< PreviousEuropa schmackhaft gemachtGegen die EU wird polemisiert, über die EU werden gezielt Falschmeldungen verbreitet. Doch gerade der Brexit und die Rechtspopulisten verstärken das Interesse des Medienpublikums. Von Alois Knoller11TitelDie Kommissare der Europäischen Union sind auf der Hut. „Desinformation stellt eine große Herausforderung für die eu-ropäischen Demokratien und Gesell-schaften dar“, schreiben sie in ihrem ein-schlägigen Aktionsplan vom 5. Dezember 2018. Angesichts der bevorstehenden Wahl zum Europäischen Parlament „muss dringend mehr für die Gewährleistung freier und fairer demokratischer Prozesse getan werden“. Desinformation untergrabe das Vertrauen der Bürger in die Demokratie und ihre Institutionen. Sie trage zur Pola-risierung der öffentlichen Meinung bei und werde zudem dazu eingesetzt, das europäische Projekt zu untergraben.Parolen und Versuche der EinflussnahmeFast scheint es, als werde süffige antieuropäische Pro-paganda in der Bevölkerung eher für bare Münze genom-men als fundierte Berichterstattung. „Im Europawahl-kampf werden wir ohne Zweifel mit vielen Parolen zu tun haben und mit vielen Versuchen der Einflussnahme über die sozialen Netzwerke“, sagt Detlef Drewes, 63, voraus. Der Journalist aus Augsburg ist seit über 14 Jahren als Korrespondent in Brüssel tätig. Die Zuversicht, wei-terhin Interesse für Europa-themen beim Lesepublikum der 18 Zeitungen, die er mit Beiträgen beliefert, zu we-cken, verliert er trotzdem nicht. Vielmehr verblüfft Drewes mit der Aussage: „Meine Erfahrung ist: Das Inte-resse an Europa hat in einem Ausmaß zugenommen, dass mein größtes Problem darin besteht, nicht mehr alle Wünsche der Redaktionen erfüllen zu können.“Allerdings musste er lernen, den Menschen Europa so zu erklären, dass sie es verstehen können. Also ohne Kä-seglocke, ohne nicht geläufige Begriffe für Institutionen und Prozesse. „Das ist gar nicht wichtig“, meint Drewes. „Man muss Europa in Geschichten erzählen, so anschau-lich wie möglich.“ Dass es für die Leser nicht etwas sehr Fernes und Kompliziertes ist. Woher es kommt, dass der deutsche Urlauber auf Mallorca ohne Aufpreis denselben Krankenversicherungsschutz genießt wie zuhause. Woher es kommt, dass er keine Roaminggebühren mehr zahlt fürs Telefonieren aus dem europäischen Ausland. „Was hier in Brüssel entschieden wird, schlägt auf ihren Wohn-ort durch und betrifft die Bürger direkt“, weiß Drewes. Jüngst etwa das europäische Urheberrecht Art. 13 mit den Uploadfiltern, das die Hör- und Sehgewohnheiten der Menschen ganz erheblich betrifft. Die Süddeutsche Zeitung geht mit ihrer „Werkstatt De-mokratie“ bei der Vermittlung von Europa noch einen Schritt weiter. Die Redaktion sucht den direkten Kontakt mit den Bürgern, die sich in der Online-Umfrage für das Rahmenthema „Heimat Europa“ entschieden haben. „In den kommenden Wochen werden wir uns mit der Frage-stellung auseinandersetzen und zum Thema recherchieren“, versprechen die Redakteure. „Weil wir mit Ihnen reden, diskutieren, streiten wollen.“ Die Recherche mündet in eine Themenwoche vom 8. bis 12. April mit verschiedenen For-maten für die Leser, etwa Online-Debatte und Autorenge-spräche, als auch am 13. April bei einer Veranstaltung im Haus der Berge in Berchtesgaden. Sabrina Ebitsch aus der Entwicklungsredaktion war selbst überrascht, welch starkes Interesse, welche Begeisterung sogar die User für Europa bekundeten. „Viele Bürger scheinen alarmiert zu sein von den rechtspopulistischen Strömungen und wollen die Er-rungenschaften der Europäischen Union bewusst machen“, folgert sie aus der Resonanz. Parallel legt die SZ einen Newsletter zur Europawahl auf. Jeden Freitag wird er er-scheinen und die relevanten Themen der Berichterstattung über die Politik der EU und die Parlamentswahl bündeln, so Online-Politikchef Peter Lindner. Er bemerkt „ein gro-ßes Bedürfnis, Europa nicht destruktiv nach hinten, son-dern konstruktiv nach vorne zu denken“. Vor allem der Bre-xit, über den fast täglich berichtet wird, habe das Interesse an Europa verstärkt. Den Newsletter werden verschiedene Autoren im Wechsel verfas-sen – sowohl Korresponden-ten aus Brüssel und Berlin als auch Redakteure der Münch-ner Zentrale. Zunächst wird er bis Anfang Juli erscheinen. „Sollte sich aber herausstel-len, dass wir den Nerv treffen und viele Leser begeistern, werden wir ihn fortsetzen“, sagt Peter Lindner. Übrigens: Beide Projekte stemmt die On-line-Redaktion zum großen Teil aus ihren Bordmitteln und mit Unterstützung der Nemetschek-Stiftung zur Demokra-tieförderung.