Manfred Sauerer, Chefredakteur der "Mittelbayerischen Zeitung", begrüßt die Teilnehmer, links im Bild Dirk Zeiler, CEO next media accelerator
Foto: Tino Lex/Mittelbayerische Zeitung

BJVreport

Zweiter Regensburger Hackathon: Machen statt reden

Programmierer, Designer & Journalisten tüftelten beim Hackathon der Mittelbayerischen Zeitung ihre Ideen aus

Regensburg, 17.03.2017

Wie können wir den digitalen Wandel der Zeitung schaffen? Wie können wir nützliche Angebote rund um und für den Journalismus schaffen? Über diese Frage zerbrechen wir uns schon seit knapp 25 Jahren den Kopf.

Bei der Mittelbayerischen Zeitung (MZ) in Regensburg richtete man 2016 eine Entwicklungsredaktion ein, die sich vor allem mit der „digitalen Transformation“ beschäftigt.

Die Netzaktivitäten der Zeitung sind vielfältig. Nach dem Relaunch ihrer Homepage 2015 (wir berichteten) starteten die Regensburger beispielsweise mit „Mittelbayerische Maps“ eine interaktive Karte, die den Nutzern lokal verortete Nachrichten und Informationen bietet. Auch auf Kanälen wie WhatsApp oder Snapchat sind die Zeitung und ihre Mitarbeiter aktiv. Ebenso experimentiert das Blatt mit 360-Grad-Videos und Storytelling.

Inspiration von draußen
Trotz aller eigenen Innovationsfreude habe man erkannt, dass ein Medienhaus nicht nur mit eigenen Bordmitteln an der digitalen Zukunft basteln kann, man brauche auch Inspirationen von außen, sagt Mario Geisenhanslüke. Nach seinem Volontariat bei der MZ startete der 26-Jährige als Entwicklungsredakteur dort.

Wissen, Ideen und viel Tatkraft „von außen“ brachten im März rund 50 Teilnehmer zum zweiten Hackathon der Mittelbayerischen Zeitung ins Verlagshaus. Von Donnerstag- bis Samstagabend trafen sich dort IT-Entwickler, Informatik-Studenten, Programmierer, Schüler, Designer und drei Journalisten (eine Jung-Redakteurin und zwei Volontäre der MZ) sowie Mitarbeiter des MZ Verlagsmarketings um gemeinsam an digitalen Projekten zu arbeiten. Der Altersdurchschnitt dürfte um die 25 gelegen haben.

Unter dem Motto „Mensch/Maschine“ konnten die Teilnehmer in Teams ihre Ideen entwickeln. In einem ersten Wettbewerb, dem Ideen-Pitch, am Donnerstagabend präsentierten 15 Teams ihre Ideen – beispielsweise die intelligente Weitergabe von Gutscheinen örtlicher Geschäfte mittels einer App. Eine Minute hatten die Bewerber Zeit, ihre Idee vor den Organisatoren zu präsentieren. Schließlich wurden neun Teams gegründet, die bis Samstagabend einen Prototyp ihres Projektes erstellen mussten.

Die Teams konnten die komplette Infrastruktur des Medienhauses nutzen: Ob WLAN, Zugriffe auf Schnittstellen zu den „Mittelbayerische Maps“ oder zur Bilddatenbank; rundum gab es auch ein kostenloses Catering – kein unwichtiges Angebot, denn ein Programmierer arbeitete beispielsweise 36 Stunden am Stück. Nahezu rund um die Uhr unterstützten Mario Geisenhanslüke, MZ-Chefredakteur Manfred Sauerer und weitere Mitarbeiter des Medienhauses die Teilnehmer.

Außerdem betreuten drei Mitarbeiter des von der dpa 2015 initiierten next media accelerator (nma), als Mentoren die Teams. Der in Hamburg ansässige nma fördert unter anderem mediennahe Startups aus ganz Europa mit einem sechsmonatigen Intensivprogramm und bis zu 50.000 Euro.

nma-Geschäftsführer Dirk Zeiler beriet in Regensburg die Gruppen in einem Pitch-Training und zeigte ihnen dabei, worauf es ankommt wenn man seine Idee – etwa vor einem potenziellen Investor – in zwei, drei Minuten präsentiert. Häufig scheiterten gute Start-ups nach mehrmonatiger Arbeit an ihrem Produkt an dieser Hürde, da sie nicht ordentlich erklären könnten, worin der besondere Nutzen ihres Angebot liege, erläutert Zeiler.

