Leute, die der Meinung sind, sie hätten den großen Scoop. Aber wenn man Nachfragen stellt, fällt die Sache in sich zusammen, hält sie journalistischen Krite- rien schlicht nicht stand. Es ist also mitunter mühsam, Hin- weise zu sortieren und zu prüfen. Es liegt nicht nur Glanz und Gloria in der Arbeit mit Whistleblowern. Wie schützen Sie Ihre Informanten? Das variiert von Fall zu Fall und ist immer das Ergebnis einer Risikoabwägung. Bevor wir uns überhaupt mit einem Hinweisgeber intensiver austauschen, stellen wir uns drei Fragen. Die erste: Wie groß ist der Kreis der Eingeweihten? Bringen wir den Informanten in Gefahr, wenn sich etwa he- rausstellt, dass außer ihm nur noch der Vorgesetzte Bescheid weiß und die Spur zu ihm damit leicht rückverfolgbar ist? Zweitens: Welche Konsequenzen dro- hen dem Whistleblower, sollte er ent- tarnt werden? Geht es da um gesell- schaftliche Ächtung? Verliert er den Job oder kommt er vor Gericht? Oder muss er sogar um Leib und Leben fürchten? Unsere dritte Frage: Wie mächtig ist eigentlich das Gegenüber? Warum ist letztere Frage so wichtig? Es macht einen Unterschied, ob ein Insider einen kleinen Mittelständler oder einen Riesenkonzern verpfeift. Ein Bauernhof oder ein Schlachthof wird vermutlich nicht das ganz große Besteck der Verfolgung zur Verfügung haben. Konzerne beschäftigen schon mal Detekteien, um herauszukriegen, wer es war. Und sind Geheimdienste im Spiel, dann haben wir es noch mit ganz anderen Methoden zu tun. Kam es schon mal zum Kontaktabbruch nach Abwägung aller Risiken? Ja, bei einer Recherche zu betrügerischen Pflegediens- ten. Das Thema war schon da, weil uns ein vertrauliches BKA-Papier zugespielt worden war. Auf der Suche nach Gesichtern zur Geschichte fanden wir Pfleger, die bereit waren, uns zu erzählen, wie der Betrug abläuft, wie die doppelte Buchführung aussieht. Sie hatten sogar Belege da- bei. Doch dann stellte sich heraus, dass außer ihnen nur noch der Chef das betrügerische System kannte. Diesen Fall haben wir nicht öffentlich gemacht, denn wie hätten wir unsere Informanten schützen können? Unmöglich. Zum Glück konnten wir diese relevante Recherche über Betrug in der ambulanten Pflege später anhand anderer Beispiele veröffentlichen. Wie wichtig ist, dass die Geschichte auch fürs Fernsehen um- setzbar ist? Im Mittelpunkt steht die Recherche. Erst im zweiten Schritt entscheiden wir, für welchen Ausspielweg wir sie auf- bereiten. Fernsehen ist – trotz Möglichkeiten der Anonymi- sierung – oft eine besondere Hürde für Informanten. Aber der BR hat ja noch zahlreiche andere Ausspielwege und For- mate zur Verfügung, im Hörfunk, Online, als Podcast. Verena Nierle leitet seit vorigem November die neu geschaffene Großredaktion „ BR Recherche“. Zur Kontaktaufnahme siehe bjvlink.de/ br-kontakt . Foto: Lisa Hinder / BRBJVreport 3/2019 13 Titel Was ist der ideale Weg, um Informationen an den BR zu geben? Es gilt: niemals brisantes Material per Email vom Dienstcomputer und dazu unverschlüsselt auf eine BR-Ad- resse schicken. Wir empfehlen immer die Kommunikation über sichere Messenger wie Signal oder Threema. Ab Herbst stellen wir zusätzlich einen digitalen Briefkasten zur Verfügung, in den man anonym Dokumente legen kann. Der sicherste Weg ist aber immer noch das persönliche, analoge Treffen. In der Tiefgarage, so wie „Die Unbestechlichen“ Woodward und Bernstein? (lacht) Sie schauen zu viele Filme. Unsere Arbeit verläuft