BJVreport
Wenn die Polizei um 6 Uhr früh vor der Haustür steht
Interview von
Maria Goblirsch


Was man als Journalist*in bei einer Hausdurchsuchung beachten sollte.
Die Presse genießt einen besonderen Schutz, wenn der Staat in ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit eingreifen will. Das gilt auch bei einer Hausdurchsuchung zur Beschaffung von Beweismitteln. Die Münchner Strafverteidigerin Rosa Mayer-Eschenbach sagt, was man sich als Journalist*in gefallen lassen muss und was man in keinem Fall tun sollte.
Wann darf eine Hausdurchsuchung stattfinden?
Rosa Mayer-Eschenbach: Es muss ein konkreter Tatverdacht gegen den Beschuldigten gegeben sein. Für die Durchsuchung muss der Beschluss eines Richters vorliegen (§105 StPO), aus dem hervorgeht, gegen wen sich diese Maßnahme richtet und was der Grund für die Hausdurchsuchung ist. Lassen Sie sich den Beschluss und die Dienstausweise der Beamten zeigen und notieren Sie sich Namen und Dienstnummern. In aller Regel bekommt der Beschuldigte eine Abschrift, sonst sollten Sie eine Kopie verlangen oder bitten, dass Sie eine Aufnahme mit dem Handy machen dürfen. Bei „Gefahr im Verzug“ braucht es keinen Beschluss.
Muss ich die Polizei in die Wohnung/Redaktionsräume lassen?
Ja, Sie müssen die Beamten reinlassen, wenn sie einen Durchsuchungsbeschluss vorzeigen können (oder Gefahr im Verzug ist). Verweigern Sie ihnen nicht den Zutritt, die Polizei darf sich auch gewaltsam Zutritt verschaffen. Bewahren Sie Ruhe, bleiben Sie höflich und leisten Sie keinen Widerstand. Sonst riskieren Sie eine Anzeige wegen Beleidigung (185 StGB) oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (113 StGB).
Muss ich Aussagen machen oder PIN oder TANS herausgeben?
Nein. Machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch, außer den Personalien müssen Sie nichts angeben. Lassen Sie sich in keinem Fall auf beiläufige Gespräche ein, die Ihnen hinterher als Aussage zum Tatvorwurf ausgelegt werden könnten. Unterschreiben Sie nichts, Sie müssen auch das Protokoll der Durchsuchung nicht unterzeichnen. Bei der Hausdurchsuchung müssen Sie nicht mitwirken, also auch keine PINs oder Tans von Handys, PC oder Laptop herausgeben und auch nicht angeben, wo sich Gegenstände oder Datenträger befinden. Sie dürfen sich Notizen machen, sollten festhalten, was durchsucht oder beschlagnahmt wurde.
Darf ich einen Anwalt zur Durchsuchung dazu holen?
Ja, das ist in den meisten Fällen ratsam. Sie haben als Beschuldigter jederzeit das Recht, eine Anwält*in hinzuzuziehen. Wenn Sie keine kennen, finden Sie Notrufnummern 24/7 auf der Seite der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. und von Kanzleien. Bitten Sie die Beamten, bis zum Erscheinen des Rechtsbeistandes mit der Durchsuchung zu warten.
Welche besonderen Rechte habe ich als Journalist*in?
Die Presse darf sich auf Artikel 5 Grundgesetz und den Quellenschutz berufen und Informant*innen schützen. Bei einem staatlichen Eingriff muss in jedem einzelnen Fall vom Richter abgewogen werden, ob das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung oder das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit überwiegt. Das Bundesverfassungsgericht hat im so genannten Cicero-Urteil entschieden, dass eine Durchsuchung von Redaktionsräumen und gegen Presseangehörige nicht dem Zweck dienen darf, die Identität von Informanten zu ermitteln oder irgendwelche mutmaßlichen Straftaten zu ermitteln. Es muss vielmehr ein konkreter Verdacht vorliegen, dass der Journalist oder die Journalistin eine Straftat begangen hat.
Können sich freie Journalisten und Onliner auf das Urteil berufen?
Je professioneller die journalistische Tätigkeit betrieben wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass man auch diesen Schutz als Berufsgeheimnisträger*in genießt. Das Landgericht Würzburg hat 2022 die Durchsuchung der Wohnung des Journalisten Thomas Herterich, der online mit Fotos über eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen berichtet hatte, für rechtswidrig erklärt. Das Gericht bestätigte damit, dass wer online berichtet, „nicht nur ein möglicher Aktivist sein kann, sondern auch Journalist“.
Zu welcher Tageszeit darf eine Hausdurchsuchung stattfinden?
Zwischen 6 Uhr morgens und 21 Uhr abends. Oft durchsucht die Polizei zwischen 6 und 7 Uhr, weil sie sich da erhofft, die Person auch anzutreffen und auf den Überraschungseffekt setzt. Besteht Gefahr im Verzug, sind Ausnahmen möglich und die Polizei darf auch nachts durchsuchen. Welche Räume durchsucht werden dürfen, muss im Durchsuchungsbeschluss dargelegt sein.
Darf die Polizei auch mich durchsuchen?
Ja, die Beamten dürfen unter bestimmten Umständen die Person durchsuchen, um Beweismittel wie etwa ein Handy zu finden. Dies umfasst das Abtasten und eine oberflächliche Untersuchung des Körpers. Für eine invasive Untersuchung von Körperöffnungen braucht es einen eigenen richterlichen Beschluss.
Kann ich mich im Nachhinein gegen die Hausdurchsuchung wehren?
Ja, gegen den Durchsuchungsbeschluss kann Beschwerde erhoben werden und der Verwertung der Beweise kann widersprochen werden. Während der Durchsuchung sollten Sie der (freiwilligen) Sicherstellung von Gegenständen widersprechen, sodass diese beschlagnahmt werden müssen. Verlangen Sie die Versiegelung von Dokumenten. Die Polizei darf nur sichten, nicht lesen! Dokumentieren Sie Beschädigungen an Ihrem Eigentum.
Dieser Artikel erschien zuerst im BJVreport 03/2025