"APPsolut überall informiert – Bayern und die Welt in der Tasche", so wirbt der Bayerische Rundfunk seit September für BR24
Foto: BR/Sylvia Bentele

Fachgruppe Rundfunk

Viel Erfolg, wenig Leute

BJV informierte sich über die App BR24 des Bayerischen Rundfunks

München, 10.12.2015

„Die Tagesschau überholen wir oft“, verkündet Wolfgang Vichtl mit breitem Grinsen. Von dem will der Leiter der Webaktualität des Bayerischen Rundfunks den ganzen Abend nicht lassen. Es ist aber auch eine Erfolgsmeldung nach der anderen, die er den Kolleginnen und Kollegen vom BJV in einem Gespräch über die neue News-App BR24 erzählt, zu dem die Fachgruppen Rundfunk und Online und der Bezirksverband München-Oberbayern nach Freimann eingeladen hatten.

Der ganze BR in der Hosentasche
Seit September kann man die App downloaden. Ein junges Team hat sie entwickelt, mit dem ausdrücklichen Auftrag, sich nicht allzu sehr an anderen Apps zu orientieren, sondern das zu produzieren, was sie gerne selbst nutzen. Herausgekommen ist, erklärt Projektleiter Christian Daubner, das erste trimediale Produkt mit Text, Bildern und Videos – „der BR in seiner ganzen Bandbreite in der Hosentasche“. Derzeit hat man 155.000 User und bietet täglich rund 200 Inhalte.

Nutzerfreundlich
„Jeder sein eigener Chefredakteur.“ Mit diesem Slogan bewirbt der BR seine neue App. Das bedeutet, dass der User durch Verschlagwortung, etwa Regionales, Sport oder Bayern, den Nachrichtenstrom vorsortieren kann. Da die News 24 Stunden lang erneuert werden, steht die neueste Nachricht im gewählten Bereich stets oben. Es gibt auch den Stream „Alle“, die Auswahl der Redaktion aus allen Bereichen. Diesen Stream bevorzugt die Hälfte der User. Das Motto der Redaktion laut Vichtl: „Wer den Stream verfolgt, soll am Abend durch die Tagesschau nicht mehr überrascht werden.“

Ausnutzen des Netzwerks
Die Redaktion nutzt die Trimedialität ausgiebig. Oben steht immer ein großes Bild, dann die Schlagzeile, dann weiterer Text oder ein Video oder mehr Bilder. Man profitiert da vom BR-Netzwerk. Bei den Kurztexten bedient man sich oft der Radiomanuskripte. Die, sagt Vichtl, haben eine ähnliche Sprache wie die Onliner. Bei Bildern stehen, wie den anderen Redaktionen auch, vor allem Picture Alliance oder Standfotos aus Videos zur Verfügung. Hintergrund wird von Fachredaktionen übernommen, z.B. als Link auf eine Plusminus-Sendung. Den Hintergrund liefern die Fachredaktionen fertig, aber nur der App-CvD darf ihn, wie auch alle anderen Meldungen, freigeben.

Sinnvolle Nutzung von Twitter
Eigene Teams hat die App-Redaktion nicht, schafft es aber trotzdem, sogar B5 gelegentlich zu „überholen“, wie Vichtl erzählt. Da sitze einer und beobachte Twitter. Werde dort eine wichtige Neuigkeit verbreitet, kann sich der Twitterer an den neben ihm sitzenden Nachrichtenkollegen wenden. Dann sucht man nach einer zweiten Quelle und schon habe man eine eigene Meldung. Dann komme es schon vor, dass die Kollegen von B5 verwundert anfragen, wo man das denn her habe, über dpa sei doch noch nichts gesendet worden.

40 Inhalte für ein Stichwort
Häppchenjournalismus? Da schütteln die Verantwortlichen heftig den Kopf. Auch wenn die Text kurz seien, enthalte die App alles zur ausführlichen Information der User – wenn sie es wollen. Absehbare Ereignisse wie Urteile oder Bundestagsdebatten bereite die Redaktion vor. An einem solchen Tag würden mit Links und Hintergrund schon 20 oder 40 Inhalte geboten, die der Nutzer der Reihe nach anschauen könne, zu einer beliebigen Tageszeit. Das sei mehr als auf vielen Seiten einer Tageszeitung.

Hintergrund ist gefragt
Entgegen diversen Gerüchten, im Internet sei Ausführliches nicht gefragt, stellt der BR fest, dass auch die Hintergrundberichte abgerufen werden. Prima gelaufen seien Berichte des Nahost-Reporters über Verschwörungstheorien zum Syrienkrieg, aber auch Hintergrundinfos über den Pflegestreik. Zu Letzterem seien sogar Retweets eingegangen, die zeigten, dass der Absender Spiegel Online und anderen empfohlen habe, sich bei der BR-App umzusehen, was dort schon alles zum Thema geboten werde.

Mini-Redaktion
Fragt man, wieviele Leute hinter dieser, aus BR-Sicht, einzigartigen Erfolgsgeschichte stecken, erhält man Antworten, die einen Journalisten-Verband nicht so sehr erfreuen. In der Kernzeit ist die App-Redaktion gerade mal mit drei Leuten besetzt.

Aber Videoredakteure oder Grafiker, die für andere Redaktionen arbeiteten, würden dies auch für die App tun, erläutert Vichtl. Und andere Abteilungen, wie etwa Bayerntext, schickten ihre Leute für einige Zeit zur App-Redaktion. Das ist aus Sicht des Senders nur vernünftig, weil sich die Trimedialität jeder BR-Mitarbeiter zu eigen machen soll.

„Es gibt kein trimediales Honorar“
Allerdings räumt Vichtl ein, dass es seine Redaktion gar nicht gebe, zumindest nicht in Planstellen. Damit entsteht automatisch ein weiteres Problem, nämlich die spezielle Honorierung.

Die Mitarbeiter und natürlich auch die Freien, würden „anständig“ bezahlt, versichert der Chef. Denn wer eine Extra-Arbeit mache, solle auch extra Geld dafür erhalten. Er habe aber schon mal den Hinweis der Buchhaltung bekommen „Trimediales Honorar gibt es nicht“, worauf er erwidert habe „Der Kollege war aber in Fleisch und Blut dort“.

Man könne zwar Tagessätze bezahlen, aber er wünsche sich von den Tarifparteien, dass die Trimedialität auch bei den Honorarvereinbarungen bedacht werde. Die BR-App beschert offenbar nicht nur den Usern ein neues Nachrichtenerlebnis, sondern dem BJV noch einiges an Arbeit.

Michael Anger


Aktualisierung, 16.12.2015
Bei Turi2 berichtet Björn Czieslik, dass elf bayerische Verleger den Bayerischen Rundfunk wegen der BR24-App verklagen: Bayerische Zeitungsverleger klagen gegen BR24-App. Der Juristische Direktor des Bayerischen Rundfunks, Prof. Dr. Albrecht Hesse, kommentierte in einer Pressemitteilung die Vorwürfe der Verleger.

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