Streiken statt berichten: 350 Journalisten in der Münchner Innenstadt
Foto: Stefan Puchner

Tarifrunde Tageszeitungen 2013/2014

Tageszeitungs-Redakteure aus zwölf bayerischen Verlagen streiken

Machtvolle Demonstration mit 350 Teilnehmern in München +++ 10. Tarifrunde in Berlin am Gründonnerstag endet ohne Fortschritte

München, 16.04.2014

+++ Aktualisierung 22.04.2014: Tarifverhandlungen Tageszeitungen: Der Stand der Dinge vor der elften Runde am morgigen Mittwoch: DJV-Pressemitteilung: "Erfolgszwang" vom 22.04.2014.

+++ Aktualisierung 17.04.2014: Die zehnte Verhandlungsrunde am Gründonnerstag in Berlin endete ohne nennenswerte Fortschritte – die elfte Runde findet am Mittwoch, 23. April, 11.00 Uhr in Berlin statt. Details zur gescheiterten zehnten Runde entnehmen Sie bitte der Pressemitteilung des DJV. +++

Rund 350 Journalisten aus zwölf bayerischen Verlagen nahmen am Mittwoch an einer Kundgebung in München teil. In ihren Reden forderten die Gewerkschaftsvertreter die Verleger auf, endlich in diesem Tarifstreit einzulenken, es gehe um die Zukunft des Redakteursberufes. Nachdem bereits am Montag Kolleginnen und Kollegen bei der Augsburger Allgemeine und der Allgäuer Zeitung in den Streik traten (wir berichteten), stellte diese Aktion einen weiteren Höhepunkt in dem nunmehr schon seit Sommer 2013 laufenden Tarifstreit dar.

"Unsere Geduld ist endlich"
Der BJV-Vorsitzende Michael Busch kritisierte in seiner Rede die fehlende Wertschätzung der Verleger für den journalistischen Beruf: "Diese Art der Verhandlung kann uns nur sauer machen, keine Angebote, kleine bis keine Schritte auf uns zu ... Verzögerungstaktik, aber noch kein Wort darüber, wie wichtig unser Beruf für dieses Land ist. Nichts über den Wert des Journalismus. Warum auch? Sie würden sich ja in die Bredouille bringen, da sie dann ihre Vorstellungen der unlauteren Vorstellungen, mit denen sie uns abspeisen wollen, nicht mehr halten könnten."

Druckmittel der Redakteure
Busch mahnte die Verleger: "Unsere Geduld ist endlich". Er sei überzeugt davon, dass die Journalisten noch "Druckmittel" hätten, die sie bislang noch nicht in die Verhandlungen eingebracht haben: "Lasst uns doch mit den Verlegern, nicht mit allen, aber doch den meisten, lasst uns doch mal zum Beispiel über unsere Arbeitszeiten sprechen. Wie sähen denn so manche Häuser aus, wenn wir regulär nach tariflichen knapp 7,5 Stunden unseren Kugelschreiber fallen lassen würden, das Ipad ausschalten, den Computer Computer sein lassen würden?

Wie wäre denn die Berichterstattung, wenn von Euch die Nachts gehenden Feuerwehr-Sirenen oder Anrufe der Polizei egal wären? Wir diese ignorieren und kein Bericht erstatten? Wie wäre es denn, wenn die Verleger uns die Bereitschaftsdienste so vergüten müssten, wie es der Gesetzgeber vorsieht?"

"Nehmen Sie uns ernst!"
Busch appellierte an die Verhandlungspartner der Verlegerseite: "Nehmen Sie uns ernst und beurteilen Sie unseren Wert für die Unternehmen reell". An die anwesenden Kolleginnen und Kollegen gerichtet sagte Busch: "Wenn der Gründonnerstag wieder keinen Schritt nach vorne führt, werden wir deutlicher werden müssen.

Wir stehen hier nicht nur für mehr Geld – wir stehen hier vor allem für den Wert unserer Arbeit, der Wertigkeit unseres Tuns. Das gilt im Übrigen für die tarifgebundenen Häuser, das gilt aber auch für die so genannten OT-Häuser – vielleicht für diese noch mehr."

Verleger jammern über angeblich schlechte wirtschaftliche Lage
Wolfgang Grebenhof, Mitglied des BJV-Landes- und des DJV-Bundesvorstandes, kritisierte die starre Haltung der Verleger: "Sie legen immer noch dieselbe alte Schallplatte auf: Die Redakteure müssen billiger werden. Noch billiger, wohlgemerkt – denn eine schleichende Entwertung erlebt unsere Arbeit ja schon seit Jahren." Dass es den meisten deutschen Zeitungsverlagen immer noch gut gehe, habe nicht zuletzt der Medienökonom Wolfgang Seufert aus Jena belegt.