viel langweiliger als in Hollywood. Aber ja, neben der Tief- garage kann es auch das belebte Oma-Eis-Café oder das ge- mietete Hotelzimmer in der Großstadt sein. Je nachdem. Wichtig ist: Es reicht uns nie diese eine Erzählung. Wir brau- chen Belege, weitere Aussagen. Eine Veröffentlichung, die wir immer auch mit unseren Juristen abstimmen, wird sich niemals nur auf einen Whistleblower und nur auf ein Treffen mit ihm stützen. Was, wenn der Whistleblower Geld verlangt? Darüber wird bei uns nicht diskutiert: Wir bezahlen nicht für Information! Das ist einer unserer zehn Grundsätze, die wir auf unserer Website veröffentlicht haben. Oft legt ein Whistleblower schon Spuren, bevor er überhaupt an eine Redaktion herangetreten ist, indem er zum Beispiel nach dem Reporter googelt. Wie gehen Sie mit diesem Risiko um? In so einem Fall müssen wir ehrlich sein: Hundertpro- zentiger Schutz ist sehr, sehr schwierig. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, aber in der digitalen Welt hinterlassen wir nun mal alle permanent Spuren. Das Handy beim Tref- fen in der Tasche, Überwachungskameras auf der Straße, das alles kann Hinweisgeber enttarnen. Deshalb klären wir In- formanten auf, sprechen offen mit ihnen über die Risiken. Am Ende ist auch der Whistleblower für sich und sein Tun verantwortlich. Im BJVreport 01/2019 „Sprache auf der Schlachtbank“ hatte sich das Redaktionsteam in der Titelstrecke mit der Wirkung von Worten auseinandergesetzt. Auf den Seiten 14 und 15 ging es im Artikel „Gendern bedeutet harte Arbeit für alle“ um geschlechtergerechtes Formulieren in den Medien. Generell möchte ich anmerken, dass wir im Deutschen eine neue geschlechterspezifische Schreibweise überhaupt nicht nötig haben. Das Deutsche hat nach meinem Kenntnisstand mehr weibliche als männliche Substantive. Für viele Be- zeichnungen gibt es im Deutschen eigene Wörter für das Geschlecht. Beispielsweise bei Tieren; das Rind, die Kuh der Stier, das Kalb – und selbst der Ochse hat ein eigens Wort. Wir haben im Gegensatz zu den meisten anderen Sprachen geschlechterspezifische Artikel. Nach meiner Überzeugung wird hier einfach eine Mode aus dem anglophonen Raum nachgeäfft, weil es dort eben nur „the teacher“ gibt, während wir uns die Lehrerin und den Lehrer leisten können. Besonders harte Verfechter der ge- schlechterspezifischen Schreibweise diffamieren ja sogar die Endung -in als Diminutiv (siehe die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch), obwohl die weibliche Form durch die Endung mehr Buchstaben hat als die männliche Form. Viele Wörter sind der Vergessenheit anheimgefallen oder haben eine Bedeutungsumkehr erlitten. So ist heute beispielsweise „das Weib“ abwertend, während „die Frau“ als höflich gilt. Dabei hieß es vor gar nicht allzu langer Zeit aufwertend „holdes Weib“, aber abwertend „geh weg, Frau“. Oft sind im Deutschen nur Begrifflichkeiten aus an- deren Sprachen, insbesondere dem Lateinischen, ge- schlechterunspezifisch oder maskulin generalisierend (etwa in der aus dem Latein stammenden grammati- schen Regel, dass eine Gruppe von Menschen gleichen Interesses mit „Sportler“ oder „Autofahrer“ usw. be- zeichnet wird). Das darf man dem Deutschen als äußerst geschlechterspezifische Sprache nicht ankreiden. Weni- ger Anglizismen, so zum Beispiel ein Verzicht auf das Unwort „gendern“, würden der deutschen Sprache ihre Schönheit und Gerechtigkeit hinsichtlich des Ge- schlechts