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Pressefreiheit in Gefahr: BJV zeichnet investigative Beiträge aus

Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit 2025

Der Bayerischen Journalisten-Verband (BJV) hat am 2. Mai in der Bayerischen Landesbank München die vier besten Arbeiten des bundesweit ausgeschriebenen „Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit“ ausgezeichnet.

In der Kategorie „Text/Multimedia“ siegte die Journalistin Dunja Ramadan und ihre SPIEGEL-Reportage über den „Berg Gaza“. Das fünfköpfige Team Anna Biselli, Ingo Dachwitz, Serafin Dinges, Chris Köver und Sebastian Meineck von netzpolitik.org gewann mit ihrem Podcast „Link-Extremismus" die Kategorie  „Audio“. Der Preis in der Kategorie „TV/Video“ ging an ZAPP-Autorin Konstanze Nastarowitz und ihre Reportage „Der Verteidiger – Zwischen Gericht und True Crime Show“. Den Sonderpreis „Junger Journalismus“ erhält die BR/ARD Israel-Korrespondentin Hanna Resch für ihren Artikel „Die Gefahr der Selbstzensur“ im medium magazin.

Die Auszeichnung zum „Bayerischen Journalist des Jahres 2025“ geht an den 40-jährigen Redakteur Johannes Reichart aus München. Der BJV würdigt damit dessen „herausragendes Engagement für Pressefreiheit und Journalismus in Bayern“. Reichart, der als Reporter und Videojournalist für den Bayerischen Rundfunk (BR) in den Redaktionen Landespolitik, Religion und BR24 tätig ist, war nach seiner jahrelangen kritischen investigativen Berichterstattung über die AfD durch die Partei per Hausverbot von ihren Veranstaltungen ausgeschlossen und persönlich wiederholt diffamiert worden. Der BR hatte vor Gericht durchgesetzt, dass ihr Korrespondent zum AfD-Parteitag in Greding im November 2024 zugelassen werden musste. Das Hausverbot hatte den Reporter, der bestens in der AfD vernetzt ist und mehrfach Skandale unter anderem Umsturz- und Bürgerkriegsfantasien aufdeckte, fast neun Monate lang bei seiner Arbeit behindert. Johannes Reichart hielt diesem Druck stand und ließ sich in seiner Berichterstattung nicht beeinflussen.


Die Trophäen des Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit 2025.

Video der Preisverleihung

Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit 2025 - Preisverleihung und Diskussion

Begründungen der Jury

Die Siegerinnen und Sieger

Vlnr: Johannes Reichart, Konstanze Nastarowitz, Dunja Ramadan, Ingo Dachwitz und, in Vertretung von Hanna Resch, Julian Werner.

Bayerischer Journalist des Jahres 2025

„Mit dieser erstmals vergebenen Auszeichnung wollen wir Johannes Reichart für seine Risikobereitschaft und seinen Mut würdigen, den er über viele Monate hinweg bei der Recherche und Berichterstattung über die AfD und den Rechtsextremismus gezeigt hat. Mit der Wahl zum Bayerischen Journalisten des Jahres setzt der BJV auch ein klares Zeichen, dass sich eine politische Partei nicht nach Gutdünken aussuchen darf, wer über sie berichtet und so die Presse- und Rundfunkfreiheit massiv einschränkt“

, sagt der BJV-Vorsitzende Harald Stocker. Das Preisgeld für den Journalisten des Jahres 2025 beträgt 1000 Euro und wird von der Bayerischen Landesbank gestiftet.

Matthias Priwitzer (l.), Leitung Kommunikation & Marketing der BayernLB, übergibt die Auszeichnung zum Bayerischen Journalisten des Jahres 2025 an Johannes Reichart.

Die stellvertretende BJV-Vorsitzende Andrea Roth (l.) übergibt den Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit in der Kategorie Text/Multimedia an Dunja Ramadan.

Dunja Ramadan und ihre SPIEGEL-Reportage über den „Berg Gaza“

2024 war das tödlichste Jahr für Journalisten seit über drei Jahrzehnten. In keinem anderen bewaffneten Konflikt sind so viele Journalisten getötet worden wie im Gaza-Krieg. Seit Beginn des Kriegs, ausgelöst durch das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023, hat das israelische Militär keine internationalen Journalisten in den Gazastreifen unabhängig einreisen lassen. Und auch jetzt, nach der Waffenruhe vom 19. Januar, dürften ausländische Reporter nicht von vor Ort berichten, beschreibt die 33-jährige Autorin Dunja Ramadan aus München die aktuelle Situation.