„Weit weg von den Wählern“Der Münchner Merkur werde vor der Wahl eine große Seite machen, wie Europa funktioniert. Darin will Mike Schier, stellvertretender Chefredakteur, auch verdeutli-chen, dass sich die Bürger weniger über das EU-Parla-ment und die Kommission aufregen sollten als vielmehr über den Rat der 28 Regierungschefs, weil dort vieles blo-ckiert werde. Der Merkur werde vor allem Europa-The-men aufbereiten und nicht allein über die Parteien im Wahlkampf berichten. Auch die AfD werde die Zeitung nicht ignorieren – „aber im Rahmen ihrer Bedeutung“, sagt Schier. Von Vorteil sei es, dass der EVP-Spitzenkan-didat Manfred Weber aus Bayern kommt, denn oft seien die EU-Parlamentarier „weit weg von ihren Wählern“.Die Nürnberger Nachrichten legen zur Europa-Wahl eine Serie auf, die thematisch relativ breit angelegt sein wird, informiert Chefredakteur Michael Husarek. So wird auch gefragt werden: Worin besteht die Identität Eu-ropas? Das Interesse in der Bevölkerung für Europa müs-Foto: Dominik Berchtold„Man muss Europa in Geschichten erzählen, so anschaulich wie möglich.“Detlef Drewes, Korrespondent in BrüsselBJVreport 2/201912Titelse geweckt werden. „Die nationale Ebene spielt in ihrer Wahrnehmung eine viel größere Rolle, Europa steht nur auf Position vier hinter Bundes-, Landtags- und Kommu-nalwahl, danach kommt nur der Bezirkstag“, meint Husa-rek. „Ich würde mir ein Umdenken wünschen und hoffe, die Zeitung kann dazu beitragen und die tatsächliche Re-levanz der EU deutlicher machen.“ Die Spitzenkandida-ten von CSU und SPD haben die NN bereits ausführlich interviewt. Im Übrigen bedauert der Chefredakteur: „Leider mangelt es im Großraum Nürnberg an EU-Parla-mentariern, sodass wir kaum personalisierte und regio-nalisierte EU-Beiträge für unsere Leser und User anbie-ten können.“ Steffen Schulz, Pressesprecher der EU-Kommission in München, beobachtet ein sehr wechselhaftes Interesse an Europa-Themen. „Es kommt sehr darauf an, in welchem Zusammenhang das Thema mit dem Alltag der Menschen steht“, sagt er. Die Frage, ob die Zeitumstellung in Europa ab-geschafft werden sollte, habe gerade die Deutschen sehr be-wegt. Bei sperrigen Themen gilt die Regel: Wenn es sich po-sitiv auf das alltägliche Leben auswirkt, „steht nicht unbedingt das Etikett EU drauf“. Denn alles, was in Brüssel und Straßburg beschlossen wird, muss erst noch in nationales Recht gegossen wer-den. Was jedoch als lästig und bürokratisch empfunden wird, schiebt auch die deutsche Politik gern auf die „Eu-rokraten“ ab. Selbst wenn die Regelung vom EU-Mitglied Deutschland gefordert wurde – wie seinerzeit die Norm zur Gurkenkrümmung. Längst sei sie außer Kraft, erklärt Schulz, doch angewendet werde sie noch immer, „weil alle Beteiligten am Binnenmarkt sie haben wollen“. Taskforce wird deutlich aufgestocktDesinformation ist allerdings noch einmal etwas ganz anderes, als die EU hartnäckig als pedantische Gurken-bieger zu verschreien. Die Kommission wird ihre 2015 gegründete Taskforce „East Strat Com“ jetzt deutlich auf-stocken; ihr Etat hat sich 2019 auf fünf Millionen Euro im Jahr mehr als verdoppelt, ihr Personal soll auf 25 Stellen wachsen und mit den Fact-Checkern in allen Mitglieds-staaten ein enges Netzwerk weben, um Fake News vor allem russischer Herkunft umgehend zu entlarven. Die Taskforce berichtet tagesaktuell auf der Website euvsdisinfo.eu/news/. Zum Weltfrauentag am 8. März steht dort beispielsweise die Schauergeschichte zu lesen, dass im prorussisch kontrollierten Donbas weibliche He-ckenschützen aus den baltischen Staaten kämpfen – wäh-rend sich gleichzeitig die Frauen in Westeuropa der Isla-misierung kaum noch erwehren können. Steffen Schulz empfiehlt den Bürgern, sich aus ver-schiedenen Quellen zu informieren und über den Teller-rand der eigenen Blase zu schauen. Vor allem sollten sie den Informationswert der Sozialen Medien „generell niedriger hängen“.Nur nach halb so viele KorrespondentenFreilich: Als Detlef Drewes in Brüssel begann, gab es noch 1400 ausländische Korrespondenten. Ihre Zahl sei in den letzten Jahren von den heimatlichen Redaktionen massiv zurückgefahren worden, so Drewes. „Wir haben heute noch 780 akkreditierte Korrespondenten bei der EU. Große Poolbüros sind geschlossen worden. Lange war kein einziger deutscher Privatsender hier mit einem Büro vertreten.“ Kein Mangel herrscht indes an Interessensver-tretern. „In Brüssel tummelt sich ein Heer von 18.000 Lobbyisten“, weiß Drewes. Dazu gehören Ländervertre-tungen, Spitzengremien, aber auch europäische Indust-rie-Verbände. „Lobbyismus ist zunächst nichts Schlechtes. Wir brauchen hier den Sachver-stand dieser Verbände. Es gibt jedoch auch Versuche, die Ab-geordneten und Journalisten zu beeinflussen. Mit einiger Erfah-rung erkennt man das und weiß, damit umzugehen.