wiedergeben. Viel interessanter wäre für mich beispielsweise die Frage, warum (meines Wissens) in keiner deutschen TV-Nachrichtensendung ein Rollstuhlfahrer als Mode- ratorin oder Nachrichtensprecher vor der Kamera arbei- tet. Wo ist da die Inklusion? Wann wird zum Beispiel die „Rundschau“ des Bayerischen Fernsehens von einem Rollstuhlfahrer gestaltet? Wann rollt eine rollstuhlfah- rende Journalistin um die Theke der „heute“-Sendung? Das wäre mir ein viel wichtigeres Anliegen als hier zwi- schen Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern zu un- terscheiden, die als Nachrichtensprecherinnen und Nachrichtensprecher oder als Moderatorinnen und Mo- deratoren arbeiten. Die gewaltsame Änderung der Sprache löst keine gesell- schaftlichen Probleme. Holm Landrock, freier IT-Journalist in Berlin Neue geschlechterspezifische Schreibweise nicht nötig Leserbrief14 Titel BJVreport 3/2019 „Pressefreiheit ist kein Zufallsprodukt“ Journalisten setzten sich wieder mit deren Wert für eine freie demokratische Gesellschaft auseinander und wurden dafür im bundesweiten Wettbewerb vom BJV ausgezeichnet Von Michaela Schneider P ressefreiheit heißt nicht, den Blick immer nur ins Ausland zu werfen“, sagt Michael Busch, Vorsitzender des Bayerischen Jour- nalisten-Verbandes. Deshalb ist es inzwi- schen gute Tradition, dass der BJV deutschlandweit einen Wettbewerb zum Tag der Pres- sefreiheit ausruft und journalistische Beiträge auszeich- net, die sich herausragend mit dem Wert der Presse- freiheit für eine freie demokratische Gesellschaft auseinandersetzen. Im Presseclub München wurden im Mai die Gewinner 2019 bekannt gegeben, die Preise überreichten die Jurymitglieder. Pressefreiheit sei kein Zufallsprodukt, sondern hart erarbeitet und erkämpft und müsse verteidigt werden, so Busch. Unter anderem machte er auf ein Ereignis aufmerksam, das sich Anfang Mai am Ran- de des ersten süddeutschen Flügeltreffens der AfD in Greding im Kreis Roth abgespielt hatte: Mehrere Be- sucher der Veranstaltung hatten versucht, Journalisten einzuschüchtern und Drohungen ausgesprochen. Während die Nürnberger Rechtsextremismus-Exper- tin und Aktivistin Birgit Mair das Geschehen filmte, entriss ihr einer der Veranstaltungsteilnehmer das Smartphone. Erst als sich vor Ort die Polizei einschal- tete, bekam sie ihr Handy zurück – und erstattete Strafanzeige. Auch verwies Busch auf die Vorgänge um den ORF-Journalisten Armin Wolf. Der hatte einen FPÖ-Po- litiker live im österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk interviewt und dabei kritische – aus Sicht des Befragten unbequeme – Fragen gestellt und eine Hetz- kampagne der Partei gegen Migranten thematisiert. ORF-Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger legte dem Journalisten darauf offen „ein Sabbatical“ nahe. Was folgte, war eine Welle der Solidarität für Armin Wolf über Österreichs Grenzen hinaus. 1. Platz für das digitale Storytelling-Projekt „Ich, Eisner“ von „Bayern 2“ von Oktober 2018 bis Februar 2019 für die Münchner Hörfunk-Autoren Matthias Leitner, Eva Deininger und Markus Köbnik, Bayerischer Rundfunk „Dieses Projekt überzeugt und begeistert durch das neue Format und die Idee, die Persönlich- keit Kurt Eisners als Streiter für die Pressefrei- heit 100 Jahre nach seinem Tod über die Nut- zung moderner Medien wieder lebendig werden zu lassen. Eine grandiose Geschichte, volle Punktzahl“, urteilte die Jury. Andrea