Bereits beim ersten Hackathon der Mittelbayerischen Zeitung 2016 unterstützte nma die Regensburger bei der Organisation dieser Veranstaltung. Durch einige Sponsoren und auch das Google News Lab sei es der MZ möglich, den Hackathon kostendeckend anzubieten, erklärt Geisenhanslüke.

Für seinen Verlag lohne sich die Veranstaltung in mehrfacher Hinsicht, man präsentiere sich als „offenes und innovatives Haus in der Region“. „Und wenn am Ende ein hier entwickeltes Produkt in unser Portfolio passt, ist es umso besser“. Demnächst soll eine beim Hackathon 2016 App für Flüchtlinge von der MZ herausgebracht werden, erzählt Geisenhanslüke.

Nicht jeder muss programmieren können
Auch für das eigene Arbeiten sei es sehr lehrreich, sagt der Redakteur: „Man kommt als Journalist in Zukunft nicht mehr am Thema Coding vorbei. Das heißt aber nicht, dass jeder Programmieren können muss, man muss aber ein Grundverständnis davon haben“. Ebenso sei es für Journalisten wichtig in interdisziplinären Team arbeiten zu können. Geisenhanslüke hatte beim ersten Hackathon als Teilnehmer mitgemacht, jetzt agierte er als Organisator und Mitglied der Jury.

Hackathons noch ziemlich unbekannt
„Nur in Verbindung mit Start-ups kann man mit dem Tempo der Digitalisierung Schritt halten“, sagt Meinolf Ellers, Marketing-Geschäftsführer bei nma. Ellers sieht Hackathons „als Eisbrecher in den Medienhäusern – hier können sie von den Chancen der digitalen Welt profitieren“. Unter anderem hat nma Hackathons für ARD aktuell/NDR, Handelsblatt/Wirtschaftswoche und dpa mitveranstaltet. Im September 2017 veranstaltete FUNKE Digital seinen ersten Hackathon.

Ellers bedauert, dass Print in vielen Medienhäusern noch „Priorität“ habe: „Dabei haben doch gerade viele der mittelständischen Anzeigenkunden bei der Digitalisierung die gleichen Probleme“. Bei Hackathons könnten „junge Freaks sehen, dass Zeitungen für Nachhaltigkeit stehen. Beide Seiten können voneinander profitieren“.

Am dritten Tag präsentierten die neun Teams des Regensburger Hackathons ihre Prototypen vor einer Jury und den anderen Teilnehmern. In drei Minuten musste das Projekt vorgestellt werden, die Jury konnte noch kurze Fragen stellen. In sechs Kategorien wurden Preise bis zu 2000 Euro vergeben. Den „Special Award Mittelbayerische Maps“ mit 500 Euro gewann das Team „emptyPockets“, welches mit seiner mobilen App Gutscheine, die über die digitale Karte der MZ vertrieben werden, anbietet.

Positives Resümee
Im sechsköpfigen Siegerteam dabei waren die MZ Volontäre Katharina Eichinger und Sebastian Böhm. Eichinger gesteht ein, etwas Angst vor dem Projekt gehabt zu haben: „Ich kann nämlich nicht Programmieren“, Böhm ging es ähnlich. Doch nach dem Hackathon ziehen sie ein positives Resümee. Vorstellungen von unkommunikativen Computernerds hätten sich nach wenigen Minuten als Klischee erwiesen und: „Wir haben viel voneinander gelernt“. Auch Chefredakteur Sauerer ist am Samstagabend wohlgestimmt: „Wir wollen mit den Teams im Gespräch bleiben, schauen, ob wir etwas beitragen können und auch, ob wir die Idee vielleicht gemeinsam weiterentwickeln können. Es ist alles möglich“.

Thomas Mrazek

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