“ Zu-mal die EU von jedem Lobbyisten verlangt, dass er sich in eine Transparenzliste einträgt und dabei seine Finanzver-hältnisse komplett offenlegt. Auch die EU-Kommissare und viele Abgeordnete des EU-Parlaments legen offen, mit wem sie wann gesprochen haben. EU-Aktionsplan gegen Desinformation Die Organe und die Mitgliedstaaten der EU wollen ein spezielles Frühwarnsystem einrichten, um den Austausch von Daten und die Bewertung von Desin-formationskampagnen zu erleichtern. So soll es möglich werden, vor Fehlinformationen in Echtzeit zu warnen. Außerdem soll für die Werte und Strate-gien der Europäischen Union objektiv und „proak-tiv“ geworben werden.Die Unterzeichner des Verhaltenskodex setzen sich dafür ein, dass politische Werbung transparent ist. Sie werden aufgefordert, ihre Anstrengungen zur Schließung von Fake Accounts zu intensivieren. „Nichtmenschliche Interaktionen“ wie die automa-tische Verbreitung von Nachrichten durch „Bots“ sollen kenntlich gemacht werden. Die Kooperation mit Faktenprüfern und Wissenschaftlern wird inten-siviert, um Desinformationskampagnen schneller aufzudecken. Außerdem wird es spezielle Programme zur Förde-rung der Medienkompetenz geben. Unterschiedliche Taskforces werden personell verstärkt und besser finanziell ausgestattet. Details unter bjvlink.de/versus-desinformation. (mgo)Die Rücknahme der Sommerzeitbewegt die Deutschen.Steffen Schulz, Pressesprecher der EU-Vertretung in MünchenBJVreport 2/201913TitelKein Buch mit sieben SiegelnHier finden Journalisten schnell Rat und Infos zur EU-BerichterstattungVon Maria GoblirschWolmirstedt ist eine kleine Stadt im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt. Von dort werden bis zur Isar in Bay-ern 580 Kilometer Hochspannungs-kabel unterirdisch verlegt, um den durch Windkraft im Norden gewonnenen Strom zu Abneh-merzentren im Süden Deutschlands zu leiten. Dafür fließen 70 Millionen Euro an EU-Mitteln aus dem Programm „Connecting Europe“.Zugegeben, derartige Details muss man nicht wissen, um als Journalist fit für die Europa-Berichterstattung zu werden. Es ist nur eines von 1800 neuen Beispielen, mit denen der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments beschreibt, was die EU in den Landkreisen für bestimmte soziale Gruppen und auf einzelnen Politikfeldern tut. Auch zahlreiche EU-Projekte für bayerische Regionen werden er-läutert, um die politische Arbeit in Europa auf die Alltags-praxis herunterzubrechen (das-tut-die-eu-fur-mich.eu). Diese Website ist auch in die Citizen‘s App („Europa in Ihrer Hand“) integriert. Beispiele für EU-Initiativen können hier nach Thema und Ort gefiltert und deren Fortschritt verfolgt werden (kostenlos im App-Store und bei Goog-le-Play). Kein Journalist könne alles über die Arbeit und die Institutionen der Europäischen Union wissen. Aber es wäre schade, „eine gute Story zu Europa fallen zu lassen, nur weil sie zu kompliziert erscheint oder weil man nicht weiß, wo man fragen soll“, sagt Steffen Schulz, Pressereferent der Eu-ropäischen Kommission in München. Mit allen Fragen rund um das Europäische Parlament (EP) können sich Journalisten an das Presseteam in Berlin wenden: Judit Hercegfalvi, Philipp Bauer, Thilo Kunzemann und Swantje Reiher wissen auf nahezu jede Frage die pas-sende Antwort (presse-berlin@ep.europa.eu; Telefon 030 2280 1000). Die EP-Pressestelle sowie einzelne EP-Abgeord-nete laden Journalisten auch zu Plenarsitzungen und Semi-naren nach Brüssel und Straßburg ein, Reise- und Über-nachtungskosten werden weitgehend übernommen.In Brüssel arbeiten Fachpresse-Referenten, die partei-unabhängig die gesetzgeberische Arbeit des EU-Parlaments mitverfolgen und in Sach- und Detailfragen kundig sind. Die Website europarl.europa.eu ist erste Anlaufstelle, um zu allen EP-Themen zu recherchieren. Auch die Web-Streams der Plenar- und Ausschuss-Sitzungen sowie Informationen zu den Europa-Abgeordneten und zum Stand einzelner Ge-setzgebungsverfahren sind dort abrufbar. Für Radio-, TV- und Online-Journalisten bietet der Au-diovisuelle Dienst (AV-Dienst) technische Ausrüstungen und Hilfen an. Dazu gehören beispielsweise TV- und Radio-studios in Brüssel und Straßburg oder Stand-up-Positionen. Die Nutzung ist nach vorheriger Anmeldung kostenlos (Mail an avplanning@ep.europa.eu oder Telefon 0032 338 42010). (Live-)Übertragungen in die Sendezentralen und andere Studios sind möglich (gegen Gebühr). Der AV-Dienst bietet außerdem Fotos sowie nicht editiertes Bildma-terial für die Film- und Bildberichterstattung an. (Infos un-ter audiovisual.europarl.europa.eu). Ein Presse-Toolkit zur Europawahl 2019, das laufend aktualisiert wird (bjvlink.de/ep-presseraum), enthält einen Fahrplan zur Wahl, Umfragen, Hochrechnungen und Infos zur Methodik sowie eine Übersicht aller Wahlergebnisse seit 1979. Fakten zur Wahl gibt es außerdem auf der Website bundeswahlleiter.de.Für Fragen und Interviews stehen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zur Verfügung. Zahlreiche Infor-mationen zu allen 96 deutschen Parlamentariern (Liste nach Bundesländern und Ausschüssen) liefert das Bürgerhand-buch (europarl.europa.eu/germany/de/service/publikationen). Der Kontakt zu einzelnen Gesprächspartnern ist auch über die regionalen Wahlkreisbüros möglich.Das Parlament veröffentlicht außerdem regelmäßig ein Wahl-Barometer, das Umfragen, Erwartungen der Wähler und andere interessante Fakten zusammenfasst. Wen das Abstimmungsverhalten einzelner Abgeord-neter interessiert, findet unter votewatch.eu Antworten. Alle Social Media Posts der Europaabgeordneten und der acht Fraktionen im EP werden im