Roth, stell- vertretende Vorsitzende des BJV, lobte bei der Preisübergabe die Idee, den Politiker „100 Jahre nach seinem Ableben noch einmal aufleben zu lassen mit einem so pfiffigen Messenger-Pro- jekt“. Begriffe wie Whistleblowing oder Fake News existierten damals vielleicht noch nicht. „Aber die Probleme waren vor 100 Jahren letzt- lich die Gleichen wie heute“, sagte Roth. Das Autorenteam erhielt ein Preisgeld in Höhe von 1000 Euro. Mehr zum Projekt unter br.de/icheisner . Andrea Roth (mit Mikrofon) mit dem „Ich-Eisner“-Projekt-Team des BR sowie Philipp Grammes, Digitalchef Bayern 2 , Matthias Leitner (3. von links) und Markus Köbnik (rechts). Bei der Preisverleihung nicht dabei war Projektmitarbeiterin Eva Deininger. Foto: Sachelle Babbar Dem Sieger beim Wettbewerb zum Tag der Pressefreiheit winkt neben dem Preisgeld diese Trophäe. Foto: Sachelle Babar15 Titel BJVreport 3/2019 2. Platz für den Essay „Was für ein Journalismus?“ vom 23. September 2018 Jennifer Wilton, Welt -Chefreporterin aus Berlin, in der Welt Den zweiten Platz vergab der BJV an Welt-Chefreporterin und Ressortleiterin Investigation und Reportage Jennifer Wilton aus Berlin für ihren Essay „Was für ein Journalismus“. Schon der Großvater der Autorin schrieb einst für die seinerzeit frisch gegründete Zeitung die Welt . Er er- lebte nicht mehr, dass auch die Enkelin Journalistin wurde. Gerne hätte sie ihn heute – zwischen Lügenpressebrüllern – gefragt: „Sind wir jetzt dabei, ihn zu begraben, den Journalismus?“ In ih- rem Essay analysiert sie, wie sich das journalistische Arbeiten und die Pressefreiheit seit der Nachkriegszeit in Deutschland entwickelt haben. Und scheut – etwa mit Blick auf die Frage nach Objektivität – keine kritischen Folgerungen: „Zuzugeben, dass ‚Schreiben was ist‘ immer besten- falls ein ‚Schreiben was auch ist‘ ist, heißt eben auch, vom Podest der Allwissenheit herunterzu- steigen.“ „Eine exzellente Analyse, wie beiläufig eingebettet in eine Geschichte und geschrieben mit geschliffener Feder bringt die Autorin dem Leser die Bedeutung der Pressefreiheit näher“, begründete die Jury ihre Entscheidung. Persönlich an der Verleihung im Münchner Presseclub teilnehmen konnte Jennifer Wilton nicht, sandte aber eine Videobotschaft: Sie habe sich sehr ge- freut über einen Preis in einem Kontext, der ihr auch persönlich sehr viel bedeute. „Was für ein Journalismus?“ kann online nachgelesen werden unter bjvlink.de/wilton . 3. Platz für den Kommentar „Pressefreiheit als zweifelhafte Hitparade“ vom 21. April Lea Fauth, freie Journalistin aus Berlin, bei Übermedien Den dritten Preis überreichte Harald Stocker, Vorsitzender der Fachgruppe Rundfunk im BJV, an die Berliner Journalistin Lea Fauth für ihren Kommentar „Pressefreiheit als zweifelhafte Hitparade“. Erschienen war er im April 2019 bei Übermedien . Fauth kritisierte hier unter anderem die „Rangliste der Pressefreiheit“, die die Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ einmal im Jahr veröffentlicht. Das Gute und Schlechte daran sei, dass man über sie berichten könne wie über die Tabelle der Fußball-Bundesliga, leitet sie ins Thema ein und schreibt weiter: „Wer liegt vorn, wer hat seine Position verteidigt, wer ist Absteiger des Jahres? Die Präsentation als Ranking macht den Medien die Berichterstattung leicht, aber sie erschwert eine tiefgründigere Auseinandersetzung.