Blick auf das Verlagsgebäude, welches auch von anderen Oschmann-Medien genutzt wird: Bei der AZ drohen bald die Lichter auszugehen.
Foto: Jim Albright

Droht der Nürnberger Abendzeitung das Aus?

Verleger Gunther Oschmann will das Boulevardblatt wegen hoher Verluste loswerden – 50 Arbeitsplätze sind gefährdet.

Nürnberg/München, 27.09.2012

München, Nürnberg, 20.09.2012 – Was in Nürnberg in den letzten Tagen als Gerücht die Runde machte, scheint sich zu bestätigen: Der mittelfränkische Telefonbuchverleger und Radiounternehmer Gunther Oschmann will sich von der Abendzeitung Nürnberg trennen und sucht einen neuen Investor.

Grund dafür sind Millionenverluste, die Oschmann als Alleingesellschafter mit der Abendzeitung in den letzten zweieinhalb Jahren eingefahren hat. Pro täglicher Ausgabe schießt der Verleger inzwischen rund 7000 Euro zu, wie Insider schätzen. Findet sich in den nächsten Wochen kein neuer Investor, droht dem Nürnberger Blatt das Aus. Bei einer Schließung stünden 50 Mitarbeiter auf der Straße, davon die Hälfte aus der Redaktion. Zehn befristete Stellen sollen bereits Ende September auslaufen.

Meinungsvielfalt in Nürnberg passé?
„Gunther Oschmann ist in Nürnberg als Mäzen für Kultur und Medien sehr geschätzt. Nun muss er sich seiner Verantwortung stellen und eine Monopolisierung des Zeitungsmarktes in der Noris verhindern“, fordert der BJV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Stöckel. Nach der redaktionellen Teil-Verschmelzung von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung (siehe unser Bericht vom 25.07.2012) werde bei einer Schließung der Abendzeitung das Ende der Meinungsvielalt in der mittelfränkischen Metropole eingeläutet.

„Die Mitarbeiter der Abendzeitung sind motiviert und stehen voll hinter dem Blatt. Es darf nicht sein, dass sie von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz verlieren“, sagt der BJV-Vorsitzende. Sollte ein Abbau von Stellen in der Redaktion als unumgänglich erweisen, habe dieser sozial ausgewogen und nach einem detaillierten Sozialplan zu erfolgen.
 
Regionale Strategie
Dabei sah die Situation vor gut zweieinhalb Jahren in Nürnberg noch ganz anders aus. Damals erwarb Gunther Oschmann den fränkischen Ableger des Münchner Boulevardtitels, „um dem Titel eine bessere wirtschaftliche Perspektive zu geben“, wie der Münchner AZ-Geschäftsführer Dieter Schmitt im Februar 2010 erklärt hatte. Die Abendzeitung Nürnberg sollte stärker als regionaler Titel positioniert werden. Und das Management glaubte fest daran, dass sich das Boulevardblatt in der Region selbst wirtschaftlicher führen lasse als „ferngesteuert aus München“.

Zunächst wurde der Mantel noch aus München geliefert, später eine Vollredaktion aufgebaut – dafür wurden 14 Mitarbeiter neu eingestellt. Seit Mai 2011 erscheint das Blatt in einem neuen Layout und mit einem neuen redaktionellen Konzept (siehe auch auf der Website der AZ: „Entdecken Sie die neue AZ“, PDF, 1 Seite, 407 kb).

Von diesem Elan ist heute nichts mehr übrig. Der 71-jährige Oschmann, der an zahlreichen Lokalfunkstationen beteiligt ist (siehe auch Mediendatenbank der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK)), verliert offensichtlich die Lust daran, jährlich mehr als zwei Millionen Euro zuzuschießen, um die Abendzeitung Nürnberg am Leben zu halten – statt wie aus anderen Unternehmen Ertrag zu schöpfen.

Ungünstige Ausgangslage
Die Gründe für das Scheitern sind vielfältig. Zum einen ist Oschmann vertraglich langfristig daran gebunden, sein Blatt bei der Süddeutschen Societäts-Druckerei in Maisach bei München herstellen zu lassen – was für die Abendzeitung Nürnberg einen frühen Redaktionsschluss und damit mangelnde Aktualität mit sich bringt. Lediglich bei aktuellen Sportereignissen (Fußball-Länderspiele, Champions League, Bundesliga, DEL) werden eine oder mehrere Seiten in einer Wechselausgabe aktuell geschrieben und produziert.

Außerdem liegt die verkaufte Auflage mit rund 10.000 Exemplaren am Kiosk (laut Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) etwa 14.400) weit unter den Planzahlen: Rund 30.000 Stück müssten täglich verkauft werden, damit schwarze Zahlen geschrieben werden. Schließlich mehren sich die Stimmen, die dem Medien-Großinvestor Oschmann und seinem Management handwerkliche und inhaltliche Fehler vorwerfen, weil diese zu wenig Erfahrung im Tageszeitungsgeschäft hätten.

Wenig Perspektiven
Die nächste Tage und Wochen werden für die Mitarbeiter der Abendzeitung Nürnberg eine Zitterpartie. Noch ringt man um eine Lösung, die ein endgültiges Aus verhindern könnte. Eine erneute Kooperation mit der Münchner Abendzeitung kommt wohl nicht in Frage, weil die Verleger-Familie Friedmann ihren früheren Nürnberger Ableger inzwischen verschmäht. Also müsste ein anderer Verlag einsteigen, um Oschmann zumindest einen Teil der Bürde abzunehmen und das angeschlagene Boot in neues Fahrwasser zu bringen. Viele Kandidaten gibt es dafür nicht mehr.

Maria Goblirsch

Aktualisierung, 22.09.2012, Süddeutsche Zeitung
Im Medienteil der Wochenendausgabe (22./23.09.2012) der Süddeutschen Zeitung schreibt Olaf Przybilla in seinem Artikel "Ein Euro – Die "AZ Nürnberg" ist in Not, ein Käufer wird dringend gesucht" unter anderem: "Möglicherweise habe man sich verhoben, vielleicht verlegerische Fehler gemacht, räumt Finn [AZ-Geschäftsführer Roland Finn, BJV.de] ein. (...) Den Kaufpreis beziffert Finn nun auf "einen Euro". Man wolle nur sicherstellen, dass ein Investor die 35 Mitarbeiter übernehme. Nach SZ-Informationen hatte ein ein nordbayerischer Verlag Interesse bekundet, soll aber abgesprungen sein. Auch ein Nürnberger Unternehmer soll sich für für das defizitäre Blatt interessieren. "Uns geht es nur noch darum, dass Arbeitsplätze gesichert werden", sagt Finn."

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