Newshub (epnewshub.eu) inte-griert. Das Material lässt sich nach Themen, Sprachen etc. filtern, so findet sich schnell Zitierfähiges.Der beste Weg, zu den Wahlen und anderen aktuellen Themen auf dem Laufenden zu bleiben, ist, sich für den EP-Newsletter und die EP-Pressemeldungen einzutragen (unter europarl.de). Last but not least: Auch die Presseteams der EU-Kom-mission helfen Medienvertretern mit Tipps und Informatio-nen weiter. In München ist für Bayern und Baden-Würt-temberg Steffen Schulz Ansprechpartner (Telefon 089 2424 480, Mail steffen.schulz@ec.europa.eu). Zahlreiche Infos zur Europäischen Kommission und weitere Kontakte enthält die Website ec.europa.eu. Die Checkliste „EU in der Berichterstattung“ finden Sie als pdf unter bjvlink.de/eu-checkliste, weitere nützliche Links unter bjvlink.de/europa-links. 14TitelBJVreport 2/2019„Bereit zu wühlen und zu graben“Als Einzelkämpfer in Brüssel – wie geht das? Alexander Fanta über seine Erfahrungen als EU-Korrespondent von netzpolitik.orgVon Senta KrasserIm Vorjahr gehörte Alexander Fanta zu den Gewinnern des BJV-Preises zum Tag der Pressefreiheit. Der 1985 in Klagenfurt geborene Jour-nalist hatte im Team mit Kollegin-nen und Kollegen von netzpolitik.org Be-hördenarbeit im Netz (#PolizeiTwitter) unter die Lupe genommen. Im Auftrag der Plattform für digitale Freiheitsrechte berichtet Fanta seit September aus Brüssel.Herr Fanta, Sie sind der einzige Auslands-korrespondent von netzpolitik.org. Warum ausgerechnet in Brüssel?Alexander Fanta: Auf netzpolitik.org schreiben wir vor allem über digitale Frei-heitsrechte. In Brüssel gibt es dazu zahlreiche Dossiers, die kaum breitere Beachtung finden und es selten in deutsche Medien schaffen. Deswegen war unser Ansatz: Wir wollen näher ran.Das Institutionen- und Lobbyisten-Labyrinth schreckt viele Journalisten ab. Sie nicht?Ich wusste, worauf ich mich einließ. Für die österreichi-sche Nachrichtenagentur APA durfte ich schon einmal aus Brüssel berichten, wenn auch nur drei Monate lang. Ich glaube, nirgends gibt es interessantere Geschichten zu fin-den als in Brüssel, wenn man zu wühlen und zu graben be-reit ist. Hier werden Gesetze immerhin für 500 Millionen Europäerinnen und Europäer gemacht.Rund 400 Millionen davon dürfen zwischen dem 23. und 26. Mai ein neues Europaparlament wählen. Fiel Ihre Wahl für Brüssel als neuem Arbeitsort auch aus diesem Grund?Das hat sicher eine Rolle gespielt. In der Debatte um Desinformation im Vorfeld der Europawahlen wollen wir vorne mit dabei sein. Außerdem stehen wichtige Entschei-dungen an, die die Weichen stellen etwa beim Datenschutz oder den Überwachungsmöglichkeiten durch Behörden.Zwei Monate vor den Wahlen verabschiedete das EU-Parla-ment die Urheberrechtsreform. Sie haben für netzpolitik.org über den Vorlauf berichtet und sich auch klar als Gegner die-ses heftig umstrittenen Gesetzestextes positioniert. Wie werden Sie bei diesem Thema weiter verfahren?Wir werden weiterhin über das Thema Urheberrecht und die Umsetzung der nun beschlossenen Richtlinie in nationales Recht berichten.Sie wollen näher ran an den Gesetzge-bungsprozess auf EU-Ebene. Wie gut klappt das?In informellen Gesprächen, in Sitzun-gen und auf Konferenzen kann ich mir ei-nen deutlichen Informationsvorsprung erarbeiten, zumal die Institutionen der EU-Kommission sich Journalisten gegen-über weit mehr öffnen als nationale Mi-nisterien und Parlamente. Aber diese Transparenz hat auch ihre Grenzen. Ich bekomme nicht immer zu allem Zugang.Wann stießen Sie zuletzt an Grenzen?Seit Anfang des Jahres wird auf Vorschlag der Kommissi-on eine Digitalsteuer für Konzerne wie Google und Face-book diskutiert. Die Haltung der Nationalstaaten ist nicht eindeutig, vor allem die deutsche Position ist rätselhaft. Über eine Informationsfreiheitsanfrage habe ich versucht herauszufinden, was der deutsche Finanzminister Olaf Scholz hinter verschlossenen Türen über die Steuer sagt. Auf dem Papier, das ich daraufhin erhielt, waren alle wesentli-chen Informationen geschwärzt. Ein deutliches Zeichen des Missverhältnisses! Ich erwäge nun eine Klage gegen das Se-kretariat des Rates. Sie sollen mir ungeschwärzte Akten über die vertraulichen Debatten zur Steuer vorlegen.Das Klischee, die da in Brüssel mauscheln in Hinterzimmern, stimmt?Man muss differenzieren. Das EU-Parlament ist eine stark transparente Institution. Auch die Kommission ist in vielerlei Hinsicht besser als ihr Ruf. Dort arbeiten irrsinnig fähige Beamte. Das Problem sind die 28 bzw. womöglich bald nur noch 27 Regierungen im Rat der Europäischen Union. Das ist der Hort der Intransparenz. Die nationalen Regierungen wollen nicht ihre Kontrolle aufgeben und se-hen es nicht gerne, dass man öffentlich erfährt, was sie in-tern besprechen. Das haben wir in der Euro-Krise gesehen, das sehen wir jetzt beim Brexit.Das Thema Brexit nervt inzwischen viele Redaktionen, aber auch die am Austrittsprozess Großbritanniens beteiligten EU-Beamten. Wie sehr plagt Sie diese