“ Und das sei nicht das einzige Problem der Auswertung. „Lea Fauth übt mit ihrem Kommentar sachliche und konstruktive Kritik auf der Metaebene aus; sie wagt es eine allseits geschätzte Institution zu kritisieren“, lobte die Jury. Auf ein Foto der Preisübergabe wurde verzichtet, da die Kollegin immer wieder auch verdeckt recherchiert. „Pressefreiheit als zweifelhafte Hitparade“ kann online nachgelesen werden unter bjvlink.de/fauth . Lobende Erwähnung des Portals Allgäu rechtsaußen Sebastian Lipp, Chefredakteur von Allgäu rechtsaußen , und sein Team Eine lobende Erwähnung sprachen die Juroren für Sebastian Lipp und seine Mitstreiter aus. Auf dem Portal Allgäu rechtsaußen recherchieren und dokumentieren die Journalisten seit 2017 akribisch rechte Aktivitäten in der Region, wie Thomas Mrazek, Vorsitzender der Fachgruppe Online, bei der Preisüberga- be erzählte. Im März 2019 haben sie zudem eine gedruckte Broschüre zum Thema veröffentlicht, die hun- dertseitige Publikation „Voice of Anger und der rechte Untergrund im Allgäu“ finanzierten die Journalis- ten via Crowdfunding. „Das Allgäu ist für viele Menschen nicht viel mehr als eine schmucke Urlaubsregion: grüne Wiesen, weißblauer Himmel, die Berge am Horizont, die Kühe vor der Nase. Doch ein Blick hinter manche Fassade zeigt: Hier gibt es auch einen braunen Sumpf. Und der reicht zurück bis in die 90er Jah- re“, heißt es im Umschlagtext. Mrazek lobte die Publikation als „schön gemacht, sinnvoll gemacht – und erschreckend“. Freunde machen sich die Journalisten mit ihrer Arbeit nicht: Ausschließen, verklagen, ein- schüchtern. So reagieren die Rechten – darunter auch die AfD – auf die Arbeit von Allgäu rechtsaußen. Auch dies wird in einem eigenen Kapitel dokumentiert. „Die Journalisten lassen sich dadurch nicht beein- trächtigen. Sie leisten eine mutige Arbeit für die Demokratie. Sie leben Pressefreiheit“, urteilte die Jury. So geht es zu dem Portal Allgäu rechtsaußen : allgaeu-rechtsaussen.de Preisvergabe mit Videobotschaft. BJV- Vorsitzender Michael Busch im Vordergrund, Jennifer Wilton auf Leinwand im Hintergrund. Foto: Sachelle Babbar Juror Thomas Mrazek und Sebastian Lipp, Chefredakteur von Allgäu rechtsaußen , bei der Preisverleihung. Foto: Sachelle Babbar16 Titel BJVreport 3/2019 „Whistleblowing im Geiste“ Wie und warum das Storytelling-Projekt „Ich, Eisner!“ entstand Von Michaela Schneider E r war Anführer einer Revo- lution und der erste gewähl- te Ministerpräsident des Freistaats Bayern: der Sozi- aldemokrat Kurt Eisner. Vier Monate schickte er „persönlich“ Nachrichten aufs Handy und erzählte, was vor 100 Jahren geschah. 15.000 Nut- zer erreichte das Team um Matthias Leit- ner über die Messenger-Dienste Whats- App, Telegram und Insta. Beim bundesweit ausgeschriebenen Wettbe- werb zum Tag der Pressefreiheit hat der BJV das digitale Storytelling-Projekt „Ich, Eisner!“ von Bayern 2 mit dem ers- ten Preis ausgezeichnet. In den Blick ge- rückt hatte es einen Mann, der gleich nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten die Pressefreiheit ausrief. Herr Leitner, im Messenger-Projekt „Ich, Eisner!“, ließen Sie den längst verblichenen Sozialdemokraten selbst zu Wort kommen. Warum gerade Kurt Eisner? Matthias Leitner: Vorweg, „Ich, Eisner!