Press Ahead
Wie sich die Attraktivität des Volontariats steigern ließe – ein Brainstorming
Bericht von
Michaela Schneider

Beim Bildungsgipfel diskutiert der BJV-Vorsitzende Harald Stocker mit Vertretern aus Medienhäusern und Politik über Wege, um die Journalismus-Ausbildung aufzuwerten.
Es gebe sie – die unglaublich talentierten jungen Leute, sagt Harald Stocker, Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbandes. Allerdings spiegelten viele Medienhäuser, dass sie die Volontariatsstellen nicht mehr besetzt bekämen. Und noch dazu sind gut ausgebildete Journalist:innen – hochtalentiert, stressresistent und arbeitswillig zu jeder Tag- und Nachtzeit – in der Industrie längst hochbegehrt.
Was also tun, um einerseits die Attraktivität des Volontariats zu steigern und andererseits ein Abwandern in andere Branchen zu verhindern? Darüber diskutierte Harald Stocker nun beim ersten Journalismus-Bildungsgipfel des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV) im Anschluss an das Newcomer-Camp Press Ahead in der Katholischen Akademie Bayern in München in einem „Anfangsversuch eines Brainstormings“ mit Vertretern aus Medien und Politik. Im Folgenden einige Impulse aus der Talkrunde.
Gut vorstellen könnte sich BJV-Chef Harald Stocker Standards für die Volontär:innenausbildung und einen staatlich anerkannten Ausbildungsabschluss nach dem Volontariat. Viele Hochschulen böten Medienstudiengänge an. Die Frage aber sei: Was hätten jene ohne Studienabschluss in der Hand? Es sei für ihn eine Frage der Gerechtigkeit: Wer eine Ausbildung auf hohem Niveau durchlaufen habe, sollte anschließend auch einem anerkannten Abschluss bekommen, der an Medienstudiengänge heranreiche. Stocker stellt zudem die Idee in den Raum, ob nicht auch über einen IHK-Abschluss diskutiert werden sollte. Dass hier ein dickes Brett zu bohren sein wird, ist ihm bewusst: Die Branche sei es nun mal seit 150 Jahren gewohnt, dass Häuser für sich selbst ausbildeten.
Dem Bayerischen Rundfunk steht ein großer Generationenübergang bevor, rund die Hälfte der Belegschaft wird in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, verweist Intendantin Katja Wildermuth auf die Boomergeneration. Und so stellt sich dort durchaus die Frage, wie sich die Kolleg*innen ersetzen lassen. Auf Stockers Vorschlag eines staatlich anerkannten Abschlusses schaut sie aber mit einer gewissen Skepsis: „Je höher wir die Anforderungen schrauben, desto schwieriger wird der Zugang.“ Sie plädiert dafür, dass sich Redaktionen deutlich vielfältiger aufstellen sollten, das Recruiting müsse aus der elitären Ecke raus: „Wir haben uns über Jahrzehnte zu homogen rekrutiert.“ Daran soll beim BR unter anderem das Puls Talente Programm etwas ändern – ein Trainee-Programm, das sich explizit an junge Leute mit unkonventionellen Biografien richtet. Inflexibilität würde eher hindern, zumal im Volontariat inzwischen eine viel größere Differenzierung geschehe. Wildermuth nennt etwa die Bereiche Hosts, Storytelling, Datenjournalismus oder auch Projektmanagement. Der Startpunkt des Volontariats müsse standardisiert sein; den Endpunkt zu standardisieren würde der Ausbildung nicht gerecht.
Annette Schumacher, Geschäftsführerin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, beobachtet: Viele private Sender stehen unter finanziellen Zwängen und greifen gerne auf Volontierende zurück, die dann „Hands on“ mitarbeiteten. Andere fänden erst gar keine Auszubildenden mehr – auch weil die Branche mit Blick auf Bezahlung, Perspektiven und etwa auch Arbeitszeiten für junge Menschen an Attraktivität verloren habe. Schumacher sieht in Kooperationen „das Gebot der Stunde“, und zwar über alle Medienhäuser hinweg – und auch Intendantin Wildermuth spricht von „einer Art Zentrum für Nachwuchsjournalist:innen und Ausbilder:innen“. Auf die Idee, neben dem normalen Volontariat ein „Volontariat Deluxe“ zu erschaffen, blickt Schumacher kritisch: „Ich denke, das würde eher abschreckend wirken. Man darf die Medienhäuser nicht überfordern, was die Vergleichbarkeit und Anforderung der Ausbildung angeht.“
Volontierende schauen heute sehr gezielt, was ihnen geboten wird, beobachtet Michael Busch, BJV-Ehrenvorsitzender und Ausbildungsleiter bei der Mediengruppe Oberfranken. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden - und so betont Busch mit Verweis auf den Tarifvertrag über das Redaktionsvolontariat an Tageszeitungen: Es gebe einen Ausbildungsvertrag. Das Problem: Er sei existent, jedoch nicht allgemeinverbindlich. Ein Kernproblem der Volontär:innenausbildung in einigen Häusern: Auszubildende werden allzu oft als billige Arbeitskräfte missbraucht. Und: Es gebe viele unterschiedliche, sehr gute Ausbildungsangebote. „Da sind lauter tolle Sachen. Aber wir schaffen es nicht, das Thema so intensiv anzugehen, dass wir sie zusammenbringen“, plädiert er für noch deutlich mehr Kooperation.
Die Landtagsabgeordnete und medienpolitische Sprechern der SPD, Martina Fehlner, ist selbst ausgebildete Hörfunkjournalistin. Gerade in Zeiten gezielter Falschinformationen brauche es gute Journalist:innen auf allen Feldern. „Wir müssen alles tun, um den Beruf attraktiver zu machen“, sagt sie.
Er verschließe sich keiner Debatte, wie man den Beruf besser machen könne, sagt der Landtagsabgeordnete Michael Piazolo (Freie Wähler), Staatsminister a.D. und BR-Rundfunkrat. Journalist sei ein ungeschützter Begriff, es müsse das Interesse eines Journalisten-Verbandes sein, bestimmte Standards zu setzen. Allerdings verweist er auch auf die Gefahr, die Hürden zum Berufszugang noch höher zu legen. Würde zum Beispiel die Ausbildung länger dauern? Er stellt unter anderem den Vorschlag zur Diskussion, Standards zu definieren, diese an die bestehende Ausbildung anzudocken und mit einem Label zu versehen.
Es gebe ein wunderbares Volontariat, aber keiner wisse davon, meldet sich im Publikum die Volontärin einer Tageszeitung zu Wort. Ihr Appell: „Gehen Sie in die Schulen und erzählen Sie davon!“ Auch fordert sie dazu auf, noch mehr Medienkompetenz in die Schulen zu tragen. Hier sei die Politik eindeutig gefordert, greift Landtagsabgeordnete Fehlner den Impuls auf: „Medienkompetenz muss ein Schulfach werden.“
Isolde Fugunt, journalistische Direktorin des Instituts zur Förderung des Publizistischen Nachwuchses (IFP), ist überzeugt: Nicht ein fehlender anerkannter Abschluss, sondern eher die Rahmenbedingungen sind der Grund dafür, dass das Volontariat an Attraktivität verloren hat. „Die Leute fragen nicht: Bekomme ich einen Abschluss? Sie wollen wissen: Werde ich übernommen? Wie attraktiv ist das Umfeld? Wie werde ich bezahlt?“