never ending story?Alexander Fanta Foto: Sachelle BabbarKaum. Ich habe bis jetzt erst ein Stück über den Brexit gemacht. Meine Schwerpunkte liegen wie gesagt im Digita-len. Von den tagesaktuellen Ereignissen bin ich anders als viele andere Korrespondenten hier weitgehend entkoppelt. Das hat den Vorteil, dass ich tiefer in mein Berichtsfeld rein-gehen und investigativ arbeiten kann.Wie hat Brüssel Sie aufgenommen?Anfangs wollte mich die Europäische Kommission nicht akkreditieren mit der Begründung, netzpolitik.org sei keine Medienorganisation. Erst auf Druck von Journalistenorgani-sationen wie dem DJV ruderte sie zurück. Als Einzelkämp-fer merke ich Skepsis: Wer sind Sie, was machen Sie, werde ich oft gefragt. Es ist sicherlich einfacher, ernst genommen zu werden, wenn man für die Süddeutsche oder für die ARD berichtet. Aber ich glaube, Brüssel ist ein so offener und in-klusiver Ort, dass man auch als kleines, unbekanntes Medi-um eine Chance bekommt.Wie lange würde es dauern, bis Sie ein Interview mit Kommis-sionspräsident Jean-Claude Juncker bekämen?Das ist wohl eher aussichtslos, aber auch nicht unser Ziel. Politiker-Interviews sind die Art von Journalismus, der uns fremd ist. Wir beschaffen uns Zugang zu Information auf andere Weise. Über Informationsfreiheitsanfragen bei Be-hörden zum Beispiel. Oder mittels Datenrecherche.Europa-Geschichten gelten als Quotenkiller. Wie gut klicken Ihre?Dass EU-Themen allgemein nicht gut klicken, ist eine verkürzte Darstellung. Es kommt darauf an, welche nationa-len Auswirkungen sie haben. Der Bericht etwa über den Ge-setzentwurf, der den Fingerabdruck im Personalausweis vorschreibt, wurde sehr stark wahrgenommen. Worauf die Leser meiner Meinung nach keine Lust haben, sind proze-durale Geschichten, die erklären, wie das Verfahren läuft und was der nächste Schritt ist. Das typische Phänomen ist ja: Brüssel diskutiert jahrelang, auf einmal gibt es einen Be-schluss, prompt folgt der öffentliche Aufschrei. Dem kann man entgegenwirken, indem man konsequent die Themen in den Mittelpunkt rückt.Wie lange wird Brüssel Ihr Arbeitsmittelpunkt bleiben?Netzpolitik.org ist von Spenden abhängig. Jeder Beitrag hilft uns zu überleben. Zuletzt erhielten wir genügend Spen-den. Solange uns die Leute ausreichend unterstützen, bleibe ich in Brüssel.Zur PersonSeit Januar 2018 arbeitet Alexander Fanta für netzpolitik.org. Davor war er beim Standard in Wien und sechs Jahre bei der Austria Presse Agentur. 2017 nahm er sich ein Jahr Auszeit für ein For-schungsstipendium am Reuters-Institut in Oxford. BJVreport 4/2018Aktuelle SeminareAkademie der Bayerischen PresseRosenheimer Str. 145c · 81671 München · Telefon 089 4999920Do you like it? www.facebook.com/Akademie der Bayerischen PresseDas Akademie-Programm 2019 bietet in mehr als 280 Volontärs-Kursen und Seminaren journalistische Aus- und Weiterbildung für Einsteiger und Redaktionsprofis.##Change Management in Redaktionen (09.05.-10.05.)##Grundkurs Online-Journalismus (13.05.-24.05.)##Twitter für Journalisten und Redaktionen (20.05.-21.05.)##Influencer Marketing (23.05.-24.05.)##Für Kinder schreiben (27.05.-28.05.) BJVreport 2/201916TitelBJVreport 2/2019Ein Kampf ums ÜberlebenÖffentlich-rechtliche Sendeanstalten werden in ganz Europa heftig attackiertVon Andrea Roth Nie waren die öffentlich-rechtlichen Medi-en in Deutschland so unter Beschuss wie heute: Sie seien zu „teuer“, sie würden ih-rem Auftrag nicht mehr gerecht, sie wür-den zu viel in kostenintensive Sendungen, vor allem in Sportübertragungen finanzieren. In der Bevöl-kerung wollen viele statt einer Rundfunkgebühr lieber Abonnements für Netflix oder Amazon Prime bezahlen. Und die Chefs der Privatsender machen sich dafür stark, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ÖRR) in ihrem Angebot auf Kultur, Bildung und Nachrichten-journalismus zusammengeschrumpft werden. Längst ha-ben sich auch Parteien in die Kritikwelle eingeschaltet: Die FDP fordert die Verschlankung, die AfD sogar die Abschaf-fung des ÖRR in Deutschland. Der Druck ist aber nicht nur in Deutschland größer ge-worden, auch in anderen europäischen Ländern steigt er – zum Teil sogar wesentlich massiver. In sozialen Netzwer-ken, in Foren und auf Internetplattformen entladen Nutzer ihren Ärger auf die „Mainstream-Medien“, denen sie nicht nur bei der Flüchtlingsberichterstattung Einseitigkeit und Lüge vorwerfen. Mit dem Anwachsen populistischer Bewegungen in Eu-ropa hat diese Wut inzwischen eine politische Vertretung gefunden, die tatkräftig die negative Stimmung weiter schürt. Ob in den Niederlanden, wo gegen die angeblich politisch opportunen Programme agitiert wird, oder in Frankreich, wo Marine Le Pen den ÖRR Wahrheitsverdre-hungen vorwirft. Die Vielfalt der abgebildeten Meinungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Aufgabe und Leistung für die Demokratie wird hingegen gerne ver-schwiegen. Auch wenn in der Schweiz beim Volksentscheid die Initiative „No Billag“, die sich gegen