Press Ahead
Christian Jakubetz im Gespräch: "KI ist unser wichtigstes Werkzeug"
Interview von
Chris Schinke


Christian Jakubetz bei seinem Workshop für Press Ahead im Mai 2025.
Christian Jakubetz, Medienunternehmer, Digitalexperte und langjähriger Journalist, sprach beim Newcomer-Camp des BJV über die Bedeutung künstlicher Intelligenz für den Journalismus.
Im Interview erläutert er, warum KI heute unser wichtigstes Werkzeug ist, wie sie unsere Arbeitsweise verändert und warum Journalist:innen gerade jetzt den Mut aufbringen sollten, sich mit dieser Technologie aktiv auseinanderzusetzen.
Herr Jakubetz, in Ihrem Vortrag sprachen Sie von KI als "Daniel-Düsentriebs Helferlein". Was genau meinen Sie damit?
Ich benutze diesen Vergleich gern, weil beim Thema KI oft zuerst an die generative Form gedacht wird – also Texte, Bilder oder Videos, die eine KI erzeugt. Dabei ist das oft qualitativ eher Durchschnitt, es sei denn, man weiß sehr genau, wie man damit arbeitet. Das eigentlich Spannende ist für mich das Helferlein: KI als Assistent. Sie gibt Struktur, liefert Ideen, bietet Recherchehilfen – oder ermöglicht Skalierung. Ich mache aus einem Text ein Video, aus dem Video einen Podcast, aus dem Podcast Social-Media-Posts. Das ist diese kleine Figur auf der Schulter, die sagt: Probiere doch mal das. Das ist für mich heute der realistischste und produktivste Einsatz von KI.
Sie sagten auch: KI ist unser allerwichtigstes Werkzeug. Gilt das besonders für junge Kolleg:innen?
Das betrifft alle, aber für Jüngere ist es besonders relevant. Wenn ich heute 25 bin, habe ich womöglich noch 30 Jahre in diesem Beruf vor mir. Und so wie heute niemand mehr fragt, ob jemand mit einem Laptop umgehen kann, wird man in wenigen Jahren nicht mehr fragen: Kennen Sie sich mit KI aus? Das wird Grundvoraussetzung. Diese Technik entwickelt sich so schnell, dass es dafür kaum Fortbildungsangebote gibt, geschweige denn Curricula. Man muss es sich selbst aneignen.
In Ihrem Workshop sprechen Sie offen über Ihren eigenen Einsatz von KI. Wäre mehr Transparenz über KI-Nutzung im Journalismus wünschenswert?
Ja, absolut. Gerade im Textjournalismus gibt es diese Hemmung. Vielleicht aus Angst, dass an die eigene Leistung relativiert oder sich überflüssig macht. Dabei liegt die Zukunft nicht darin, dass KI alles ersetzt, sondern darin, dass sie unterstützt. Man muss sich fragen: Brauchen wir künftig überhaupt noch Menschen, die klassische Pressemitteilungen schreiben? Wahrscheinlich eher nicht – das kann KI inzwischen ziemlich gut. Aber Kreativität, Haltung, die unverwechselbare Stimme – das kommt von uns. Nur: Wenn wir nicht darüber reden, wie wir mit KI arbeiten, bleibt es im Ungefähren.
Sie stellten das Tool Riverside als besonders geeignet vor. Welche KI-Tools sind für Journalist:innen besonders hilfreich?
Riverside kommt sehr nah an ein All-in-One-Tool heran: Text, Audio, Video, Content Management. Wenn man journalistisch arbeitet, sollte man es sich mal ansehen. Auch interessant: Notebook LM von Google. Das ist ein potenziell sehr starkes Recherchewerkzeug, mit dem man Inhalte skalieren, organisieren und analysieren kann. Ansonsten hängt es stark vom eigenen Workflow ab. Die Frage sollte immer lauten: Was will ich produzieren? Und dann suche ich mir das passende Tool. Aber: In einem Jahr ist vielleicht schon alles wieder veraltet.
Welche Rolle spielen virtuelle Studios in der modernen Produktion?
Virtuelle Studios sind eine Riesenchance. Nicht nur für TV, auch für Social-Formate, Podcasts oder Interviews. Ich kann remote mit jemandem sprechen, der in New York sitzt, und das aussehen lassen, als säßen wir im selben Studio. Das war früher schlicht nicht möglich. Heute ist es ein Knopfdruck. Die Technik ist heute nicht mehr das Problem – entscheidend sind Idee, Umsetzung und Inhalt.
Sie sprachen auch davon, dass Mediengrenzen verschwimmen. Was bedeutet das für die journalistische Ausbildung?
Ein journalistischer Text allein reicht heute oft nicht mehr. Wer einen Podcast macht, sollte wissen, wie ein Reel auf Instagram funktioniert. Wer auf TikTok geht, sollte wissen, wie dieser Kanal funktioniert. Technik kann man lernen, aber entscheidend ist das Verständnis für Plattformlogik. Ich komme vom Zeitungshandwerk. Heute müsste ich mir überlegen: Was ist der Social-Spin? Was machen wir auf YouTube draus? Wie erreicht man die Community? Das ist eine völlig andere Anforderung – ein ganz anderes Berufsbild als noch vor zehn Jahren.
Wie genau hat KI Ihre Workflows verändert?
Ich mache 25 bis 30 Prozent mehr Output in derselben Zeit. Das betrifft vor allem Skalierung: Aus einem Podcast wird Text, Video, Social-Media. Transkriptionen? Früher Handarbeit, jetzt ein Klick. Ideenentwicklung für Formate? Lass dir von der KI Vorschläge machen. Mastering von Ton oder Video? Alles automatisiert. Klar, das letzte Wort habe aber ich.
Wo spart KI konkret Zeit ein?
Bei allem, was mit Datenverarbeitung zu tun hat – Transkriptionen, Strukturierung, Standardtexte wie Show Notes. KI entlastet im Alltag. KI ist nicht kreativ – aber sie ist extrem schnell. Wenn sie mich in diesen Prozessen entlastet, habe ich mehr Raum fürs Denken.
Aber es bleibt auch eine Verantwortung, gerade wenn es um Genauigkeit geht. Wo sehen Sie da journalistische Pflicht?
Wir müssen KI gegenprüfen. Sie ist kein Orakel. Sie behauptet Dinge, auch wenn sie falsch sind. Da braucht es redaktionelles Wissen. Das ist wie beim Autopiloten: Du musst die Hände am Steuer lassen. Du bist verantwortlich. Und wir müssen lernen, wie man mit KI spricht. Wer schlecht promptet, kriegt schlechte Ergebnisse. Also: lernen, reflektieren, kritisch bleiben.
Was raten Sie Kolleg:innen, die sich nicht so recht an das Thema heranwagen?
Angst ist ein schlechter Berater. Technik ist nie gut oder schlecht, sie ist ein Werkzeug. Ob du daraus etwas Gutes machst, liegt an dir. Also: ausprobieren, Fehler machen, lernen. Sich verweigern bringt nichts. KI ist keine Zukunftstechnologie mehr, sondern längst Teil der Gegenwart.
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