“ war von Be- ginn an eine Teamarbeit. Die Arbeitsthese für Eva Dei- nert, Markus Köbnik und mich lautete: wir wollen eine komplexe Geschichte auf Messengerdiensten erzählen, und das Jubiläum „100 Jahre Revolution in Bayern“ bietet sich als historisches Thema an. Wer beginnt, sich mit Kurt Eisner zu beschäftigen, spürt schnell, dass er in je- nen Tagen die treibende Kraft war und sich im Epizent- rum der Geschichte bewegte. Er erlebte vier rasante Mo- nate von der Revolution 1918 bis zu seiner Ermordung. Zwischen dem 14. Oktober 2018 und dem 27. Februar 2019 erhielten Nutzer täglich nicht nur Texte, Bilder und Videos, sondern auch direkte Sprachnachrichten Kurt Eis- ners aufs Handy und erlebten – quasi in Echtzeit – was vor 100 Jahren geschehen war. Wie kamen Sie auf die Idee? Wir überlegten, aus welcher Perspektive die Story funk- tionieren könnte. Und wir merkten: Kurt Eisners letzte vier Lebensmonate entsprechen fast idealtypisch einer Drei-Akt-Dramaturgie. Erster Akt: Eisner wird am 14. Ok- tober 1918 aus dem Gefängnis entlassen und beginnt, seine politische Tätigkeit wiederaufzunehmen. Erster Höhe- punkt: Er setzt sich an die Spitze der Revolution und stürzt mit seinen Mitstreitern die Monarchie. Gleichzeitig for- miert sich im Hintergrund eine Gegenbewegung, radikale nationalistische Gruppen gewinnen an Einfluss. 2. Akt: Kurt Eisner schafft es als Ministerpräsident, viele Reformen anzustoßen und beginnt damit die De- mokratie in Bayern zu etablieren. Zwei- ter Höhepunkt: Es gibt Angriffe mit Falschnachrichten auf Kurt Eisner und Putschversuche im Hintergrund. Und der dritte und finale Akt? Die Stimmung kippt. Kurt Eisner hat die erste demokratische Wahl in Bayern mit seiner Partei, der USPD, verloren, zugleich fährt die reaktionäre Presselandschaft eine Rufmord-Kam- pagne gegen ihn. Trauriger letzter Hö- hepunkt: Eisners Ermordung auf offener Straße durch ei- nen jungen Adeligen, der sich in den Kreisen der völkischen Thule-Gesellschaft, einer direkten Vorläuferorganisation der NSDAP, bewegte. Als Finale gehen am 26. Februar mehr als 100.000 Menschen zu Kurt Eisners Beerdigung auf die Straße. Gibt es vergleichbare Projekte? Es gibt Menschen, die etwa den Zweiten Weltkrieg als Tweet-History nacherzählen. Und ob Beethoven, Goethe oder Schiller – sie alle hatten schon ihren Twitter oder Fa- cebook Account. Ich denke aber, wir bewegten uns in eine neue Richtung, weil wir Eisner als Person so intensiv ins Zentrum rückten. Seine Nachrichten erreichten unsere Nutzer im total privaten Umfeld zwischen den Nachrichten der Lebenspartner, der Eltern, der Freunde. Außerdem ha- ben wir auch stark die direkte Kommunikation mit unseren Nutzern in den Fokus gerückt. Das heißt? Um die 30.000 Nachrichten flatterten herein. 11.377 lan- deten direkt auf unserem Tisch. Auch die Urenkel Kurt Eis- ners kontaktierten uns. Wir bekamen historisches Material, das wir für weitere Recherchen nutzen konnten, weil Men- schen „Ich, Eisner!“ zum Anlass nahmen, sich mit ihrer Fa- miliengeschichte auseinanderzusetzen. Wir Autoren hatten mehrmals Tränen in den Augen, beispielsweise als am 24. Dezember hunderte Weihnachtsbotschaften an Kurt Eisner und uns kamen. Deshalb haben wir dann auch gesagt: Wir müssen das Projekt anders als ursprünglich gedacht been- den. Matthias Leitner Foto: Sachelle BabbarBJVreport 3/2019 Die Idee zum Kondolenzbuch entstand… Genau. Wir wollten den Nutzern die Möglichkeit geben, sich persönlich von Kurt Eisner zu verabschieden. Daneben stand mit einem „Ask me anything“, gemeinsam mit dem Eisner-Bio- grafen Bernhard Grau, der intellektuelle, historische Abschied. Uns erreichten auch hier noch einmal rund 500 