Rundfunkgebühren wendete, mit 71,6 Prozent Nein-Stimmen deutlich abge-lehnt wurde –die Diskussion darum hat in vielen Ländern Europas die Debatte weiter befeuert. Kritik: Teuer, politisch einseitig, schwerfälligWie etwa in England, dem Urland des öffentlich-rechtli-chen Rundfunks. Zu teuer, zu schwerfällig, politisch einsei-tig – lauten die Vorwürfe trotz Reform und neuer Füh-rungsstruktur. Doch die konservative Regierung will die BBC weiter verkleinern und private Rundfunkanbieter an der Finanzierung teilhaben lassen. In Serbien, Polen und Ungarn haben die ÖRR mit ei-nem ganz anderen Thema zu kämpfen: einer unabhängigen Berichterstattung, denn die Politik nimmt hier massiven Einfluss. So hat Viktor Orbans Regierung das Mediensys-tem in Ungarn umgebaut und betreibt quasi einen Staats-rundfunk mit Verlautbarungsanspruch. Ein Mediengesetz zur „Stärkung der nationalen Identität“ wurde erlassen, eine Medienaufsichtsbehörde gegründet, mit orbantreuen Funktionären besetzt – und gut 1000 kritische Journalisten verloren ihren Job. In Polen gibt es unter anderem seit 2016 ein Gesetz, das den Minister für Staatsvermögen über die Besetzung von Leitungsposten beim ÖRR entscheiden lässt. In Serbien er-folgt die Einflussnahme etwas subtiler, „Reporter ohne Grenzen“ schreiben dazu im Länderbericht: „Oft geben Po-litiker nur ausgewählten Redaktionen Interviews. Kritische Journalisten müssen mit Überfällen von bezahlten Schlä-gern und Anschlägen rechnen. Der Staat bezuschusst einige Medien bewusst über das Schalten von Anzeigen. Diese Zuwendungen verzerren nicht nur den Markt. Manche Me-dien zensieren sich auch selbst, um an die Gelder zu kom-men.“ Das Vertrauen der Bevölkerung in den ÖRR befindet sich in diesen Ländern auf einem Tiefpunkt.„Die Realität heißt Staatsfunk“ „Was Südost-Europa im Demokratisierungsprozess braucht, sind unabhängige öffentlich- rechtlich Medien. Wie die dortigen Kollegen in unserem Ausschuss berichten, heißt die Realität in einigen Ländern statt dessen leider Staatsfunk“, sagt auch Rainer Reichert, in seiner Funktion als Vorsitzender der Arbeitsrecht-Expertenkommission der Europäischen Journalisten-Förderation. Beim BJV ist er Vorsitzender der Fachgruppe Europa.In anderen Ländern hingegen ist es die Finanzierung, die den ÖRR ins Wanken bringt, etwa in Dänemark. Hier schaffte die liberalkonservative Regierung die Rundfunkge-bühren ab und beschloss, den ÖRR zukünftig mit Steuern aus dem allgemeinen Haushalt zu finanzieren, deren Höhe vom Einkommen abhängt. Doch im Zuge dieser Umstel-lung verpflichtete man Dänemarks öffentlich-rechtliche Ra-diosender, die Ausgaben um ein Fünftel zu kürzen. Infolge der Sparmaßnahmen werden bis zu 400 Stellen gestrichen. Und Dänemark ist nicht das einzige Land, das seinen ÖRR über Steuern finanziert: Auch in Spanien, Portugal, Luxem-burg, Belgien, den Niederlanden und Ungarn müssen die Bürger keine Rundfunkgebühren zahlen. Das bedeutet gleichzeitig, dass in Zeiten wirtschaftlicher Krisen den Sen-dern dort zunehmend die Mittel fehlen. Doch was können die ÖRR tun, um weiterhin ihrem Auftrag gerecht zu werden? Wie gewinnen sie Unabhängig-BJVreport 2/2019keit gegenüber staatlichem Einfluss? Wie können sie auch jun-ges Publikum erreichen und im Bewusstsein der Bevölkerung für Qualitätsprogramme stehen? Diese Fragen waren Thema eines Workshops der Europäischen Journalisten-Förderation (EJF) Anfang März in Bukarest, an dem Journalisten aus 24 Ländern teilnahmen. Sie diskutierten Möglichkeiten und Initia-tiven, um die ÖRR in Europa wieder zu stärken. Zum Beispiel das Thema Kommunikation mit der Gesell-schaft, den Zuhörer und Zuschauern: Als gutes Beispiel aus der Praxis präsentierte sich die BBC-Academy, die mit ihrem For-mat „Young Reporters“ junge Menschen in direkten Kontakt mit den Medien bringt und so das Publikum direkt am Pro-gramm beteiligt. Auch der Vertrauensaufbau ins Sende-Programm gehört zu den vorrangigen Aufgaben der ÖRR. In Norwegen garantiert eine eigene „Ethikgruppe“ in der Norwegian Broadcasting Cor-poration (NRK) die Schaffung und Kontrolle ethischer Stan-dards in der Berichterstattung von Radio und Fernsehen. Aber auch jede einzelne Journalistin, jeder einzelne Journalist, darü-ber waren sich die europäischen Workshop-Teilnehmer einig, kann zur Stärkung der ÖRR beitragen. Das jedoch nur, wenn sie nicht zunehmend mit technischen und zusätzlichen Anforderungen belastet würden, wie es infol-ge der Sparpolitik vieler Sender der Fall ist. Ein Fernsehjourna-list zum Beispiel, der gleichzeitig den Sendeton übernehmen muss und begleitend Fotos wie Online-Videos machen soll, habe kaum mehr Kapazitäten, inhaltlich qualitätvolle und da-mit einhergehend zeitaufwändigere Sendungen zu stemmen. Nur Journalisten, die von ihren Anstalten den „Rücken frei“ ge-halten bekämen für eine fundierte und gute Arbeit, könnten zu einem Qualitätsjournalismus der ÖRR beitragen, so ein Fazit des Workshops. Den demokratischen Werten nahLaut einer Statistik der Europäischen Rundfunkunion (EBU) aus dem Jahr 2016 stehen übrigens Menschen, die sich durch ÖRR informieren, demokratischen Werten und Grund-sätze besonders nah und lehnen autoritäre Systeme und deren Überzeugungen ab. Die EBU ist ein Zusammenschluss von der-zeit 72 Rundfunkanstalten in 56 Staaten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens mit Sitz in Genf und wurde 1950 zum Zweck der internationalen Zusammenarbeit und des Programmaus-tauschs ins Leben gerufen. Aus dem erwähnten Bericht geht auch hervor: Das Vertrauen in Radio und Fernsehen ist in den nördlichen Ländern Europas am höchsten und in Südosteuropa am niedrigsten. 