Sie ist seit Oktober 2024 als Redakteurin für den Nahen Osten im Auslandsressort des SPIEGEL tätig, davor war sie mehrere Jahre Redakteurin im Politikressort der Süddeutschen Zeitung (SZ) mit dem Schwerpunkt auf die arabische Welt. Dunja Ramadan hat in Doha und Berlin den Al Jazeera-Büroleiter Wael al-Dahdouh zu mehreren Gesprächen getroffen. Der Journalist hat im Gaza-Krieg fast seine gesamte Familie verloren, seine Frau, seine Tochter, seine beiden Söhne – und stand am nächsten Tag trotzdem wieder vor der Kamera, weil er an den Journalismus glaubt, wie er sagt.

Für dieses Porträt, das am 3. Februar 2025 im SPIEGEL veröffentlicht wurde, zeichnet der BJV Dunja Ramadan mit dem ersten Preis in der Kategorie Print/Multimedia aus.

Die Redakteurin, die Arabistik, Judaistik und Islamwissenschaften studiert hat und an der Deutschen Journalistenschule (DJS) ausgebildet wurde, erhält ein Preisgeld von 1000 Euro.

„Ein sehr reflektierter Text, herausragend geschrieben, an dem man sich lange erinnert. Das Porträt zeigt gekonnt die Komplexität des Thema auf und lässt den Leser tief in den Konflikt und in die menschlichen Momente eintauchen“

, urteilte die Jury.

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ZAPP-Autorin Konstanze Nastarowitz gewinnt in der Kategorie TV/Video

Die für das Medienmagazin ZAPP des Norddeutschen Rundfunks verfasste Reportage mit dem Titel „Der Verteidiger – Zwischen Gericht und True Crime Show“ skizziert die Medienarbeit des umstrittenen Strafverteidigers Alexander Stevens. Die 31-jährige freie Autorin Konstanze Nastarowitz konnte den Anwalt mehrere Monate lang bei seiner Arbeit begleiten und durchleuchtet in ihrem Film dessen Vorgehen gegenüber der Presse und den Medien und fragt: Spannt dieser Verteidiger die Medien vor seinen Karren oder ist freie Justiz-Berichterstattung weiterhin möglich? Wie unabhängig können Medien dann noch berichten?

Dabei scheut der Film es nicht, kritische Fragen auch im eigenen Haus zu stellen, nämlich beim BR/der ARD. „Der Sender betreibt einen erfolgreichen Podcast mit Alexander Stevens und muss sich dem Vorwurf aussetzen, sich dabei zum Instrument dieses Anwalts zu machen“, sagt die Journalistin, die seit ihrem Volontariat beim NDR überwiegend für ZAPP und einige andere Redaktionen des Senders tätig ist. Für ihre Reportage wird sie mit einem Preisgeld von 1000 Euro ausgezeichnet.

Das Urteil der Jury:

„Eine spannende Story, die handwerklich auf hohem Niveau beschreibt, welche kuriosen Pirouetten ein Verteidiger dreht, wenn er Podcasts und sogar ein Theaterstück während laufender Gerichtsverfahren aufführt. Das ist ein Medienkrimi, der auch der selbstkritischen Betrachtung viel Raum lässt.“  

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Thomas Balbierer übergibt den Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit in der Kategorie Video an Konstanze Nastarowitz.

Thomas Mrazek (l.) übergibt den Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit in der Kategorie Audio an Ingo Dachwitz, stellvertretend für ein Team von netzpolitik.org.

