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Süddeutsche Zeitung vom Montag, 4. April 2016, Illustrationen: Peter M. Hoffmann
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Thomas Mrazek

Fachgruppe Tageszeitungen

Ein Datenberg ist noch längst keine Story

Wolfgang Grebenhof ordnet die "Panama Papers"-Recherche ein

Wieseth, München, 07.04.2016

Die Druckerschwärze der Aufmacher war kaum trocken, schon waren sie da: die Nörgler und Kleinreder, die Besserwisser und Zweifler. So toll sei das ja nun auch wieder nicht, was die SZ-basierte Recherche-Allianz da mit den "Panama-Papers" zutage gefördert habe.

Dass die Phalanx der Verschwörungstheoretiker Böses witterte, weil wieder Mal alle auf Putin eingedroschen hätten, aber kein einziger Name aus den USA aufgetaucht sei – geschenkt, weil in seiner Reflexhaftigkeit vorhersehbar. Doch auch ernstzunehmendere Medien waren alsbald mit kritischen Aufsätzen zur Stelle.

Vom "zweifelhaftem Erkenntnisgewinn" schrieb Meedia, und Jens Berger verstieg sich auf den Nachdenkseiten gar zu der kruden These, die beteiligten Journalisten hätten angesichts der ihnen zugespielten Datenmassen ja gar nicht mehr investigativ arbeiten müssen, sondern lediglich "anhand von Filtern und Suchbegriffen nach Infohäppchen" gesucht, "die sich in Schlagzeilen packen lassen". Das gebratene Scoop-Täubchen, so könnte man meinen, muss den Journalisten quasi direkt auf dem Teller gelandet sein.

Das wird, bei allem Verständnis für kritisches Hinterfragen journalistischer Arbeit, der Leistung der Panama-Forscher nicht gerecht. Es war und ist schließlich nicht damit getan, in einem Berg von Informationen trüffelschweingleich nach Schmankerln zu graben und die dann, in wohlfeile Worte verpackt, genüsslich zu veröffentlichen.

Zunächst einmal galt es, zu klären, wie glaubwürdig das von einem – anonymen – Informanten überlassene Material ist. Das ist klassisches, journalistisches Handwerk: Quellen-Check, Plausibilitätsprüfung, Verdachtsmomente mit belegbaren Fakten untermauern. Das erfordert angesichts der unfassbar großen Datenmenge enorme Hartnäckigkeit – und es geht nicht ohne die Hilfe von Kollegen.

Allein schon das Knüpfen und Aufrechterhalten eines Netzwerkes von 400 Journalisten aus aller Welt ist eine Leistung, die Hochachtung verdient. Wie´s ging, haben die beiden jungen SZ-Kollegen Obermaier und Obermayer in einem Falter-Interview eindrucksvoll erklärt.

Fehler durften und dürfen sich die beteiligten Kollegen nicht leisten. Denn sie haben es mit einem mächtigen Gegner zu tun: Mit einer Anwaltskanzlei, die vermutlich sämtliche Hebel in Bewegung setzen wird, um auch nur die kleinste Angriffsfläche in den aus den "Panama-Papers" resultierenden Beiträgen zu finden – und dann die Autoren gnadenlos mit allen zur Verfügung stehenden juristischen Mitteln zu verfolgen.

Schon allein deshalb ist es dreist, die Arbeit der Kollegen als "ein bisschen Datenjournalismus" abzukanzeln – oder als simples Aufblasen ohnehin längst bekannter Sachverhalte. Wer bewusst herunterspielt, welchen Aufwand das Verarbeiten geleakter Daten bedeutet, der setzt sich dem Verdacht aus, Effekthascherei zu betreiben – man wird eben leichter herausgehört, wenn man gegen den Lobeshymnen-Chor ansingt.

Auch das jüngste Mega-Daten-Leak werde wieder verpuffen, ohne dass nennenswerte Konsequenzen folgen werden, unken Kritiker. Das mag sein. Doch wenn es so käme: wäre das die Schuld der beteiligten Journalisten, die zu einem – zweifellos nicht ganz unbekannten – Sachverhalt eine Vielzahl neuer Fakten geliefert haben und mit Sicherheit noch liefern werden? Wohl kaum.

Es ist an der Gesellschaft, nicht nur ein paar Tage lang zu meckern über die Ungerechtigkeit des Systems und die Machtlosigkeit der Politiker, sondern Konsequenzen zu fordern – lautstark und unüberhörbar. So wie die Isländer, die innerhalb weniger Tage ihren zunächst noch arrogant über die Vorwürfe hinweg polemisierenden Regierungschef zum Teufel gejagt haben. Noch nicht einmal, weil Sigmundur Davíð Gunnlaugsson etwas Illegales getan hat.

Sondern weil er Wasser predigte, während er in Champagner badete. Mag sein, dass die Offshore-Briefkasten-Praktiken legal sind – moralisch sind sie allemal verwerflich. Das sollte einer Gesellschaft eigentlich genügen, um das Unterbinden solcher Praktiken mit Nachdruck zu fordern.

Die am Projekt “Panama Papers” beteiligten Journalisten tun das, was ihre Aufgabe ist: Sie bringen relevante Informationen ans Licht; sie stricken Geschichten aus Fakten, die sie sammeln, bewerten und einordnen. Was die Öffentlichkeit, was die Politik, was staatliche Institutionen letztlich daraus machen, darauf haben sie keinen direkten Einfluss. Sie leisten lediglich die Vorarbeit, die freilich erst möglich macht, dass sich etwas verändert – sofern eine Mehrheit das möchte.

Seien wir also gespannt, was das Panama-Team noch alles zu Tage fördert in den kommenden Wochen und Monaten. Seien wir froh, dass es noch Redaktionen gibt, die sich an ein Projekt dieser Dimension wagen können, weil sie die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen dafür haben. Und betrachten wir, statt herumzunörgeln, die journalistische Fleißarbeit der Kollegen als das, was sie im Kern ist: Als wertvollen Beitrag zu einer funktionierenden Demokratie.

Wolfgang Grebenhof

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Facebook-Seite von Wolfgang Grebenhof.

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Der BJV trägt zum Datenjournalismus auch etwas bei: Am Montag, 18. April, 18.30 Uhr, laden die Fachgruppen Online und Freie Journalisten zum Vortrag: „Trend Datenjournalismus: Hype oder Zukunftsmarkt?“ mit Bernd Oswald ein. Am Mittwoch, 1. Juni 2016 startet unser fünfteiliges Webinar: Einstieg in den Datenjournalismus mit Bernd Oswald und Vanessa Wormer, Datenjournalistin bei Süddeutsche.de, die an den PanamaPapers-Recherchen beteiligt war.

 

 

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