Fragen. Kurt Eisner rief die Pressefreiheit aus, bewegte sich aber in ei- ner schwierigen Presselandschaft… Die Presselandschaft in jenen Tagen war geprägt durch die Monarchie und stark reaktionär. Gleichzeitig war die Stimmung in München extrem aufgeheizt. Radikale Linke wollten Presse- häuser der Stadt besetzen, was Kurt Eisner unterband. Radikale Rechte, der Völkische Beobachter war schon gegründet, machten Stimmung gegen die junge Demokratie. Die Menschen wurden plötzlich – nach der Zensur in Kriegszeiten – mit den unter- schiedlichsten radikalen Haltungen konfrontiert, es fehlte aber an Medienkompetenz. Eisner bewegte sich als besonnener Geist in diesem Wettstreit der Meinungen und Versuche, die Deutungshoheit zu erlangen, in einer fatalen Situation. Was lernen wir aus heutiger Sicht über Pressefreiheit? Vielleicht zwei Dinge: Man muss sich als Pressevertreter oder Presseorgan ständig hinterfragen, auf welchem Wertefun- dament man selber steht. Und wir müssen Menschen befähi- gen, Meinungen einzuordnen. Medienkompetenz sollte ab dem Kindergarten gelehrt werden. Sie bezeichnen Kurt Eisner als „ersten politischen Whistleblo- wer einer jungen Demokratie“. Warum? Zugegeben, vielleicht war Kurt Eisner eher Revolutionär und politische Führungspersönlichkeit, der ein anderes Stan- ding hatte als Whisteblower im heutigen Sinne. Dennoch spiel- te Eisner den Medien geheime Regierungsdokumente zu, die seiner Meinung nach eindeutig belegten, welchen Anteil Deutschland am Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte. Damit zog er den Hass der alten Mächte, aber auch der Mehrheitssozi- aldemokratie auf sich. Diesen Akt, für Transparenz zu sorgen ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für die eigene Person, sehe ich als Whistleblowing im Geiste. Zur Person Matthias Leitner (35 Jahre) ist Digital Storyteller und entwickelt Social-Impact-Strategien für Unternehmen, NGOs, Stiftungen und die öffentliche Hand. Für den Bayerischen Rundfunk leitet er seit 2015 das Storytelling Lab „web:first“ und entwickelt im Referat Digitale Ent- wicklungen & Social Media Programminnovationen wie den „#callforpodcast“ oder das Messenger-Projekt „#icheisner“. Für seine journalistische und künstlerische Arbeit hat er diverse Auszeichnungen erhalten, zuletzt den Deutschen Digital Award 2019. Die Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes hat Matthias Leitner zum Fellow berufen. BJVreport 4/2018 Aktuelle Seminare Akademie der Bayerischen Presse Rosenheimer Str. 145c · 81671 München · Telefon 089 4999920 Do you like it? www.facebook.com/Akademie der Bayerischen Presse Das Akademie-Programm 2019 bietet in mehr als 280 Volontärs-Kursen und Seminaren journalistische Aus- und Weiterbildung für Einsteiger und Redaktionsprofis. ## Professionell in die Selbstständigkeit (04.07.-05.07.) ## Die Kolumne (mit SPON-Autorin Anja Rützel, 04.07.-05.07.) ## Newsletter-Formate für Journalisten und Redaktionen (08.07.-09.07.) ## Public Relations I - Grundlagen der klassischen und digitalen Kommunikation) (08.07.-12.07.) ## Change Management in Redaktionen (15.07.