Team von netzpolitik.org und der Podcast „Link-Extremismus"

Die Autor*innen Anna Biselli, Ingo Dachwitz, Serafin Dinges, Chris Köver und Sebastian Meineck aus Berlin erzählen in einem sechsteiligen Podcast-Reihe mit dem Titel „Systemeinstellungen“ die Geschichten von Menschen, die unerwartet ins Visier des deutschen Staates geraten und sich durch Überwachung und andere Repressionsmaßnahmen in ihrer Arbeit und ihrem Engagement eingeschränkt sehen. Episode 1 der Reihe beschreibt, wie Journalist*innen von Radio Dreyeckland, einem nichtkommerziellen Radiosender mit Sitz in Freiburg im Breisgau,   Hausdurchsuchungen erhalten und vor Gericht landen, weil sie in einem Online-Artikel einen angeblich verbotenen Link setzen. Diese der Jury zur Bewertung vorgelegte Folge stellt die Frage, wie weit der Staat gehen darf und wer die Verantwortung übernimmt, wenn er Grenzen überschreitet – und „ob das eigentlich noch Fehler im System sind oder es System hat, dass bestimmte Menschen schneller kriminalisiert werden als andere?“,so das netzpolitik.org.-Team. 

Das Preisgeld beträgt 1000 Euro.

„Eine spannende und gelungene Story, inhaltlich stark und auch erzählerisch und technisch auf hohem Niveau. Der Hörer ist ganz nah dran am szenischen Geschehen, wenn der Protagonist Fabian berichtet, wie die Hausdurchsuchung abgelaufen ist. Die Auszeichnung des Beitrags ist als eine Art Stoppschild zu verstehen, das dem Staat und den Behörden einmal mehr bewusst machen soll, dass die Pressefreiheit im Grundgesetz steht und von ihnen mit sehr viel Fingerspitzengefühl behandelt werden muss“

, begründet die Jury ihre Entscheidung.

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Der Sonderpreis „Junger Journalismus“ geht an Hanna Resch

Zum vierten Mal hat der BJV in diesem Jahr den Sonderpreis „Junger Journalismus“ für Autor*innen bis 35 Jahre ausgeschrieben.  

Die Jury zeichnet 2025 mit diesem Sonderpreis Hanna Resch, Israel-Korrespondentin von BR/ARD aus. In ihrem im medium magazin (Ausgabe 6/2024) veröffentlichten Text beschreibt die Journalistin und Filmemacherin aus München „die Gefahr der Selbstzensur“. Am Beispiel des Nahostkonfliktes erwähnt sie, wie es viele Kolleg*innen aus Angst vor Shitstorms oder Kündigungen vermeiden, kritisch zu berichten. „Der Reflex, Themen, die vom gängigen Narrativ abweichen, gleich besser ganz sein zu lassen ist keine Zensur, die man aus Diktaturen kennt, keine die irgendwer ,da oben‘ angeordnet hat. Das ist Angst, die zu Selbstzensur führt“, diagnostiziert Hanna Resch. So entstehe ein strukturelles Problem: Die Sorge vor negativen Konsequenzen beeinflusse die Berichterstattung. Es komme zum Bruch mit journalistischen Standards – und das entfremde die Öffentlichkeit von Medien.

Die Journalistin die zu den „Top 30 bis 30 in 2024“ des medium magazins zählt, erhält ein Preisgeld von 1000 Euro, das vom Versorgungswerk der Presse gestiftet wird.

„Eine mutige und ehrliche Beschreibung der Konfliktsituation, in der sich Journalistinnen und Journalisten vielmals bewegen. Die auch vor Selbstkritik und Kritik an den eigenen Medien nicht Halt macht und daher ein wichtiger Beitrag zum Tag der Pressefreiheit ist“

, urteilte die Jury.

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Armin Hermann (l.), Leiter Business Development des Versorgungswerk der Presse, übergibt den Sonderpreis "Junger Journalismus" des Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit an Julian Werner, in Vertretung von Hanna Resch.

Die Jury

  • Thomas Balbierer, Redakteur im Bayernteil der SZ
  • Thomas Mrazek, Online-Journalist und BJV-Bildungsbeauftragter
  • Verena Nierle, Redaktionsleiterin BR Recherche/BR Data
  • Dr. Carolin Raffelsbauer, Dozentin und Vorsitzende BJV-Bezirksverband München-Oberbayern
  • Andrea Roth, Autorin und Regisseurin BR sowie stellvertretende BJV-Vorsitzende
  • Harald Stocker, BJV-und Jury-Vorsitzender

Von l.n.r.: Verena Nierle, Thomas Balbierer, Harald Stocker, Dr. Carolin Raffelsbauer, Andrea Roth, Thomas Mrazek.

Rückblick

Alle Informationen zur Preisverleihung des Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit 2024 finden Sie hier.

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