„Die kompliziertesten Spiele aller Zeiten“, sagt Christoph Netzel, ARD-Teamchef Olympia 2022 und BR-Sportchef
Foto: Screenshot Cornelia Braun

Fachgruppe Rundfunk

Verhaltene Vorfreude auf die Olympischen Winterspiele

Die Spiele in Peking fordern Sportler*innen und Journalist*innen gleichsam heraus

München, 21.01.2022

In zwei Wochen werden die 24. Olympischen Winterspiele in Peking (4. bis 20. Februar) mit dem traditionellen olympischen Fackellauf eröffnet. Derweil entzündet sich vor allem die Kritik über den Austragungsort. China werden international immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Der autoritäre Staat wird für seinen Umgang mit Minderheiten und Religions-, Presse- und Meinungsfreiheit gerügt.

Im Lichte dieser Ereignisse veranstaltete der BJV eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Olympischen Winterspiele 2022 – Arbeitsbedingungen für Sportler*innen und Journalist*innen“. Neben Wintersportler und ARD-Sportschau-Experte Felix Neureuther diskutierten auf Einladung der Fachgruppe Rundfunk Christoph Netzel, ARD-Teamchef für Olympia 2022 und Sportchef des Bayerischen Rundfunks; sowie Astrid Freyeisen, Leiterin der BR-Redaktion Wirtschaft und Soziales, ehemalige ARD-Korrespondentin für Shanghai. Harald Stocker, Vorsitzender der Fachgruppe, moderierte die Runde. Aufgrund der Corona-Beschränkungen fand die Runde mit mehr als 40 Teilnehmer*innen digital statt.

Vorfreude ist getrübt
„Vorfreude wie es normal ist, ist bei den meisten Sportler*innen nicht vorhanden“, schilderte Felix Neureuther, der ehemalige Skirennläufer aus Garmisch-Partenkirchen die Stimmung. Der olympische Gedanke des Miteinanders sei durch die starken Einschränkungen abhandengekommen.

Ausländische Zuschauer werde es bei den Winterspielen nicht geben, inländische Besucher werden streng kontrolliert. Die Athlet*innen müssen mit Sanktionen für politische Meinungsäußerungen rechnen. Die China-Expertin Astrid Freyeisen betonte zudem die Umweltbelastung: „Das sind die am wenigsten nachhaltigen Spiele, die wir je erlebt haben“. Die Wasserknappheit in der Gegend um Peking, das Wüstenklima sowie der Neubau von Pisten und Bobbahnen seien problematisch.

Große Planungsunsicherheit für Journalist*innen
Christoph Netzel betreut als ARD-Teamchef Olympia 2022 die Berichterstattung zu den Winterspielen. Fürs crossmediale Programm hat er 25 Mitarbeiter als „eigene Augen, Ohren und Stimmen“ nach Peking entsandt, 85 Prozent der Gesamtredaktion werden jedoch am Lerchenberg in Mainz im Einsatz sein. Dort ist das ARD/ZDF-Olympiastudio.

Zum ersten Mal in der Sendergeschichte wird es kein Olympiastudio am Ort der Spiele geben. Grund dafür seien die zwei Cs: „Corona und China“. Die strikte Null-Covid-Politik und die große Planungsunsicherheit führten zu der Entscheidung. Freyeisen sprach von einem „untragbaren Zustand für Journalisten“. China habe sich seit dem Machtwechsel zu einer Orwell‘schen Dystopie eines digitalen Überwachungsstaats entwickelt.

Die Forderung nach einem Boykott der Spiele durch die beiden öffentlich-rechtlichen Sender, hält Netzel nicht für sinnvoll: „Wir müssen die Chance wahrnehmen, kritisch über die Dinge zu berichten“. Mit Journalismus könne man die Dinge eher verändern als mit einem Boykott. Netzel verwies auf eine Dokumentation, die am 31. Januar im Ersten um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird: Spiel mit dem Feuer – Wer braucht noch solche Spiele? (Online first ab 28. Januar in der ARD-Mediathek).

Starkes Zeichen der Athlet*innen gefordert
Die Gesprächsrunde war kritisch gestimmt, schlug zum Schluss jedoch auch positive Töne an. Neureuther sah die Verantwortung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Die zunehmende Kommerzialisierung und der Durst nach Prestige würden den eigentlich Sinn der Spiele überdecken.

Es läge am IOC, die Glaubwürdigkeit der Spiele zu rehabilitieren. Der Rückzug des ARD/ZDF-Studios und ausländischer Regierungsvertreter sei zwar lobenswert, doch nicht genug. Es brauche ein „Zeichen des Widerstands“ von den Athlet*innen. Neureuther war auch an der vorgenannten Dokumentation beteiligt. Und doch fand der ehemalige Olympiasportler auch versöhnliche Worte: Der Sport und wie dieser Menschen zusammenbringe, müsse bei allem Negativen im Vordergrund stehen.

Cornelia Braun

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