2019Bewerbenbis 30. April 2019Preisgelderinsgesamt20.000 Euro!Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbankenwürdigen seit 2012 herausragende journalistische Arbeiten.Dieses Jahr schreiben sie den Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen- Preis zum Thema Wirtschaftliche Bildung (8.000 Euro), den Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis zum Thema Verbraucher- schutz (8.000 Euro) und den Förderpreis für jungeJournalisten zum Thema Digitalisierung (4.000 Euro) aus.Ausgezeichnet werden Beiträge, die 2018 erschienen sind. Für die Preise bewerben können sich Mitarbeiter vonMedienhäusern mit Sitz in Bayern, Korrespondentenvon Medienhäusern mit Redaktionsbüros im Freistaatund freie Journalisten mit Wohnsitz oder Arbeitsplatzin Bayern. Darüber hinaus können Verleger, Chefredakteuresowie Ressortleiter Vorschläge einreichen. Der Förderpreis wird ausschließlich an Nachwuchsjournalisten vergeben. Bewerbungsmodalitäten und rechtliche Hinweise finden Sie unter www.gv-bayern.de/journalistenpreiseBewerbungen schicken Sie bitte bis zum 30. April 2019 an denGenossenschaftsverband Bayern e. V., Ursula Weiß,Türkenstraße 22 – 24, 80333 München, presse@gv-bayern.deOder reichen Sie Ihre Unterlagen online ein unter www.gv-bayern.de/journalistenpreiseDie AutorinAndrea Roth, Stellvertretende Vorsitzende im Bayerischen Journalisten-Verband, be-sucht seit 2018 die Workshops „Managing Change in Media“ der Europäischen Jour-nalisten-Föderation und ist hier Teil von Panels und Arbeitsgruppen. Foto: Günter DistlerBJVreport 2/201918Titel„Europa braucht den Journalismus“Die EJF setzt sich für einen besseren Whistleblower-Schutz, Pressefreiheit, aber auch für bessere Arbeitsbedingungen freiberuflicher Kollegen einGastbeitrag von EJF-Direktorin Renate SchroederEuropa braucht den Journalismus“: So lautet der Titel des EJF-Manifests der Europäischen Journa-listen-Föderation (EJF) im Vorfeld der Euro-pa-Wahlen. Mit acht Aktionspunkten versuchen wir mit Hilfe unserer Mitgliedsorganisationen die insgesamt 705 Kandidaten mit den uns wichtigen Themen vertraut zu machen: etwa mit Presse- und Medienfreiheit, Pluralismus, Quellenschutz, Diversität in den Redaktionsräu-men, den Rechten freier Journalisten, der Sicherheit von Jour-nalisten, mit finanzieller Nachhaltigkeit des Journalismus oder mit Urheberrechten (bjvlink.de/manifest).Mehr Schutz für WhistleblowerWie Vertrauen zurückgewinnen, wie die zunehmende Des-information bekämpfen und Europas Demokratien „retten“? Dies sind auch Ziele, die (bisher noch) die Mehrheit der euro-päischen Abgeordneten verfolgt. In der Legislaturperiode 2014 bis 2019 konnten wir in Brüssel Partner finden, um Medien-freiheit, soziale und kulturelle Rechte zu verteidigen – seien es die europäischen Presseverbände, die Europäische Rundfunk-anstalt (EBU), Reporter ohne Grenzen oder auch der Europäi-sche Gewerkschaftsbund (EGB). Das Europaparlament in Straßburg verabschiedete Ausnahmen für Journalisten bei der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse, einen verstärkten Schutz von Whistleblowern, und (hoffentlich) faire Vergütung für Autoren und Journalisten bei der umstrittenen Urheber-rechtsdirektive. Manches Endprodukt allerdings wurde von den Mitgliedsstaaten im EU-Ministerrat stark verwässert. Trotzdem kann sich Lobbyarbeit lohnen, wie die Whistleblo-wer-Direktive zeigt. Als nächstes kommt es hier auf die natio-nale Umsetzung an.Allerdings haben sich in den letzten Jahren die Bedingun-gen für Journalisten in ganz Europa sehr verschlechtert. Vier ermordete JournalistInnen innerhalb der EU (Malta, Slowa-kei, Dänemark und Bulgarien) – das hat es noch nie gegeben. Von den immer noch zirka 150 Journalisten in der Türkei hinter Gittern reden wir erst gar nicht. Journalisten in Europa stehen zunehmend unter insbesondere politischem Druck. Der Rechtsdruck und die Zunahme sogenannter populisti-scher Parteien führt zu nicht akzeptablem Angriffen auf den unabhängigen Journalismus. Dies ist nicht nur in Ungarn oder Polen der Fall, sondern auch in Ländern wie Italien, Ös-terreich bis hin zum hohen Norden mit den „Wahren Finnen oder den „Schwedendemokraten“.Nach einer in 2017 veröffentlichen Studie des Europarates zur Situation europäischer Journalisten gab es in den letzten Jahren eine Welle ungerechtfertigter Einmischung, Angst