Die Veranstaltung im PresseClub München war gut besucht.
Foto: Benedikt Frank

Bezirksverband München-Oberbayern

Podiumsdiskussion: Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten

Der BJV spricht unter anderem mit Betroffenen und Polizei-Vertretern über Lösungsvorschläge

München, 08.11.2022

„Noch steht es um die Pressefreiheit in Deutschland verhältnismäßig gut, aber man muss sich Sorgen machen“, fasst die Dozentin für Medien und Journalismus Dr. Carolin Raffelsbauer die aktuelle Lage zusammen. Verhältnismäßig gut steht es, weil Journalistinnen und Journalisten hierzulande keine erklärten Staatsfeinde sind, anders als in vielen autoritären Staaten weltweit. Sorgen muss man sich machen, weil diejenigen, die sich einen repressiven Umgang mit der Presse auch in Deutschland wünschen, die Sache immer wieder selbst in die Hand nehmen.

Der Bezirksverband München-Oberbayern des Bayerischen Journalisten-Verbands hatte gemeinsam mit den Fachgruppen Rundfunk und Online am Dienstagabend in den PresseClub München geladen, um sich dieser Sorgen anzunehmen. Auf dem Podium sprach man über die zunehmenden Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten – und darüber, wie ein besserer Schutz aussehen kann. Nach einer kurzen Begrüßung durch Marlo Thompson übernahm Jürgen Schleifer die Moderation.

Betroffene Reporter berichten von Übergriffen

Mit dabei: Zwei Kollegen, die selbst Ziel von Angriffen waren. Ein Journalist des Bayerischen Rundfunks, der im August am Rande einer Pressekonferenz von Gesundheitsminister Holetschek von einem Rechtsextremisten angegriffen wurde, gab dem Thema zwar kein Gesicht, aber eine Stimme. Der Kollege war zu seinem Schutz nicht selbst im Raum, sondern anonym zugeschaltet. Er berichtete von wenig Polizeipräsenz, die sich zudem auf den Schutz des Ministers konzentriert hatte. Der Angriff lief für ihn relativ glimpflich ab, unwohl fühlte er sich danach dennoch. Ein psychologisches Coaching half beim Umgang mit der Tat. „Es ist traurig, dass es so weit gekommen ist, dass man mit einem Bodyguard unterwegs sein muss“, fasste der Kollege zusammen, denn eigentlich will er sich als Reporter ohne Bewachung frei bewegen.

Thomas Witzgall, der als Leiter des Portals Endstation Rechts Bayern über rechtsradikale Demonstrationen berichtet, trifft dort regelmäßig auf Feinde der freien Presse. Es komme ständig vor, dass man als Reporter bespuckt oder mit Böllern beworfen werde. Auch verurteilte Gewalttäter kamen ihm schon unangenehm nahe. Zudem sei es üblich, dass die Leute mit „Quatsch-Jura“, dass das Fotografieren einzelner Personen verboten sei, gegen ungewünschte Berichterstattung vorzugehen versuchten. Meist sei es nicht mehr so einfach, die Gefahren zu erkennen. „Früher war die rechte Szene überschaubar. Da gab es die NPD und die Kameradschaften“, erklärte Witzgall: „Jetzt ist sie vielseitiger, das macht sie schwieriger zu erfassen.“ Von der Polizei fühle er sich nicht immer gut geschützt, immer wieder werde er von dieser sogar als Störfaktor behandelt.

Wie können sich Journalistinnen und Journalisten besser schützen?

Die Polizei war in Person von Andreas Franken, Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation des Polizeipräsidiums München, auf dem Podium vertreten. Ihm zufolge sei ein polizeilicher Personenschutz für einzelne Reporter weder machbar, noch von diesen selbst gewünscht. So kam die Frage auf, ob und wie der Umgang mit gewalttätigen Konfrontationen in der Journalismus-Ausbildung trainiert werden kann. Der berichtenden Presse riet Franken, die Polizei-Pressestellen und die Einsatzleitung im Vorfeld über ihre Teilnahme zu informieren, damit diese sich darauf einstellen können. Straftaten sollte man unbedingt zur Anzeige bringen. „Die Polizei hat die Aufgabe, die Grundrechte zu schützen und die Pressefreiheit gehört dazu“, stellte Andreas Franken klar. Dem BJV bot er an, bei einem gemeinsamen Jour Fix regelmäßig darüber zu sprechen, wie unsere Kolleginnen und Kollegen besser zu schützen wären und wie seine eigenen Leute besser für diese Aufgabe geschult werden können.

Ein Angebot, auf das Dennis Amour gerne einging. Allerdings mit einer Anmerkung: „Wir dürfen nicht immer nur mit Polizei-Pressesprechern reden, die wissen in der Regel Bescheid“, sagte der BJV-Geschäftsführer: „Die normalen Polizistinnen und Polizisten im Einsatz müssen besser sensibilisiert werden.“ Er wies darauf hin, dass nicht nur die tätlichen Angriffe den BJV beschäftigen, sondern vor allem auch das gesellschaftliche Klima, das sich immer stärker gegen Journalistinnen und Journalisten wendet. Auch unterhalb der Grenze zur strafrechtlichen Relevanz, käme es zunehmend zu Aktionen und Einschüchterungs-Versuchen. Zudem werde nicht alles angezeigt, weil die Angst besteht, dass die in der rechten Szene vernetzten Beschuldigten so an die Privatadresse der Angegriffenen gelangen.

Medienbildung, Schutz-Initiativen, Aufklärungsarbeit

Carolin Raffelsbauer bestand darauf, dass es nicht alleine den Reporterinnen und Reportern überlassen sein darf, sich selbst zu schützen. Vielmehr müsse ein positiver gesellschaftlicher Wandel durch eine bessere Medienbildung eingeleitet werden. „Ich glaube nicht, dass Journalisten so viel Zeit haben, bis die Gesellschaft sich ändert“, entgegnete Dennis Amour. Er verwies auf Initiativen, die sich derzeit in dem Bereich bilden: Unter anderem hatte die Europäische Journalisten-Föderation kürzlich in Bonn ein Training für Journalistinnen und Journalisten angeboten, der BJV wird demnächst am runden Tisch mit der bayerischen Staatskanzlei und dem Innenministerium konkrete Lösungsvorschläge erörtern. An dieser Stelle sollen auch der Schutzkodex für Medienhäuser und das Projekt „Konsequent gegen Hass“ nicht unerwähnt bleiben, die beide vom BJV unterstützt werden.

Bevor die Veranstaltung endete, kam die Diskussion auf den bundesweit einheitlichen, von der Innenminister-Konferenz anerkannten Presseausweis zu sprechen. Sich für dessen bessere Anerkennung einzusetzen war ein Auftrag des DJV-Verbandstags vom vorangegangenen Wochenende. Insbesondere in sensiblen Situationen, die wenig Zeit zur Überprüfung lassen, kann der Presseausweis helfen, seriöse Journalistinnen und Journalisten von als Presse getarnten Aktivisten zu unterscheiden.

Benedikt Frank

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