-16.07.)BJVreport 3/2019 18 Titel Resolution für die Pressefreiheit Der BJV stellt mit großer Sorge Entwicklungen fest, die die Pressefreiheit in Bayern gefährden. Demokratischer Auftrag Der BJV fordert die Akteure des öffentlichen Handelns in Bayern auf, die Aufga- ben der Medien zur Meinungsbildung der Bürger nicht mit Aktivitäten wie kos- tenlose interessengesteuerte Text- und Bildangebote zu unterlaufen. Berichterstattung bei Demonstrationen Der BJV fordert die Behörden auf, bei Demonstrationen dafür zu sorgen, dass das Grundrecht der Pressefreiheit durch Demonstranten nicht eingeschränkt wird. Be- richtende Journalisten sind vor Angriffen von Demonstranten zu schützen. Kommunale Berichterstattung Der BJV fordert die Kommunen und die Vertretungskörperschaften, also Gemein- detag, Kreistag, Städtetag auf, dafür zu sorgen, den in der Bayerischen Gemein- deordnung festgelegten Grundsatz der Öffentlichkeit uneingeschränkt zu wahren und die in nicht-öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit oder in der nächsten öffentlichen Sitzung unter Beachtung be- rechtigter Einzelinteressen grundsätzlich bekannt zu geben. Digitalisierung Nach Überzeugung des BJV hat eine unreflektierte oder interessengesteuerte Nachrichtenverbreitung mit journalistischer Berichterstattung nichts zu tun. Der BJV fordert alle Medienschaffenden auf, interessengesteuerte Information beson- ders im Internet kenntlich und Bewertungen möglich zu machen. Er fordert den Gesetzgeber auf, den Rundfunkstaatsvertag im Abschnitt Telemedien entspre- chend zu ändern. BJVreport 3/2019 PRESSESTELLEN 19 Ihr Eintrag in der Rubrik PRESSE- STELLEN verschafft übers ganze Jahr Kontakt zu Journalisten, Redakteuren und Mitarbeitern in den Medien, zu Pressesprechern in nahezu allen Be- reichen, präsentiert Sie auf den Punkt in der Wirtschaft und bei Behörden, erreicht Politik und Kirche, Soziales und Bildungswesen – und mehr. PUNKT-LANDUNG Zeigen auch Sie Flagge im Medienmagazin BJVreport: 1/8 Seite (86 x 60 mm) in allen sechs Ausgaben pro Jahr = 1.350,– EUR. Der nächste BJVreport (alle zwei Monate) erscheint am 13.8.2019, Anzeigenschluss ist am 12.7.2019. Anzeigenmarketing: Mediasüd, Robert Macher, Telefon 0 91 81 / 29 99-477, Fax 0 91 81 / 29 99-479, robert.macher@mediasued.de NürnbergMesse GmbH Messezentrum • 90471 Nürnberg T +49 9 11 86 06-83 53 F +49 9 11 86 06-12 83 53 presse@nuernbergmesse.de www.nuernbergmesse.de Dr. Thomas Koch Leiter Unternehmenskommunikation und Pressesprecher Maximilian Hensel Pressereferent Unternehmenskommunikation Die Themen finden Sie auf unseren Veranstaltungen. Die Antworten liefern wir. BILDUNG/WISSENSCHAFT 7HO )D[ (0DLOGLUVFKHUO#OPXGH /XLVH'LUVFKHUO /HRSROGVWU 0QFKHQ ZZZOPXGH .RPPXQLNDWLRQXQG3UHVVH /HLWXQJ www.hss.de Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Lazarettstraße 33 | 80636 München Tel. (089) 12 58-473 | E-Mail: presse@hss.de Thomas Reiner Leiter Kommunikation Hubertus Klingsbögl Pressesprecher www.facebook.com/HannsSeidelStiftung www.twitter.com/HSSde www.youtube.com/HannsSeidelStiftung Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung MESSEN/AUSSTELLUNGEN Werden Sie Unterstützer Unterstützen auch Sie die Arbeit des Bayerischen Journalisten-Verband e. V. mit Ihrer Anzeige im Presse stellen-Verzeichnis und bieten Sie damit Journalisten den Service, Sie schnell zu finden! Angebote und Mediadaten erhalten Sie bei Mediasüd, Robert Macher, Tel. 0 91 81 / 29 99-477 Dr. Ulrich Marsch Pressesprecher des Präsidenten Leiter Corporate Communications Center Technische Universität München Corporate Communications Center Arcisstraße 21 80333 München Tel + 49.89.289.22778 Fax + 49.89.289.23288 Mobil + 49.173.8902400 marsch@zv.tum.de www.tum.de Technische Universität MünchenNext >