und daraus resultierender Selbstzensur. Journalisten sind zuneh-mend Bedrohungen, Gewalt und Inhaftierungen ausgesetzt. Vor allem von psychischer Gewalt berichteten die 940 in der Studie befragten Kollegen. Weit mehr als jeder zweite Befragte habe dies in den vergangenen drei Jahren erlebt. Ebenfalls mehr als die Hälfte berichtete von Angriffen im Netz: Vorwür-fe der Parteilichkeit, persönliche Angriffe, Beleidigungen.Medien, einschließlich des Internets, werden zunehmend wegen „nationaler Sicherheitsbedenken“ eingeschränkt. Eine beispiellose Medienkonzentration sowie fehlende neue Finan-zierungsmodelle behindern Vielfalt und Unabhängigkeit. Seit der Einführung der Plattform des Europarates zum Schutz von Journalisten vor vier Jahren meldeten EJF, IJF und andere Or-ganisationen der Zivilgesellschaft insgesamt 535 Warnungen.Auch der letzte Jahresbericht des Europarats „Demokratie in Gefahr: Bedrohungen und Angriffe auf die Medienfreiheit in Europa” zeichnet ein verstörendes Bild. Straffreiheit schützt routinemäßig diejenigen, die für Gewaltverbrechen verant-wortlich sind, die sich bewusst gegen Journalisten richten. Rechtsschutz wird nach und nach geschwächt und verweigert. Der Raum für die Presse, um Regierungsbehörden und die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen, wird immer enger.Nachrichtenmedien auf der ganzen Welt verlassen sich bei der Berichterstattung zunehmend auf die Arbeit freiberufli-cher Journalisten, Fotografen und Videojournalisten. Da die meisten Freelancer – ohne die Unterstützung der Verlage – in besonders prekärer Situation arbeiten, sind sie besonders an-fällig für Unterdrückung, Missbrauch und willkürliche Be-Über die EJFDie EJF ist mit 71 Mitgliedsorganisationen inklusive dem Deutschen Journalisten-Verband in 45 europä-ischen Ländern vertreten und hat – gemeinsam mit der Internationalen Journalisten-Föderation – ih-ren Sitz in Brüssel. Sie setzt sich mit Nachdruck für gewerkschaftliche und berufsbezogene Belange ein, um Presse- und Meinungsfreiheit sowie die journalistischen Rechte zu schützen und zu vertei-digen gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die EJF ist anerkannt von der Europäischen Union, dem Europarat und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) als die repräsentative Stimme von Journalistinnen und Journalisten in Europa. Mehr unter europeanjournalists.org/de.BJVreport 2/201919Titelhandlung, aber auch gerichtliche Belästigung. Körperliche Übergriffe inklusive, insbesondere von rechten Parteien und Bewegungen.In einigen europäischen Ländern dürfen freie Journalisten nicht Mitglied der Gewerkschaft oder des Berufsverbandes sein. Je mehr es Richtung Ost- oder auch Südeuropa geht, umso schwieriger steht es um die Situation freier Journalisten. In vielen Ländern können sie nicht von ihrem Einkommen leben und sind zu Nebenjobs gezwungen. Einige verlassen den Journalismus – ein Phänomen, das man inzwischen in ganz Europa beobachten kann, selbst die skandinavischen Länder eingeschlossen.Richtlinie soll Freie stärkenDie Expertengruppe Freie der EJF, in der auch der DJV ver-treten ist, verfolgt ein Hauptziel: Tarifverträge für freie Journa-listen, die nicht vom europäischen oder nationalen Wettbe-werbsrecht in Frage gestellt werden. Einer Gleichbehandlung aller Beschäftigungsformen hat das Europaparlament zwar zu-gestimmt, doch die Realität sieht bislang oft anders aus. Des-halb wurde kürzöich über die neue „Richtline über transparen-te und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union“ im Europäischen Parlament abgestimmt, doch fehlt noch der Segen der nationalen Mitgliedsstaaten. Mit der Richtlinie sollen Auftraggeber von Freien und Plattform-Arbeitern verpflichtet werden, diese vor Auftrags-erledigung über alle Vertragsbedingungen zu informieren. So keine gravierenden Gründe vorliegen, dürften Auftraggeber Freien zudem nicht die Aufnahme weiterer Beschäftigungen verbieten. Tarifvertragliche Regelungen sollen explizit erlaubt werden. Diese Gesetzesinitiative der Europäischen Kommission ist Teil der von EU-Kommissionspräsident Juncker initiier-ten „Europäischen Säule sozialer Rechte“, die, obwohl von allen Mitgliedsstaaten im November 2017 proklamiert, noch nicht viel Umsetzung erfahren hat. Ähnlich sieht es aus in Sachen Pressefreiheit und Medienpluralismus. Fest verankert im Europäischem Vertrag durch die EU-Charta der Grundrechte, dient sie vielen Politikern bislang eher als Lippenbekenntnis.Die AutorinRenate Schroeder ist Direktorin der Europäischen Journalisten-Föderation. Sie arbeitet für die EJF seit inzwischen mehr als 20 Jahren. Foto: Roland JalkhDie Pflegezusatzversicherung der DKV für Journalisten.Wer im Berufsleben nicht mit Mittelmaß zufrieden ist, wird im Alter nicht damit anfangen.Jetzt die Vorteile der Gruppenversicherung mit dem Bayerischen Journalisten-Verband e.V. nutzen:• attraktive Beiträge• Annahmegarantie für versicherungsfähige Personenwww.dkv.com/journalisten Next >