Umsatzrenditen zwischen acht und 14 Prozent seien eher die Regel als die Ausnahme: "Die Überschüsse der Zeitungsverlage haben sich Seufert zufolge seit 2006 verdoppelt und liegen deutlich über dem durchschnittlichen Gewinnzuwachs der Medienwirtschaft. Als Gründe für das dicke Plus der Verlage nennt er die niedrigen Gehaltssteigerungen sowie den Stellenabbau. Die Verlage haben demnach seit 1991 rund 85.000 Stellen gestrichen, davon die Hälfte in den letzten fünf Jahren.

Journalistenberuf verliert immer mehr an Attraktivität
Wegen der mangelnden Wertschätzung der Journalisten in den Verlagen, verliere der journalistische Beruf immer mehr an Attraktivität. Grebenhof zitierte den Hilferuf des Journalistikstudenten Christian Esser, der gestern bei Newsroom.de veröffentlicht wurde: "Ich habe Angst, mich selbst später nicht mit meinem Beruf ernähren zu können." Und Esser ist mit dieser begründeten Sorge beileibe nicht allein.

Zehn bis 15 Überstunden in der Woche
Doch offenbar wolle niemand von den Verlegern die Alarmglocken hören. Die Zahl der Volontärs-Bewerbungen gehe in den Keller, weil die Rahmenbedingungen des Redakteursberufes einfach nicht mehr zu den massiv gestiegenen Anforderungen passen. Personell völlig unterbesetzte Redaktionen ließen kaum noch Freiräume für intensiv selbst recherchierte Geschichten.

Zehn bis 15 Überstunden pro Woche seien fast schon Normalität. Hinzu kommt der Dauerdruck durch crossmediales Arbeiten: "Print, online, social media, das alles gleichzeitig und am besten rund um die Uhr. Und wenn der Körper dann mal schlapp macht unter diesem Dauerstress – prima, dann kürzen wir doch einfach das Weihnachtsgeld!"

Es geht um die Zukunft des Redakteursberufes!
Grebenhof appellierte an den Verhandlungsführer des BDZV, Georg Wallraf: "Herr Wallraff, es geht nicht allein um Zahlen vor oder hinter dem Koma. Es geht nicht allein um den Fortbestand des Flächentarifs. Es geht um die Zukunft des Redakteursberufes! Und diese Zukunft werden wir nicht kampflos Ihren kurzsichtigen Gewinnmaximierungszielen preisgeben – verlassen Sie sich darauf!"

Keine Mogelpackung mit uns!
Neben Einkommensverbesserungen für festangestellte und freie Zeitungsjournalisten hält der DJV an der Integration der Onliner in die Tarifverträge ebenso fest wie an der Geltung der Tarifverträge für alle Regionen.

„Eine Mogelpackung, bei der zwar die Gehälter angehoben werden, aber durch die Kürzung bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld faktisch bei den Kolleginnen und Kollegen weniger ankommt, ist mit uns nicht zu machen!“, stellte Jutta Müller, BJV-Geschäftsführerin und Mitglied der Verhandlungskommission, in einem Streikaufruf klar.

Die neunte Verhandlungsrunde am 26. März 2014 in Berlin war ohne Ergebnis unterbrochen worden. Die Verleger koppelten ihr Angebot an eine stufenweise Absenkung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, so dass an deren Ende das Jahreseinkommen faktisch von 13,75 Gehältern auf 13,5 Gehälter reduziert worden wäre. Auch nach intensiven Verhandlungen waren die Verleger nicht bereit, ihr Angebot von zwei mal zwei Prozent Gehaltserhöhung  zum 1. April  2014 und zum 1. Mai  2015  (Laufzeit bis 31. Januar 2016) so nachzubessern, dass ein reales Gehaltsplus gewährleistet gewesen wäre.

Zehnte Verhandlungsrunde am Gründonnerstag in Berlin
Als Termin für die zehnte Verhandlungsrunde haben die Gewerkschaften DJV und dju sowie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Donnerstag, den 17. April 2014 in Berlin festgelegt. Für den BJV nimmt Geschäftsführerin Jutta Müller an dieser Runde teil.

Anträge auf Streikunterstützung und aktuelle Informationen
Hier finden Sie Anträge auf Streikunterstützung für angestellte Journalisten (PDF) und für freie Journalisten (PDF). Über aktuellen Entwicklungen informieren wir Sie auch auf unseren Twitter- und Facebook-Angeboten.

Thomas Mrazek

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